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BFH Urteil vom 06.11.1992 - VI R 12/90

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Werbungskostenabzug für die Aufwendungen eines Betriebsprüfers zur Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung

 

Leitsatz (amtlich)

Aufwendungen eines Finanzbeamten zur Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung sind als Fortbildungskosten abziehbare Werbungskosten.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 7, § 12 Nr. 1 S. 2

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war Betriebsprüfer bei einem Finanzamt. Im Streitjahr 1986 besuchte er einen Lehrgang, der auf die Steuerberaterprüfung vorbereitete. Die ihm dabei entstandenen Aufwendungen machte er als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) lehnte die Berücksichtigung ab.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung von § 9 Abs.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Es macht geltend, der Kläger habe einen Wechsel in den Bereich der steuerberatenden Berufe und damit in eine andere Berufsgruppe vollzogen; es lägen daher Kosten der Ausbildung vor. Ein Abzug der Aufwendungen als vorweggenommener Aufwand für spätere Einnahmen aus steuerberatender Tätigkeit scheitere an der noch unbestimmten Art der späteren Einkünfte.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet.

Die Aufwendungen des Klägers sind als Werbungskosten abziehbare Kosten der Fortbildung.

1. Nach § 9 Abs.1 Satz 1 EStG sind Werbungskosten bei der Einkunftsart "nichtselbständige Arbeit" alle Aufwendungen, die durch den Beruf veranlaßt sind. Ihre berufliche Veranlassung ist anzunehmen, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und sie subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden. Diese Voraussetzungen liegen bei Fort- oder Weiterbildungskosten vor. Sie dienen dazu, in einem ausgeübten Beruf auf dem laufenden zu bleiben und den jeweiligen Anforderungen gerecht zu werden. Dazu gehören auch solche Aufwendungen, die ein Steuerpflichtiger macht, um sich in dem von ihm ausgeübten Beruf fortzubilden, um so --ohne Wechsel der Berufs- oder Erwerbsart-- besser voranzukommen (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7.November 1980 VI R 50/79, BFHE 132, 49, BStBl II 1981, 216, und vom 26.April 1989 VI R 95/85, BFHE 156, 494, BStBl II 1989, 616).

Dagegen dienen Ausbildungskosten dem Ziel, die Kenntnisse zu erwerben, die für einen künftigen Beruf notwendig sind und die gegebenenfalls die Grundlage dafür bilden können, um von einer Berufs- oder Erwerbsart zu einer anderen überzuwechseln. Für diese Aufwendungen ist kennzeichnend, daß sie noch nicht mit einer konkreten beruflichen Tätigkeit und mit hieraus fließenden Einnahmen im Zusammenhang stehen (BFH-Urteile vom 9.März 1979 VI R 141/77, BFHE 127, 210, BStBl II 1979, 337, und in BFHE 156, 494, BStBl II 1989, 616). Aufwendungen dieser Art erwachsen grundsätzlich jedem Steuerpflichtigen; sie gehören daher zu den Kosten der Lebensführung und sind nach § 12 Nr.1 Satz 2 EStG nicht als Werbungskosten abziehbar (BFH-Urteil vom 13.März 1981 VI R 26/79, BFHE 132, 570, BStBl II 1981, 439). Sie können lediglich nach § 10 Abs.1 Nr.7 EStG als Sonderausgaben im Rahmen der vorgegebenen Höchstbeträge abgezogen werden.

2. Die Vorentscheidung folgt diesen Grundsätzen.

Das FG hat zu Recht nicht darauf abgestellt, zu welchem Zeitpunkt der Kläger den Entschluß gefaßt hat, die Steuerverwaltung zu verlassen. Denn auch wenn er bereits zu Beginn des Lehrgangs zur Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung die Absicht hatte, die Tätigkeit eines Steuerberaters aufzunehmen, hat er damit keinen grundlegenden Wechsel der Berufs- oder Erwerbsart angestrebt, der den Lehrgang als Ausbildung erscheinen lassen könnte. Der Begriff der Fortbildung ist im Interesse der Förderung beruflichen Strebens nicht zu eng auszulegen. Das gilt auch für den Begriff des Berufswechsels in einen steuerberatenden Beruf (BFH-Urteile vom 9.April 1965 VI 94/64, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1965, 507; vom 19.Januar 1990 VI R 119/86, BFHE 160, 150, BStBl II 1990, 572, und vom 27.April 1990 VI R 157/88, BFH/NV 1990, 704). Wie das FG zu Recht ausführt, kommt es bei der Abgrenzung der Kosten der Fortbildung von denen der Ausbildung entscheidend auf den inhaltlich-materiellen Bezug der angestrebten zur ausgeübten Tätigkeit, nicht dagegen auf den äußeren Rahmen ihrer Ausübung an. Die Tätigkeit eines Steuerberaters unterscheidet sich von der eines Betriebsprüfers im fachlichen Gehalt nicht wesentlich. Beide Tätigkeiten dienen der praktischen Anwendung des Steuerrechts. Bei dieser Wertung kann nicht entscheidend sein, daß beide Funktionen im natürlichen Spannungsverhältnis verschiedener Interessen ausgeübt werden und auch die dienstrechtlichen oder arbeitsvertraglichen Bedingungen unterschiedlich sind. Dem steht nicht entgegen, daß der Kläger als Steuerberater die Möglichkeit hat, neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit solche aus selbständiger Tätigkeit zu erzielen. Für einen Berufswechsel spricht auch nicht, daß der Kläger sich zum Erwerb der Steuerberaterqualifikation einer zusätzlichen Prüfung unterziehen mußte. Die Prüfung dient der Sicherung eines qualifizierten Kenntnisstandes gleichermaßen aller Bewerber. Sie ist der Laufbahnprüfung für den gehobenen Dienst in der Steuerverwaltung zumindest ähnlich. Unter der Voraussetzung der Ableistung einer hinreichenden Zahl von Dienstjahren hätte der Kläger die Zulassung als Steuerberater überdies auch prüfungslos erreichen können.

Der Streitfall ist dem des beabsichtigten Übergangs eines Steuerassistenten zum Steuerbevollmächtigten vergleichbar, in dem der Senat Kosten der Fortbildung bejaht hat (BFH-Urteil vom 5.Oktober 1966 VI R 75/66, BFHE 87, 521, BStBl III 1967, 230).

 

Fundstellen

Haufe-Index 64252

BFH/NV 1993, 10

BStBl II 1993, 108

BFHE 169, 436

BFHE 1993, 436

BB 1993, 131 (L)

DB 1993, 463 (L)

DStR 1993, 435 (KT)

DStZ 1993, 285 (K)

HFR 1993, 109 (LT)

StE 1993, 2 (K)

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