[Anrede]

Liebe Mandantin, lieber Mandant,

[Einführung – Standard]

auch im vergangenen Monat hat sich rund um Steuern, Recht und Betriebswirtschaft einiges getan. Über die aus unserer Sicht wichtigsten Neuregelungen und Entscheidungen halten wir Sie mit Ihren Mandanteninformationen gerne auf dem Laufenden. Zögern Sie nicht, uns auf einzelne Punkte anzusprechen, wir beraten Sie gerne.

Mit freundlichen Grüßen

  1. Warum Leiharbeitnehmer keinen Anspruch auf "Equal Pay" haben

    Tarifverträge können wirksam eine Abweichung vom Grundsatz des "Equal Pay" zu Ungunsten der Leiharbeitnehmer vorsehen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Abweichung die "Achtung des Gesamtschutzes der Leiharbeitnehmer" berücksichtigt.

    Hintergrund

    Die Klägerin des Verfahrens war bei der beklagten Leiharbeitsfirma als Leiharbeitnehmerin nach § 14 Abs. 2 TzBfG befristet in Teilzeit beschäftigt. Im streitgegenständlichen Zeitraum von Januar bis April 2017 wurde sie als Kommissioniererin an ein Einzelhandelsunternehmen überlassen. Nach ihrem Vortrag erhielten vergleichbare Stammarbeitnehmer des Einzelhandelsunternehmens einen um mehr als 4 EUR höheren Stundenlohn.

    Das beklagte Leiharbeitsunternehmen begründete den niedrigeren Stundenlohn der Klägerin von zuletzt 9,23 EUR brutto pro Stunde mit dem zwischen der Gewerkschaft ver.di und dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen iGZ geschlossenen Tarifvertrag, der eine solche Abweichung befristet zulasse.

    Die Klägerin machte geltend, dass die entsprechende tarifvertragliche Regelung unwirksam sei, da sie gegen den Gleichstellungsgrundsatz des § 8 Abs. 1 AÜG verstoße. Sie sei auch nicht mit dem in Art. 5 Abs. 3 der EU-Leiharbeitsrichtlinie verankerten Grundsatz der Beachtung des Gesamtschutzes der Leiharbeitnehmer vereinbar.

    Entscheidung

    Dies sahen sowohl das BAG als auch die Vorinstanzen anders. Allerdings hatte das BAG vor seiner Entscheidung dem EuGH die Frage vorgelegt, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen eine rechtliche Schlechterstellung von Leiharbeitnehmern mit Art. 5 Abs. 3 der Leiharbeitsrichtlinie 2008/104/EG vereinbar ist. Nach Art. 5 Abs. 3 der Leiharbeitsrichtlinie 2008/104/EG ist bei Abweichungen vom Gleichbehandlungsgrundsatz in Tarifverträgen "die Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern" in Bezug auf die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen zu gewährleisten.

    Der EuGH hatte die Frage dahingehend beantwortet, dass die Achtung des Gesamtschutzes der Leiharbeitnehmer im Sinne der EU-Richtlinie gewährleistet ist, wenn deren Ungleichbehandlung durch Ausgleichsvorteile auf der anderen Seite neutralisiert wird. Ein solcher Ausgleichsvorteil kann nach der Entscheidung des EuGH bei Leiharbeitsverhältnissen u. a. die Gewährung eines Anspruchs auf Entgeltfortzahlung in verleihfreien Zeiten sein.

    Die vom EuGH aufgestellten Voraussetzungen für eine Ungleichbehandlung sah das BAG im vorliegenden Fall als erfüllt an. Nach der Entscheidung des EuGH sei insbesondere die Regelung des § 8 AÜG nicht zu beanstanden. Nach dem in § 8 Abs. 1 AÜG normierten Gleichstellungsgrundsatz ist der Verleiher grundsätzlich verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an den Entleiher die im Wesentlichen gleichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren, die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers gelten. § 8 Abs. 2 AÜG lässt Abweichungen durch Tarifvertrag zu, wenn die Mindestlohnbestimmungen eingehalten werden.

    Das BAG stellte klar, dass das deutsche Recht grundsätzlich verleihfreie Zeiten insbesondere für Leiharbeitnehmer, die nicht ausschließlich für einen bestimmten Einsatz eingestellt werden, vorsieht. Der von iGZ und ver.di ausgehandelte Tarifvertrag garantiere für diese verleihfreien Zeiten die Fortzahlung des Arbeitsentgelts und gewähre den Leiharbeitnehmern damit den vom EuGH geforderten Ausgleichsvorteil.

    Darüber hinaus sah das BAG den Grundsatz der Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern durch diverse gesetzliche Regelungen in Deutschland gewährleistet:

    § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG stelle sicher, dass das Wirtschafts- und Betriebsrisiko für verleihfreie Zeiten uneingeschränkt beim Verleiher liegt.

    Der Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung nach § 615 Satz 1 BGB sei im Leiharbeitsverhältnis - anders als sonst – gem. § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG nicht abdingbar.

    In Deutschland dürften die tarifliche Vergütung von Leiharbeitnehmern die staatlich festgesetzten Lohnuntergrenzen bzw. den gesetzlichen Mindestlohn nicht unterschreiten.

    Darüber hinaus sei eine Abweichung vom Gleichstellungsgrundsatz gem. § 8 Abs. 4 Satz 1 AÜG nur während der ersten 9 Monate eines Leiharbeitsverhältnisses erlaubt.

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