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BVerfG Beschluss vom 18.09.2013 - 1 BvR 924/12

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Im Gegensatz zur Pflichtveranlagung erfolgt bei der einkommensteuerlichen Antragsveranlagung keine Anlaufhemmung der Festsetzungsfrist

 

Leitsatz (redaktionell)

Dass bei der einkommensteuerlichen Antragsveranlagung im Gegensatz zur Pflichtveranlagung keine Anlaufhemmung eintritt, verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz.

 

Normenkette

EStG § 46 Abs. 1 Nrn. 1-8; AO § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1; GG Art. 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

BFH (Beschluss vom 23.02.2012; Aktenzeichen VI B 118/11; BFH/NV 2012, 919)

FG Köln (Urteil vom 12.10.2011; Aktenzeichen 10 K 1349/10)

 

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

 

Tatbestand

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob es mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar ist, dass bei der einkommensteuerrechtlichen Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG anders als in Fällen der Pflichtveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 EStG die Anlaufhemmung für den Beginn der Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO nicht zur Anwendung kommt.

I.

1. Die Beschwerdeführerin arbeitete in den Jahren 2003 und 2004 als Erzieherin in einer Kindertagesstätte und erzielte dabei Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, mit denen sie dem Lohnsteuerabzug unterlag. Zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung für diese Jahre war die Beschwerdeführerin nicht verpflichtet, da sie als Arbeitnehmerin keinen der Pflichtveranlagungstatbestände nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 EStG erfüllte.

2. Im Dezember 2009 reichte die Beschwerdeführerin Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2003 und 2004 beim Finanzamt ein und beantragte gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG die Veranlagung zur Einkommensteuer. Das Finanzamt lehnte den Antrag jedoch mit der Begründung ab, dass die Festsetzungsfrist für die betreffenden Jahre am 31. Dezember 2007 beziehungsweise am 31. Dezember 2008 abgelaufen sei, so dass die Beschwerdeführerin durch ihren Antrag vom Dezember 2009 keine Einkommensteuerfestsetzung für diese Veranlagungszeiträume mehr herbeiführen könne. Die in § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO geregelte Hemmung des Anlaufs der Festsetzungsfrist komme in diesem Fall nicht zur Anwendung.

3. Die daraufhin erhobene Klage zum Finanzgericht, mit der die Beschwerdeführerin geltend machte, dass im Streitfall die Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO zu berücksichtigen sei, blieb ohne Erfolg.

4. Die Beschwerdeführerin wandte sich gegen das Urteil des Finanzgerichts mit einer Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesfinanzhof. Im Wesentlichen trug sie dabei vor, die Rechtsfrage, ob § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO verfassungskonform dahingehend auszulegen sei, dass die in dieser Vorschrift geregelte Hemmung des Anlaufs der Festsetzungsverjährung auch auf Fälle der Antragsveranlagung Anwendung finde, sei von grundsätzlicher Bedeutung.

5. Der Bundesfinanzhof wies die Nichtzulassungsbeschwerde zurück. Die von der Beschwerdeführerin aufgeworfene Rechtsfrage sei durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs geklärt (unter Hinweis auf BFHE 233, 311). Danach sei der Anlauf der Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO nicht gehemmt, wenn – wie im Streitfall – den Steuerpflichtigen keine Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung treffe. Dass die Beschwerdeführerin eine Einkommensteuererstattung nur nach Abgabe einer Steuererklärung habe erhalten können, begründe keine Pflicht zur Abgabe, wie § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO sie hinsichtlich der Anwendung der Anlaufhemmung voraussetze.

 

Entscheidungsgründe

II.

Mit ihrer gegen die finanzbehördlichen Entscheidungen, das Urteil des Finanzgerichts und gegen den Beschluss des Bundesfinanzhofs erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG. Der Gleichheitssatz verlange bei den Regelungen über die Festsetzungsverjährung eine Gleichbehandlung von Pflicht- und Antragsveranlagungen. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO sei im Lichte von Art. 3 Abs. 1 GG dahingehend verfassungskonform auszulegen, dass die Anlaufhemmung auch in Fällen der Antragsveranlagung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG Anwendung finde.

III.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Sie hat weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung (vgl. § 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG) noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung des als verletzt gerügten Rechts der Beschwerdeführerin aus Art. 3 Abs. 1 GG angezeigt (vgl. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).

Es verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, dass bei der einkommensteuerrechtlichen Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG anders als in Fällen der Pflichtveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 EStG die Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO nicht zur Anwendung kommt.

1. a) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt für ungleiche Belastungen und ungleiche Begünstigungen (vgl. BVerfGE 121, 108 ≪119≫; 121, 317 ≪370≫; 126, 400 ≪416≫). Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (vgl. BVerfGE 75, 108 ≪157≫; 93, 319 ≪348 f.≫; 107, 27 ≪46≫; 126, 400 ≪416≫; 129, 49 ≪69≫).

Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (vgl. BVerfGE 117, 1 ≪30≫; 122, 1 ≪23≫; 126, 400 ≪416≫; 129, 49 ≪68≫). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich unter anderem aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben (vgl. BVerfGE 88, 87 ≪96≫; 111, 176 ≪184≫; 129, 49 ≪69≫). Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind (vgl. BVerfGE 88, 87 ≪96≫; 129, 49 ≪69≫).

Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstands und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum (vgl. BVerfGE 117, 1 ≪30≫; 120, 1 ≪29≫; 122, 210 ≪230≫; 123, 1 ≪19≫; 127, 224 ≪245≫). Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert, wird vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit (vgl. BVerfGE 116, 164 ≪180≫; 117, 1 ≪30≫; 122, 210 ≪230 f.≫; 127, 224 ≪245≫). Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (vgl. BVerfGE 116, 164 ≪180 f.≫; 117, 1 ≪31≫; 120, 1 ≪29≫; 123, 1 ≪19≫; 127, 224 ≪245≫).

b) Ausgehend hiervon ist die Ungleichbehandlung von Pflichtveranlagungen nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 EStG und Antragsveranlagungen nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG hinsichtlich des Beginns der Festsetzungsfrist innerhalb der Gleichheitsprüfung nicht an einem strengen Prüfungsmaßstab zu messen. Zwar sind die Voraussetzungen der Nr. 1 bis 7 des § 46 Abs. 2 EStG, unter denen die Veranlagung zur Einkommensteuer von Amts wegen zu erfolgen hat, für den Steuerpflichtigen nicht ohne weiteres zu beeinflussen, der zur Einkommensteuerfestsetzung führende Antrag auf Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG beruht indes auf einem freien Willensentschluss und ist damit für den Steuerpflichtigen frei verfügbar. Die Antragsveranlagung entfaltet auch keine freiheitseinschränkende Wirkung, die einen strengeren Maßstab erforderte.

2. Zwischen der Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG und der Pflichtveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 EStG bestehen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, dass dies – jedenfalls gemessen an den geringen Anforderungen an den Differenzierungsgrund, die hier geboten sind – eine unterschiedliche Behandlung bei der Anlaufhemmung der Festsetzungsfrist insbesondere mit Rücksicht auf den Gesetzeszweck dieser Regelung in § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO rechtfertigt.

a) Die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer beträgt nach § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO vier Jahre. Sie beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 1 AO). Abweichend von § 170 Abs. 1 AO beginnt die Festsetzungsfrist gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO unter anderem dann, wenn eine Steuererklärung einzureichen ist, mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist. Durch diese Anlaufhemmung soll verhindert werden, dass durch späte Einreichung der Steuererklärung die der Finanzbehörde zur Verfügung stehende Bearbeitungszeit für die Veranlagung verkürzt wird (vgl. BTDrucks VI/1982, S. 151; Banniza, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 170 Rn. 12 [Stand Juni 2011]; Paetsch, in: Beermann/Gosch, AO/FGO, § 170 AO Rn. 2 [Stand November 2011]; Frotscher, in: Schwarz, AO, § 170 Rn. 5 [Stand April 2011]). Die Festsetzungsfrist soll nicht bereits zu laufen beginnen, bevor die Finanzbehörde etwas vom Entstehen und der Höhe des Steueranspruchs erfahren hat (vgl. BFHE 190, 220 ≪223≫; 202, 1 ≪5≫; Rüsken, in: Klein, AO, 11. Aufl. 2012, § 170 Rn. 5; Paetsch, in: Beermann/Gosch, AO/FGO, § 170 AO Rn. 2 [Stand November 2011]; siehe auch Kruse, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 170 AO Rn. 7a [Stand Mai 2011]). Die finanzgerichtliche Rechtsprechung spricht insoweit von einem Sicherungszweck der Anlaufhemmung (vgl. BFHE 210, 65 ≪69≫; 217, 393 ≪397≫).

b) Nach dem im Einkommensteuerrecht geltenden Veranlagungsprinzip (vgl. § 25 Abs. 1 EStG) wird die Einkommensteuer nach Ablauf des Kalenderjahres nach dem Einkommen veranlagt, welches der Steuerpflichtige in diesem Veranlagungszeitraum bezogen hat. Um die Veranlagung zu ermöglichen, hat der Steuerpflichtige nach § 25 Abs. 3 Satz 1 EStG (i. V. m. § 56 EStDV) für den abgelaufenen Veranlagungszeitraum eine Einkommensteuererklärung abzugeben. Die Finanzverwaltung wird regelmäßig erst durch die Steuererklärung in die Lage versetzt, die Besteuerungsgrundlagen festzustellen und die Steuer festzusetzen, mithin den Steuerpflichtigen zu veranlagen (vgl. Geurts, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 25 Rn. C 5 [Stand September 2011]; siehe auch BFHE 154, 77 ≪79≫). Erst nach der Bearbeitung der Einkommensteuererklärung kann das Finanzamt erkennen, ob bereits erbrachte Vorauszahlungen (vgl. § 37 EStG) oder aufgrund eines Steuerabzugs an der Quelle einbehaltene Beträge (vgl. §§ 38 ff., §§ 43 ff. EStG) möglicherweise nicht ausreichen, um die tatsächlich entstandene Einkommensteuerschuld zu decken (vgl. BFH, Beschluss vom 21. Januar 1998 – IV B 34/97 –, BFH/NV 1998, S. 846).

c) Eine Ausnahme vom einkommensteuerrechtlichen Veranlagungsprinzip sieht § 46 Abs. 2 EStG für die Bezieher von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit vor. Besteht danach das Einkommen ganz oder teilweise aus Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, von denen ein Steuerabzug vorgenommen worden ist, so ist eine Veranlagung nur durchzuführen, wenn die in § 46 Abs. 2 EStG genannten Tatbestände erfüllt sind; andernfalls besteht ein Veranlagungsverbot (vgl. Eisgruber, in: Kirchhof, EStG, 11. Aufl. 2012, § 46 Rn. 2; Heuermann, in: Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 46 EStG Rn. 3 [Stand November 2012]). § 46 Abs. 2 EStG unterscheidet Tatbestände der Pflichtveranlagung (§ 46 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 EStG) vom Tatbestand der Antragsveranlagung (§ 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG). Soweit das Einkommensteuergesetz bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit danach Veranlagungen von Amts wegen vorsieht (§ 46 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 EStG), sollen hiermit Sachverhalte erfasst werden, bei denen die Verwirklichung des Einkommensteueranspruchs allein durch den Lohnsteuerabzug fraglich erscheint (vgl. Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 46 Rn. A 45 [Stand Juni 2002]; Tillmann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 46 EStG Rn. 1 [Stand Dezember 2011]; Kulosa, in: Schmidt, EStG, 31. Aufl. 2012, § 46 Rn. 2).

Die Veranlagung auf Antrag des Arbeitnehmers nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG steht dem Steuerpflichtigen dagegen frei. Sie kommt ausschließlich dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer keinen der Pflichtveranlagungstatbestände des § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 EStG erfüllt (vgl. BFHE 214, 149 ≪151≫; Eisgruber, in: Kirchhof, EStG, 11. Aufl. 2012, § 46 Rn. 2). Ist weder ein Veranlagungstatbestand nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 EStG gegeben noch ein Antrag auf Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG gestellt, gilt die Einkommensteuer durch den Lohnsteuerabzug beim Arbeitnehmer als abgegolten (vgl. nur Tillmann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 46 EStG Rn. 1 [Stand Dezember 2011]; Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 46 Rn. E 3 [Stand Juni 2002]).

Der Antrag auf Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG dient daher primär dem Interesse des Steuerpflichtigen (vgl. BFH, Beschluss vom 21. Januar 1998 – IV B 34/97 –, BFH/NV 1998, S. 846; Heuermann, in: Blümich, EStG/KStG/ GewStG, § 46 EStG Rn. 2 [Stand November 2012]); das Absehen von einer Antragstellung ist mit keinen Nachteilen oder Sanktionen verbunden. Beantragt ein Arbeitnehmer eine Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG, kommt es in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle zu einer Steuererstattung (vgl. Bundesministerium der Finanzen, Datensammlung zur Steuerpolitik Ausgabe 2012, S. 35). Ergibt sich ausnahmsweise doch eine Steuernachforderung, so besteht für den Arbeitnehmer noch die Möglichkeit, durch eine Rücknahme des Antrags die Nachzahlung zu vermeiden (vgl. Eisgruber, in: Kirchhof, EStG, 11. Aufl. 2012, § 46 Rn. 28; Kulosa, in: Schmidt, EStG, 31. Aufl. 2012, § 46 Rn. 31).

d) Das Ziel der Anlaufhemmung für die Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO, den der Finanzverwaltung zur Verfügung stehenden Zeitraum zur Geltendmachung des Einkommensteueranspruchs nicht durch eine unzureichende Mitwirkung des Steuerpflichtigen verkürzen zu lassen (s. o. unter a), greift daher bei den nur ausnahmsweise zur Einkommensteuer veranlagten nicht selbständigen Arbeitnehmern zwar in den Fällen der Pflichtveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 EStG, hingegen typischerweise nicht bei der Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG. Der Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG liegt nach ihrer gesetzlichen Konzeption der Gedanke zu Grunde, dass bei den von ihr erfassten Fällen der Anspruch des Staates auf Einkommensteuer bereits durch den Lohnsteuerabzug befriedigt ist. Nach der Entscheidung des Gesetzgebers ist bei der Veranlagung auf Antrag des Steuerpflichtigen kein Sachverhalt gegeben, der zur Verwirklichung des staatlichen Steueranspruchs die Abgabe einer Steuererklärung erfordern würde. Die Veranlagung liegt vielmehr im Interesse des Steuerpflichtigen. Folglich besteht bei der Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG – anders als in den Fällen der Pflichtveranlagung – auch keine Notwendigkeit, den staatlichen Besteuerungsanspruch durch die Gewährleistung ausreichender Bearbeitungszeit durch die Finanzbehörden zu sichern. Das rechtfertigt es, in den Fällen der Pflichtveranlagung eine Anlaufhemmung vorzusehen, nicht jedoch bei Antragsveranlagungen nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG.

3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Unterschriften

Kirchhof, Eichberger, Britz

 

Fundstellen

Haufe-Index 5499776

BFH/NV 2014, 142

HFR 2013, 1157

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