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BSG Urteil vom 28.07.1999 - B 9 V 19/98 R

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Beteiligte

Land Hessen

Hessische Landesamt für Versorgung und Soziales – Landesversorgungsamt –

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 12. Juni 1997 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Beschädigtenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).

Der am 12. Juni 1932 geborene Kläger, ein Serbe, lebt in der Bundesrepublik Jugoslawien. Am 9. September 1989 beantragte er Beschädigtenversorgung. Er gab an, im Jahre 1944 durch die Explosion zurückgelassenen Kriegsmaterials zwei Finger der linken Hand verloren zu haben und sich deshalb auch in seinem Heimatland um die Gewährung einer Rente als ziviles Kriegsopfer zu bemühen. Mit Bescheid vom 22. November 1993 lehnte der Beklagte die Gewährung von Beschädigtenversorgung unter Hinweis auf § 7 Abs 2 BVG ab, weil der Kläger einen Versorgungsanspruch gegen den eigenen Staat habe. Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch trug der Kläger vor, er habe den Rentenantrag in Jugoslawien verspätet gestellt und erhalte deshalb keine Rente als ziviles Kriegsopfer. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 16. März 1994 zurück.

Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Zur Begründung wird im Urteil des Landessozialgerichts (LSG) ua ausgeführt: Die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem BVG sei durch § 7 Abs 2 BVG ausgeschlossen. Dem stehe nicht entgegen, daß der Kläger die Antragsfrist für Versorgungsansprüche gegen seinen Heimatstaat versäumt habe.

Mit der – vom Senat zugelassenen – Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 7 Abs 2 BVG und macht ua geltend: Aus der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) lasse sich nicht herleiten, daß schon bei Verstreichenlassen einer im ausländischen Recht enthaltenen Ausschlußfrist für die der Kriegsopferversorgung entsprechenden Leistungen und dem damit verbundenen Anspruchsverlust im Heimatland auch nach dem BVG eine Leistungsgewährung ausscheide. Es komme nicht darauf an, daß einem Versorgungsberechtigten eine ausländische Versorgungsleistung dem Grunde nach einmal zugestanden habe. Mit Ablauf der Ausschlußfrist seien alle Ansprüche ex tunc weggefallen. Das sei entscheidend.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 12. Juni 1997 sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt/Main vom 24. Juni 1996 und den Bescheid des Beklagten vom 22. November 1993 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 1994 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger dem Grunde nach Beschädigtenversorgung ab September 1989 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§§ 124 Abs 2, 153 Abs 1, 165 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).

II

Die Revision des Klägers ist nicht begründet.

Dem geltend gemachten Anspruch steht § 7 Abs 2 BVG entgegen. Danach ist das BVG auf Kriegsopfer, die aus derselben Ursache einen Anspruch auf Versorgung gegen einen anderen Staat haben, nicht anwendbar, es sei denn, daß zwischenstaatliche Vereinbarungen etwas anderes bestimmen. Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Bundesrepublik Jugoslawien gibt es keine derartige zwischenstaatliche Vereinbarung.

Der in § 7 Abs 2 BVG verankerte Grundsatz des Ausschlusses einer Doppelversorgung aus öffentlichen Mitteln bei gleicher Ursache erstreckt sich auch auf den Kläger. Der Senat hat bereits entschieden, daß Bezieher von ausländischen Versorgungsleistungen (vgl BSGE 81, 156, 158 = SozR 3-1300 § 45 Nr 37) und schlechthin jeder, dem das ausländische Versorgungsrecht einen Anspruch eröffnet, mag dieser nun im Einzelfall zu verwirklichen sein oder nicht, keine Versorgungsleistungen nach dem BVG zu beanspruchen haben. Entscheidend dafür ist, daß dieselbe Ursache die Geltendmachung eines Anspruchs auf Versorgung nach den Gesetzen des anderen Staates ermöglicht. Solche Kriegsopfer können auch über § 8 BVG keine Versorgung erhalten (BSG SozR 3100 § 7 Nr 2). Anders ausgedrückt: Wer zum Kreis der nach ausländischem Recht potentiell Anspruchsberechtigten gehört, hat aufgrund der Regelung in § 7 Abs 2 BVG keinen Anspruch auf Versorgungsleistungen nach dem BVG (vgl auch BSG SozR 3-3100 § 7 Nrn 2 und 3 und BSGE 81, 156 = 1300 § 45 Nr 37). Der Zweck der genannten Vorschrift besteht nämlich nicht nur darin, Doppelleistungen zu vermeiden. § 7 Abs 2 BVG soll schon allein wegen der Zugehörigkeit des Geschädigten zum Kriegsopferversorgungssystem eines anderen Staates sämtliche Ansprüche nach dem BVG ausschließen.

Der Kläger gehörte als sog ziviles Kriegsopfer in seinem Heimatstaat zum Kreis der potentiell Versorgungsberechtigten. Nach den Feststellungen des LSG hat er jedoch nicht innerhalb der nach den vorgelegten amtlichen jugoslawischen Bescheinigungen bis zum 31. Dezember 1988 laufenden Frist den Antrag auf eine Rente als ziviles Kriegsopfer gestellt. Für die Anwendung des § 7 Abs 2 BVG kommt es indessen nicht darauf an, ob es sich bei dieser Frist nach jugoslawischem Recht um eine Ausschlußfrist handelt, nach der der konkret geltend gemachte Anspruch „ex tunc” entfallen, oder ob der Versorgungsanspruch nur auf Dauer suspendiert worden ist. Ebensowenig ist von Bedeutung, ob den Kläger ein Verschulden bzgl der Fristversäumnis trifft. Seine Zugehörigkeit zum Kreis der nach dem Recht seines Heimatstaates potentiell Versorgungsberechtigten wird durch die Fristversäumnis nicht beseitigt. Säumnisse der Betroffenen, gleichgültig, ob verschuldet oder unverschuldet, betreffen innerstaatliche jugoslawische Rechtsbeziehungen und Rechtsfolgen, in die sich das deutsche Entschädigungsrecht grundsätzlich nicht einmischt (vgl BSGE 81, 156, 160 = SozR 3-1300 § 45 Nr 37).

Der Kläger ist auch nicht so zu behandeln, als hätte er auf Ansprüche nach dem Recht seines Heimatstaates verzichtet und wäre damit aus dem Versorgungssystem in Jugoslawien ausgeschieden. Sein Heimatstaat kann jederzeit das Recht ändern und, zB durch Einräumen einer Nachfrist, erneut eine Antragsmöglichkeit eröffnen (vgl auch Fehl in Wilke/Fehl/Förster/Leisner/Sailer, Soziales Entschädigungsrecht, Komm 7. Aufl 1992, § 7 BVG, RdNr 14). In diesem Falle wäre der Kläger wieder antragsberechtigt. Auch dies zeigt, daß allein durch das Verstreichenlassen der Antragsfrist keine Versorgung nach dem BVG eröffnet sein kann.

Nach alledem konnte die Revision keinen Erfolg haben.

Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 543074

br 1999, 184

SozSi 1999, 416

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