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BGH Urteil vom 20.06.2007 - VIII ZR 303/06

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Leitsatz (amtlich)

Einem Mieterhöhungsverlangen nach § 558 BGB steht nicht entgegen, dass die Ausgangsmiete unter der - seit Vertragsbeginn unveränderten - ortsüblichen Vergleichsmiete liegt (Fortführung von BGH, Urt. v. 6.7.2005 - VIII ZR 322/04, BGHReport 2005, 1302 = MDR 2005, 1397 = NJW 2005, 2521).

Normenkette

BGB § 558

Verfahrensgang

LG Halle (Saale) (Urteil vom 25.10.2006; Aktenzeichen 2 S 137/06)

AG Halle-Saalkreis (Entscheidung vom 28.04.2006; Aktenzeichen 92 C 840/06)

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des LG Halle vom 25.10.2006 wird zurückgewiesen.

Die Beklagten haben die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

[1] Die Beklagten mieteten von der Klägerin mit Vertrag vom 19.8.2004 eine 56,98 m2 große Wohnung in H. zu einem monatlichen Mietzins von 227,92 EUR (4 EUR je m2). Die ortsübliche Vergleichsmiete belief sich damals auf 4,60 EUR je m2.

[2] Mit Schreiben vom 26.9.2005 verlangte die Klägerin von den Beklagten unter Bezugnahme auf den örtlichen Mietspiegel Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete um 15 EUR monatlich ab 1.12.2005. Auch die erhöhte Miete lag mit 4,26 EUR je m2 noch unter der unveränderten ortsüblichen Vergleichsmiete von 4,60 EUR je m2. Die Beklagten stimmten der verlangten Mieterhöhung nicht zu.

[3] Das AG hat die Klage auf Zustimmung zur Erhöhung der Nettomiete auf 242,92 EUR ab 1.12.2005 abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das LG die Beklagten entsprechend dem Antrag der Klägerin verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihr Begehren auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

I.

[4] Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

[5] Der Klägerin stehe gegen die Beklagten ein Anspruch auf Zustimmung zur Mieterhöhung um 15 EUR auf 242,92 EUR monatlich ab dem 1.12.2005 zu. Die Klägerin habe in ihrem Mieterhöhungsverlangen vom 26.9.2005 die Jahresfrist des § 558 Abs. 1 Satz 2 BGB sowie die 15-monatige Frist für den Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Erhöhungsverlangens gem. § 558 Abs. 1 Satz 1 BGB beachtet, und die verlangte Miete liege sogar noch unter der ortsüblichen Vergleichsmiete. Dass sich die ortsübliche Miete seit Beginn des Mietverhältnisses nicht geändert und auch der ursprünglich vereinbarte Mietzins bereits unter der ortsüblichen Vergleichsmiete gelegen habe, sei unerheblich, weil sich eine derartige Einschränkung aus dem Wortlaut des § 558 BGB nicht ergebe und auch nicht im Wege der teleologischen Reduktion herleiten lasse. Der Zweck der Norm liege einerseits darin, dem Vermieter einen angemessenen marktorientierten Ertrag zu garantieren, andererseits aber den Mieter vor überhöhten Mietforderungen des Vermieters zu schützen. Den Interessen des Mieters werde jedoch durch die Kappungsgrenze des § 558 Abs. 3 BGB und die Wartefrist von insgesamt 15 Monaten seit der letzten Mieterhöhung hinreichend Rechnung getragen, zumal die nach einem Mieterhöhungsverlangen zu zahlende Miete jedenfalls nicht über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen könne.

[6] Der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck, die Wirtschaftlichkeit des Hausbesitzes zu erhalten, entfalle nicht deshalb, weil die Klägerin bewusst eine unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete liegende Miete vereinbart habe. Die Klägerin verhalte sich auch nicht treuwidrig, wenn sie nach Ablauf der einjährigen Wartefrist trotz unveränderter Marktverhältnisse eine Mieterhöhung verlange. Die Beklagten hätten den Vorteil einer besonders günstigen Miete immerhin 15 Monate nutzen können, und auch die nach Erhöhung zu zahlende Miete liege noch unter der ortsüblichen Vergleichsmiete.

II.

[7] Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist. Die Beklagten sind gem. § 558 BGB verpflichtet, der von der Klägerin verlangten Mieterhöhung für die von ihnen bewohnte Wohnung um 15 EUR auf 242,92 EUR monatlich zuzustimmen.

[8] 1. Zutreffend und von der Revision unbeanstandet ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 26.9.2005, in dem sie Zustimmung zu einer Mieterhöhung auf einen noch unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete liegenden Mietzins begehrt, die einjährige Sperrfrist des § 558 Abs. 1 Satz 2 BGB und die 15-monatige Wartefrist des § 558 Abs. 1 Satz 1 BGB eingehalten hat. Bedenken gegen die formelle Wirksamkeit des Mieterhöhungsverlangens (§ 558a BGB) werden von der Revision nicht erhoben und sind auch nicht ersichtlich.

[9] 2. Der von der Klägerin verlangten Mieterhöhung steht nicht entgegen, dass bereits der ursprünglich vereinbarte Mietzins unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete lag. Entgegen der Auffassung der Revision ist dem Berufungsgericht darin beizupflichten, dass sich eine derartige Einschränkung der dem Vermieter durch § 558 BGB eingeräumten Möglichkeit zur Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus dem Zweck der gesetzlichen Regelung ergibt.

[10] a) § 558 Abs. 1 BGB setzt nach seinem Wortlaut - abgesehen von der einjährigen Sperrfrist für das Mieterhöhungsverlangen und der Wartefrist von 15 Monaten bis zum Wirksamwerden einer Mieterhöhung - lediglich voraus, dass die vereinbarte Miete im Zeitpunkt des Erhöhungsverlangens unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt; zur Höhe der Ausgangsmiete verhält sich die Vorschrift nicht (Senat, Urt. v. 6.7.2005 - VIII ZR 322/04, BGH v. 6.7.2005 - VIII ZR 322/04, BGHReport 2005, 1302 = MDR 2005, 1397 = NJW 2005, 2621, unter II 2d). Es ist mithin nicht erforderlich, dass sich die ortsübliche Vergleichsmiete seit Vertragsschluss erhöht hat; ebenso wenig bietet der Wortlaut des § 558 BGB Anhaltspunkte für eine Begrenzung der Mieterhöhung auf den Betrag einer seit Vertragsschluss erfolgten Steigerung der ortsüblichen Vergleichsmiete.

[11] b) Die von der Revision befürwortete Einschränkung des Anspruchs des Vermieters auf Zustimmung zur Mieterhöhung lässt sich auch aus dem Gesetzeszweck nicht herleiten. Die gesetzliche Regelung der Mieterhöhung in §§ 558 ff. BGB soll, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, die Wirtschaftlichkeit des Hausbesitzes erhalten. Den Interessen des Mieters wird dabei durch die Grenze der ortsüblichen Vergleichsmiete, die Jahressperrfrist, die 15-monatige Wartezeit, die Kappungsgrenze des § 558 Abs. 3 BGB sowie durch das Sonderkündigungsrecht des § 561 BGB ausreichend Rechnung getragen.

[12] aa) Die gesetzlichen Bestimmungen zur Erhöhung der Miete für Wohnraum in §§ 558 ff. BGB sind erforderlich, weil der Mieter aus sozialen Gründen vor einer Kündigung weitgehend geschützt werden soll und dem Vermieter eine Kündigung zum Zweck der Mieterhöhung ausdrücklich verwehrt ist (§ 573 Abs. 1 Satz 2 BGB), er also nicht im Wege einer Änderungskündigung für die Zukunft eine höhere (marktgerechte) Miete erzielen kann. Diese dem Vermieter im Rahmen der Sozialpflichtigkeit des Eigentums auferlegten Beschränkungen verlangen vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich geschützten Eigentums einen Ausgleich, den der Gesetzgeber mit dem Anspruch des Vermieters auf Mietzinsanpassung im Rahmen des Vergleichsmietensystems gefunden hat; dadurch wird es dem Vermieter ermöglicht, eine am örtlichen Markt orientierte, die Wirtschaftlichkeit der Wohnung regelmäßig sicherstellende Miete zu erzielen (vgl. BVerfGE 37, 132, 140, 142; 53, 352, 357; 79, 80, 85; Staudinger/Emmerich BGB (2006), § 558 Rz. 3; Artz in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 557 Rz. 1 f., § 558 Rz. 3; Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 9. Aufl., § 558 Rz. 47).

[13] bb) Diese Zielrichtung des Gesetzes, dem Vermieter einen Ausgleich für die ihm auferlegten Einschränkungen zur Verfügung zu stellen, trifft auch auf den Vermieter zu, der bei Vertragsbeginn eine für den Mieter besonders günstige Miete vereinbart hat, denn auch dieser unterliegt den Kündigungsbeschränkungen des sozialen Mietrechts und kann eine Mieterhöhung nicht im Wege der Änderungskündigung durchsetzen. Auch nach dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung kommt es deshalb nicht darauf an, ob sich die ortsübliche Vergleichsmiete seit Vertragsschuss oder seit der letzten Mieterhöhung verändert hat oder ob die ursprünglich vereinbarte Miete unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete lag (LG Freiburg WuM 1981, 212; vgl. auch MünchKomm/Artz, a.a.O., § 558 Rz. 27); für eine teleologische Reduktion des § 558 BGB ist mithin kein Raum.

[14] c) Entgegen der Auffassung der Revision widerspricht diese Wertung auch nicht den Grundsätzen der Privatautonomie. Dem Mieter, dem es gelungen ist, einen wegen der niedrigen Miete für ihn besonders vorteilhaften Vertrag abzuschließen, bleibt die zunächst vereinbarte günstige Miete in jedem Fall für die Dauer von 15 Monaten erhalten; sofern die Kappungsgrenze (§ 558 Abs. 3 BGB) eingreift oder der Vermieter - wie hier - eine an sich mögliche Mieterhöhung nicht vollständig ausschöpft, liegt die von ihm zu entrichtende Miete sogar noch für einen weiteren Zeitraum unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete.

[15] Ein schützenswertes Vertrauen des Mieters, dass ihm der Vorteil einer unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete liegenden Miete darüber hinaus auf Dauer verbleibt, kann sich angesichts der Regelung des § 558 BGB grundsätzlich nicht bilden. Der Mieter muss im Gegenteil von vornherein damit rechnen, dass in dem (eingeschränkten) Rahmen des § 558 BGB eine stufenweise Anpassung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete erfolgt, sofern die Parteien nicht eine Erhöhung der Miete durch Vereinbarung ausgeschlossen haben oder sich der Ausschuss aus den Umständen ergibt (§ 557 Abs. 3 BGB). Derartige Umstände sind hier aber nicht ersichtlich und werden auch von der Revision nicht vorgebracht. Sie liegen insb. nicht schon darin, dass die ortsübliche Vergleichsmiete die vereinbarte Miete bereits bei Vertragsabschluss überschritt. Ein rechtsgeschäftlicher Wille der Parteien, die vereinbarte Miete als solche oder einen (prozentualen oder betragsmäßigen) Abstand der Miete von der jeweiligen ortsüblichen Vergleichsmiete auf Dauer festzulegen, ergibt sich daraus nicht. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin den Beklagten derart weitgehend entgegenkomme und auf die ihr durch die gesetzliche Regelung des § 558 BGB eingeräumte Möglichkeit der Mieterhöhung (teilweise) verzichten wollte. Entgegen der Auffassung der Revision verstößt das Mieterhöhungsverlangen der Klägerin aus diesem Grund auch nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB).

Fundstellen

  • Haufe-Index 1777629
  • NJW 2007, 2546
  • BGHR 2007, 852
  • EBE/BGH 2007, 251
  • JurBüro 2007, 555
  • NZM 2007, 639
  • ZAP 2007, 1018
  • ZMR 2007, 951
  • MDR 2007, 1302
  • MK 2007, 157
  • WuM 2007, 452
  • MietRB 2007, 256
  • NJW-Spezial 2007, 498
  • ZGS 2007, 285
  • BBB 2007, 55
  • GuG-aktuell 2007, 39
  • ImmWert 2007, 33

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