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BFH Urteil vom 07.08.1987 - VI R 60/84

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Leitsatz (amtlich)

Aufwendungen aus Anlaß einer Promotion können Werbungskosten sein, wenn das Promotionsstudium Gegenstand eines Dienstverhältnisses ist (Anschluß an BFH-Urteil vom 28.September 1984 VI R 127/80, BFHE 142, 255, BStBl II 1985, 87).

 

Orientierungssatz

1. Aufwendungen zur Erlangung eines Doktortitels zählen im Regelfall zu den der allgemeinen Lebensführung zuzurechnenden Berufsausbildungskosten (Festhalten an gefestigter BFH-Rechtsprechung).

2. Ist Gegenstand eines öffentlich- oder privatrechtlichen Dienstverhältnisses ein Ausbildungsverhältnis, so sind die hierfür gewährten Bezüge als Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit zu erfassen (vgl. BFH-Rechtsprechung). Aufwendungen, die im Hinblick auf das Ausbildungsziel getätigt werden, sind Werbungskosten.

 

Normenkette

EStG 1981 § 9 Abs. 1 S. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 7, § 12 Nr. 1, § 19 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist katholischer Geistlicher. Er wurde für die Zeit vom 1.September 1980 bis 31.August 1982 von seinem Arbeitgeber zum Zwecke eines Promotionsstudiums in der Theologie unter Fortzahlung seiner Bezüge beurlaubt. Im Streitjahr beliefen sich seine Einnahmen auf ... DM.

In der Einkommensteuer-Erklärung machte der Kläger mit der Promotion verbundene Aufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Diese erkannte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) nicht an. Statt dessen gewährte das FA gemäß § 10 Abs.1 Nr.7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) einen Freibetrag in Höhe von 1 200 DM als Sonderausgaben.

Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) unter Kürzung der Aufwendungen der Höhe nach im wesentlichen statt.

Das FG führte aus, zwar seien nach der --zutreffenden-- ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung sowohl Aufwendungen für ein Hochschulstudium als auch für eine Promotion regelmäßig nicht als Werbungskosten zu berücksichtigen. Anders verhalte es sich aber, wenn, wie im Streitfall, die Verpflichtung, zu studieren und zu promovieren, Gegenstand des ausgeübten Berufes sei. Wie sich aus der Bescheinigung seines Arbeitgebers ergebe, habe der Kläger nicht außerhalb eines bestehenden Dienstverhältnisses promoviert, etwa um einen neuen Arbeitsplatz zu erlangen, sondern er habe seine Dienstbezüge erhalten, um zu promovieren. Wäre er seiner diesbezüglichen Verpflichtung nicht nachgekommen, hätte er bei dauerhafter Pflichtverletzung seine Einnahmen verloren. Hinzu komme, daß beim Kläger als Geistlichem die Annahme, er strebe mit der Promotion einen Wechsel der Berufs- oder Erwerbsart an, praktisch ausscheide. Die Promotion könne dem Kläger allenfalls ein besseres Fortkommen im Beruf des Geistlichen ermöglichen.

Mit der zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Promotionskosten seien auch bei einem berufstätigen Arbeitnehmer keine Werbungskosten (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7.August 1967 VI R 63/67, BFHE 90, 34, BStBl III 1967, 779). Mit der Erlangung des Doktortitels sei eine Verbesserung des gesellschaftlichen Ansehens verbunden, weshalb diesbezügliche Aufwendungen zumindest teilweise privat veranlaßt seien. Da eine Aufteilung in einen beruflichen und einen privaten Anteil nicht möglich sei, seien die Aufwendungen insgesamt nicht als Werbungskosten abziehbar. Eine Anerkennung derartiger Aufwendungen im Streitfall würde auch zu einer nicht gerechtfertigten Besserstellung des Klägers gegenüber solchen Steuerpflichtigen führen, die ihr Hochschulstudium mit anschließender Promotion selbst finanzierten, denen der Arbeitgeber die Ablegung eine Promotion aus Gründen des beruflichen Fortkommens jedoch nahegelegt habe (vgl. BFH-Urteil vom 16.März 1967 IV R 266/66, BFHE 89, 511, BStBl III 1967, 723).

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

1. Werbungskosten i.S. des § 9 Abs.1 Satz 1 EStG sind alle Aufwendungen, die durch den Beruf veranlaßt sind. Eine berufliche Veranlassung ist bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anzunehmen, wenn objektiv ein Zusammenhang mit dem Beruf besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung des Berufs gemacht werden (BFH-Beschluß vom 28.November 1977 GrS 2-3/77, BFHE 124, 43, BStBl II 1978, 105, und Urteil vom 4.Juli 1986 VI R 227/83, BFHE 147, 161, BStBl II 1986, 771, m.w.N.). Ob ein Zusammenhang mit dem Beruf besteht, ist nach dem Beruf, d.h. der durch das Dienstverhältnis geschuldeten Leistung, zu bestimmen. Danach können Aufwendungen, die üblicherweise der privaten Lebensführung dienen, Werbungskosten sein, wenn sie durch ein entsprechendes Dienstverhältnis veranlaßt sind.

a) Die Rechtsprechung unterscheidet seit jeher zwischen den der allgemeinen Lebensführung zuzurechnenden Berufsausbildungskosten einerseits und den Berufsfortbildungskosten andererseits, die als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anerkannt werden (BFH-Urteil vom 28.September 1984 VI R 44/83, BFHE 142, 262, BStBl II 1985, 94). Zu den Berufsausbildungskosten zählen nach gefestigter Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 2.März 1978 IV R 45/73, BFHE 125, 45, BStBl II 1978, 431 unter 2., m.w.N.), an der der Senat festhält, im Regelfall auch Aufwendungen zur Erlangung eines Doktortitels. Sie teilen das rechtliche Schicksal der Aufwendungen für ein akademisches Studium. Die Doktorarbeit dokumentiert die durch das Studium erworbene Qualifikation des Akademikers, und der Doktortitel weist ihn als solchen nach außen aus (v. Bornhaupt in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 9 Rdnr.B 347).

b) Ist Gegenstand eines öffentlich- oder privatrechtlichen Dienstverhältnisses ein Ausbildungsverhältnis, so sind die hierfür gewährten Bezüge als Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit zu erfassen (BFH-Urteile vom 19.April 1985 VI R 131/81, BFHE 143, 572, BStBl II 1985, 465, und vom 18.Juli 1985 VI R 93/80, BFHE 144, 237, BStBl II 1985, 644). Aufwendungen, die im Hinblick auf das Ausbildungsziel getätigt werden, sind folgerichtig Werbungskosten.

Gleiches gilt, wenn im Rahmen eines Dienstverhältnisses Gegenstand der Ausbildung die Durchführung eines Fach- oder Hochschulstudiums ist. Die durch das Studium veranlaßten Ausgaben sind ihrem Wesen nach zwar Berufsausbildungskosten. Diese Beurteilung wird jedoch durch den Umstand überlagert, daß die Aufwendungen durch die Einkunftserzielung des Steuerpflichtigen als Arbeitnehmer veranlaßt und deshalb nach § 9 Abs.1 EStG als Werbungskosten zum Abzug zuzulassen sind (BFH-Urteile vom 28.September 1984 VI R 127/80, BFHE 142, 255, BStBl II 1985, 87, und VI R 144/83, BFHE 142, 258, BStBl II 1985, 89).

Dieser Gesichtspunkt greift in gleicher Weise ein, wenn sich die Dienstverpflichtung auf die Erlangung der Doktorwürde bezieht. Hier wie dort werden Aufwendungen, die üblicherweise zu den Kosten der privaten Lebensführung zählen, aufgrund eines Dienstverhältnisses zur Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen erbracht. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob die Verpflichtung zu einem Promotionsstudium gleichzeitig mit, im Anschluß an oder zeitlich nach einem Hochschulstudium eingegangen wird.

c) Die hiergegen vorgebrachten Einwände greifen nicht durch. Eine vermeintliche Ungleichbehandlung mit Steuerpflichtigen, die Hochschulstudium wie Promotion selbst finanzieren und diese Kosten nicht als Werbungskosten absetzen können, besteht deshalb nicht, weil diese Steuerpflichtigen anders als im vorliegenden Streitfall für das Erbringen der betreffenden wissenschaftlichen Leistungen auch keine zu versteuernden Einnahmen erzielen.

2. Nach den Feststellungen und Würdigungen des FG, die im übrigen von der Revision nicht angegriffen werden, war der Kläger im Streitjahr zur Durchführung eines Promotionsstudiums nach seinem Dienstvertrag verpflichtet und wurde hierfür bezahlt. Da auch nicht streitig ist, daß die einzelnen, vom FG als Werbungskosten anerkannten Aufwendungen durch diese Dienstpflichten veranlaßt waren, war die Revision zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61864

BStBl II 1987, 780

BFHE 150, 435

BFHE 1987, 435

BB 1987, 2354

BB 1987, 2354-2354 (ST)

DB 1987, 2129-2129 (ST)

HFR 1987, 567-568 (ST)

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