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BAG Beschluss vom 22.07.2014 - 1 ABR 9/13

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestimmtheit eines Unterlassungsantrags. Feststellungsinteresse

 

Leitsatz (redaktionell)

Nimmt ein Unterlassungsantrag des Betriebsrats, ohne vorherige Unterrichtung Wechselschichtdienste einzurichten, Bezug auf einen Tarifvertrag, der keinen Zeitraum für die Durchschnittsberechnung benennt, ist der Antrag nicht hinreichend bestimmt.

 

Normenkette

ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 256 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Beschluss vom 02.11.2012; Aktenzeichen 10 TaBV 47/12)

ArbG Köln (Beschluss vom 16.05.2012; Aktenzeichen 3 BV 167/11)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Köln vom 2. November 2012 – 10 TaBV 47/12 – wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

A. Die Beteiligten streiten über Mitbestimmungsrechte bei der Arbeitszeit.

Die Arbeitgeberin betreibt den Flughafen Köln/Bonn. Antragsteller ist der für die Mitarbeiter des Bodenverkehrsdienstes errichtete Betriebsrat.

Die Arbeitgeberin wendet auf die Arbeitsverhältnisse der vom Betriebsrat vertretenen Arbeitnehmer den TVöD für den Dienstleistungsbereich Flughäfen im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TvöD-F) vom 7. Februar 2006 in seiner jeweiligen Fassung an.

Der Arbeitseinsatz der im Schichtdienst beschäftigten Arbeitnehmer erfolgte bis zum 31. Dezember 2012 auf der Grundlage der „Betriebsvereinbarung 02/2007 Arbeitszeitgestaltung im Bodenverkehrsdienst” (BV 2007), die Früh-, Tages-, Spät- und Nachtdienst vorsieht. Nach deren § 1 gilt diese für die Bereiche Flugzeugabfertigung, Passenger Services, Operations und Personalschulung. Innerhalb jedes Dienstes variiert der Schichtbeginn im Viertelstundentakt, insgesamt gibt es 96 reguläre Schichten. Nach § 3 BV 2007 wird in einem Dienstplankonzept für den einzelnen Mitarbeiter festgelegt, wie sich seine Arbeitszeit innerhalb der durch die BV 2007 ausgestalteten Dienstplanperiode gestaltet. In einem § 3 BV 2007 angefügten Klammerzusatz werden die Arbeitszeiten ua. als Schicht- und Wechselschichtdienst, Nur-Nachtdienst, Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienste bezeichnet. Die Zuordnung der Arbeitszeit auf die einzelnen Mitarbeiter unterliegt nach Nr. 11 der Ergänzung zur BV 2007 der Zustimmung des Betriebsrats.

Im Februar 2011 übersandte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat Mitarbeitereinsatzmeldungen, wonach die Arbeitnehmer A, C, D, N, R, T und W ab dem 1. April 2011 aus dem Wechselschichtdienst in den Schichtdienst wechseln sollten. Hierzu erteilte der Betriebsrat seine Zustimmung. Im Zeitraum vom 9. bis 15. Mai 2011 wurden diese Arbeitnehmer dienstplanmäßig sowohl in um 02:30 Uhr beginnenden Schichten als auch in um 04:00 Uhr beginnenden Schichten eingesetzt.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die sieben Arbeitnehmer würden entgegen den Mitarbeitereinsatzmeldungen vom Februar 2011 nicht im Schichtdienst, sondern in Wechselschicht iSd. § 7 Abs. 1 TvöD-F arbeiten. Sie würden mehr als einmal im Monat in der Zeit von 21:00 Uhr bis 06:00 Uhr für mindestens zwei Stunden zur Arbeitsleistung in der Nachtzeit herangezogen. Durch einen solchen Einsatz verstoße die Arbeitgeberin gegen die BV 2007.

Der Betriebsrat hat zuletzt beantragt,

  1. die Arbeitgeberin zu verurteilen, es zu unterlassen, ohne vorherige Unterrichtung des Betriebsrats hierüber Wechselschichtdienste einzurichten;

    hilfsweise

    festzustellen, dass ein Einsatz von Beschäftigten in den Bereichen

    „Flugzeugabfertigung”,

    „Passenger Services”,

    „Operations” und

    „Personalschulung”

    zu Wechselschicht nach den Vorschriften des TvöD-F führt, wenn diese einen zweistündigen Einsatz in der Zeit von 21:00 Uhr bis 06:00 Uhr enthalten und vor Ablauf eines Monats wieder zu einem solchen mindestens zweistündigen Einsatz herangezogen werden;

  2. der Arbeitgeberin für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld iHv. bis zu 10.000,00 Euro anzudrohen.

Die Arbeitgeberin hat die Abweisung der Anträge beantragt.

Das Arbeitsgericht hat die Anträge abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat die zuletzt gestellten Anträge weiter.

 

Entscheidungsgründe

B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Der zu 1. erhobene Unterlassungsantrag ist ebenso wie der hilfsweise angebrachte Feststellungsantrag unzulässig. Der Antrag zu 2. fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.

I. Der auf Unterlassung gerichtete Hauptantrag ist unzulässig, da er nicht hinreichend bestimmt ist iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

1. Nach dem auch im Beschlussverfahren anzuwendenden § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss eine Klageschrift ua. einen „bestimmten Antrag” enthalten. Ein Antrag im Beschlussverfahren unterliegt insoweit denselben Anforderungen wie im Urteilsverfahren. Dementsprechend muss der Verfahrensgegenstand so genau bezeichnet werden, dass die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Beteiligten entschieden werden kann. Unterlassungsanträge müssen aus rechtsstaatlichen Gründen für den in Anspruch genommenen Beteiligten eindeutig erkennen lassen, welcher Handlungen er sich enthalten soll und in welchen Fällen gegen ihn als Sanktion ein Ordnungsgeld verhängt werden kann. Nur wenn die danach gebotenen Verhaltensweisen hinreichend erkennbar sind, kann eine der materiellen Rechtskraft zugängliche Sachentscheidung ergehen. Eine Entscheidung, die eine Handlungs- oder Unterlassungspflicht ausspricht, muss grundsätzlich zur Zwangsvollstreckung geeignet sein. Die Prüfung, welche Verhaltensweisen der Schuldner unterlassen soll, darf nicht durch eine ungenaue Antragsformulierung und einen dementsprechenden gerichtlichen Titel aus dem Erkenntnis- in das Zwangsvollstreckungsverfahren verlagert werden. Genügt ein Antrag – ggf. nach einer vom Gericht vorzunehmenden Auslegung – diesen Anforderungen nicht, ist er als unzulässig abzuweisen (BAG 14. September 2010 – 1 ABR 32/09 – Rn. 14).

2. Danach steht der Gegenstand des mit dem Hauptantrag verfolgten Unterlassungsbegehrens nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit fest.

a) Nach dem Antragswortlaut soll es die Arbeitgeberin unterlassen, ohne vorherige Unterrichtung des Betriebsrats Wechselschichtdienste einzurichten. Der Betriebsrat stützt sein Begehren insoweit auf einen sich nach seiner Ansicht aus der BV 2007 ergebenden Durchführungsanspruch. Die Arbeitnehmer könnten erst nach seiner vorherigen Zustimmung in den dort ausgebrachten Schichtmodellen eingesetzt werden. Für seinen Antrag hat er als Anlassfall den Zeitraum vom 9. bis 15. Mai 2011 angeführt, in dem die Arbeitgeberin die Arbeitnehmer A, C, D, N, R, T und W nach seiner Auffassung in Wechselschichtarbeit eingesetzt hat.

b) Das mit dem Hauptantrag angestrebte Verbot, Wechselschichtdienste einzurichten, enthält keine hinreichende Bezeichnung der betrieblichen Maßnahme, der sich die Arbeitgeberin ohne vorherige Beteiligung des Betriebsrats zukünftig enthalten soll.

aa) Der Betriebsrat hat auf Nachfrage des Senats in der Anhörung angegeben, mit dem im Unterlassungsantrag verwandten Begriff „Wechselschichtdienste” seien Dienste bezeichnet, deren Lage die tariflichen Voraussetzungen erfüllen. Dabei ist auch nach dem Verständnis des Betriebsrats auf § 7 Abs. 1 TvöD-F und die dortige Definition der Wechselschichtarbeit abzustellen (vgl. BAG 16. Oktober 2013 – 10 AZR 1053/12 – Rn. 42). Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 TvöD-F ist Wechselschichtarbeit im Geltungsbereich des TvöD-F die Arbeit nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten vorsieht, bei denen Beschäftigte durchschnittlich längstens nach Ablauf eines Monats erneut zur Nachtschicht herangezogen werden. Wechselschichten sind wechselnde Arbeitsschichten, in denen ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet wird (§ 7 Abs. 1 Satz 2 TVöD-F). Danach muss der Beschäftigte durchschnittlich längstens nach Ablauf eines Monats erneut zur Nachtschicht herangezogen werden. Allerdings benennt der Tarifvertrag weder in § 7 Abs. 1 TvöD-F noch an anderer Stelle einen Zeitraum, für den die Durchschnittsberechnung anzustellen ist (BAG 16. Oktober 2013 – 10 AZR 1053/12 – Rn. 51). Auch die BV 2007 enthält eine solche Festlegung nicht. Der Betriebsrat hat auch weder in den Vorinstanzen noch in der Anhörung vor dem Senat angegeben, wie lang der repräsentative Zeitraum für die Heranziehung zu Nachtschichten bemessen sein soll. Eines solchen Vortrags hätte es angesichts der fehlenden normativen Vorgaben für die Bestimmbarkeit der mit dem Hauptantrag verfolgten Unterlassungsverpflichtung jedoch bedurft.

bb) Der nach § 7 Abs. 1 Satz 1 TvöD-F und damit für die Bestimmbarkeit des Unterlassungsantrags erforderliche Referenzzeitraum kann vom Senat auch nicht auf der Grundlage des zu den angeführten Anlassfällen gehaltenen Vortrags ermittelt werden. Zwar kann die betriebliche Schichtplanung insoweit einen geeigneten Anknüpfungspunkt für die Bildung eines solchen Zeitraums bilden, wenn sie für einen längeren Zeitraum erfolgt (BAG 16. Oktober 2013 – 10 AZR 1053/12 – Rn. 52). Der Betriebsrat hat sich aber auf die Darlegung beschränkt, dass die Arbeitnehmer A, C, D, N, R, T und W mehr als einmal im Dienstplan des Monats Mai 2011 im Umfang von zumindest zwei Stunden zu Diensten in der tariflichen Nachtarbeitszeit herangezogen worden sind. Über die Schichteinteilung der vorgenannten Arbeitnehmer in anderen Zeiträumen fehlt es jedoch an Ausführungen des Betriebsrats.

II. Auch der Hilfsantrag ist unzulässig. Er ist nicht auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses iSd. § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet.

1. Nach dieser auch im Beschlussverfahren anwendbaren Vorschrift kann die gerichtliche Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses beantragt werden, wenn der Antragsteller ein rechtliches Interesse an der entsprechenden richterlichen Entscheidung hat. Ein Rechtsverhältnis ist jede durch die Herrschaft einer Rechtsnorm über einen konkreten Sachverhalt entstandene rechtliche Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache. Der Antrag nach § 256 Abs. 1 ZPO muss sich dabei nicht notwendig auf das Rechtsverhältnis als Ganzes erstrecken. Er kann sich auch auf daraus folgende einzelne Beziehungen, Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Rechtspflicht beschränken. Bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses können jedoch ebenso wie abstrakte Rechtsfragen nicht Gegenstand eines Feststellungsantrags sein. Das liefe auf die Erstellung eines Rechtsgutachtens hinaus, was den Gerichten verwehrt ist (BAG 17. September 2013 – 1 ABR 24/12 – Rn. 16).

2. Nach diesen Grundsätzen ist der Hilfsantrag nicht auf die Feststellung einer betriebsverfassungsrechtlichen Beziehung zwischen den Beteiligten gerichtet. Dem Betriebsrat geht es mit dem Hilfsantrag nicht um die Klärung der sich aus der BV 2007 oder dem Betriebsverfassungsgesetz ergebenden Pflichten der Arbeitgeberin, sondern um die Erstattung eines Gutachtens, ob ein zumindest zweistündiger Einsatz von Beschäftigten zu bestimmten Zeiten die tariflichen Voraussetzungen von Wechselschichtarbeit erfüllt.

III. Der nur für den Fall des Obsiegens mit dem Hauptantrag erhobene Antrag zu 2. fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.

 

Unterschriften

Schmidt, K. Schmidt, Koch, Hromadtka, Olaf Kunz

 

Fundstellen

Haufe-Index 7538237

AP 2015

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