Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Kindergeldanspruch für die Zeit zwischen Schulausbildung und freiwilligem sozialen Jahr

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Für ein volljähriges Kind wird für die Übergangszeit von fünf Monaten zwischen der Beendigung der Schulausbildung und dem Antritt eines Freiwilligendienstes im Rahmen des Europäischen Sozialkorps (freiwilliges soziales Jahr) auch dann kein Kindergeld gewährt, wenn das Kind nach Beendigung des Freiwilligendienstes ein duales Bachelorstudium im Fach Marketingmanagement aufnimmt und das Kind pandemiebedingt zunächst kein Projekt für ein freiwilliges soziales Jahr finden konnte.

2. Die Ableistung eines freiwilligen sozialen Jahres stellt grundsätzlich keine Berufsausbildung dar.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c, § 62 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. b

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin Anspruch auf Kindergeld für ihre Tochter T., geb. am 14.10.2001, für den Zeitraum von August bis Oktober 2020 (Streitzeitraum) hat.

T. beendete ihre Schulausbildung im Juli 2020. In der Zeit von April bis Oktober 2020 war sie auf Projektsuche für ein freiwilliges soziales Jahr. Seit dem 20.11.2020 war T. bei der Agentur für Arbeit als ausbildungsplatzsuchend geführt. Ab Januar 2021 absolvierte T. einen Freiwilligendienst im Rahmen des Europäischen Solidaritätskorps. Zum 01.10.2021 nahm sie ein duales Studium zum Bachelor, Fachrichtung Marketingmanagement, auf.

Mit Bescheid vom 28.08.2020 lehnte die Beklagte die Kindergeldfestsetzung ab August 2020 ab. Die besonderen Anspruchsvoraussetzungen für volljährige Kinder lägen nicht vor. T. leiste keinen berücksichtigungsfähigen Freiwilligendienst ab.

Dem hiergegen gerichteten Einspruch half die Beklagte unter dem 16.02.2021 dergestalt ab, dass sie für T. ab dem Monat November 2020 Kindergeld festsetzte.

Im Übrigen wies die Beklagte den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 17.02.2021 als unbegründet zurück. T. habe ihre schulische Ausbildung im Juli 2020 beendet und erst im Januar 2021 die kindergeldrechtlich berücksichtigungsfähige Freiwilligenaktivität im Rahmen des Europäischen Solidaritätskorps aufgenommen. Zwischen den Ausbildungsabschnitten lägen demzufolge fünf Monte, sodass eine kindergeldrechtliche Berücksichtigung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 b) des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht möglich sei. Das Bewerbungsverfahren für die Aufnahme der Freiwilligenaktivität führe nicht zu einer Berücksichtigungsfähigkeit des Kindes. Andere Bewerbungsbemühungen, die eine Berücksichtigungsfähigkeit begründeten, lägen nicht vor. Pandemiebedingte Sonder- bzw. Ausnahmeregeln sehe das EStG nicht vor.

Die Klägerin hat daraufhin Klage erhoben.

Die Aufnahme des freiwilligen Dienstes sei ausschließlich pandemiebedingt nicht möglich gewesen. T. habe sich bereits im April 2020 für ein Projekt beworben. Von Mai bis einschließlich Oktober 2020 habe sie sich auf Projektsuche befunden, was pandemiebedingt mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden gewesen sei. Im Oktober 2020 habe sie eine Zusage von einer Projektstelle in Irland erhalten.

Zwar lehne der Bundesfinanzhof (BFH) eine analoge Anwendung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 b) EStG ab. Im Hinblick auf die COVID 19-Pandemie sei aber eine für die analoge Anwendung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 b) EStG erforderliche „planwidrige” Regelungslücke entstanden. Bei Abfassung des Gesetzes sei der Gesetzgeber von normalen Umständen ausgegangen, nämlich davon, dass es jedem Bewerber möglich sei, innerhalb von vier Monaten ein Projekt für ein freiwilliges soziales Jahr zu finden. Dies sei aber in Pandemiezeiten nicht der Fall. Die erheblichen Einschränkungen im Zusammenhang mit Praktika und freiwilligen sozialen Diensten aufgrund der Coronapandemie habe der Gesetzgeber nicht berücksichtigen können. Insoweit müsse zwingend eine Anpassung erfolgen.

Es könne nicht richtig sein, dass nach dem Willen der Bundesregierung einerseits ein Kinderbonus für das Jahr 2020 und für das Jahr 2021 ausgezahlt werde, um die Belastungen der Coronapandemie abzufedern und Familien finanziellen Handlungsspielraum zu geben, andererseits dann aber eine weiterhin enge Auslegung der Vorschrift des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 b) EStG erfolge und eine analoge Anwendung nicht zugelassen werde.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

unter Änderung des Bescheides vom 16.02.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.02.2021 die Beklagte zu verpflichten, für das Kind T. Kindergeld für die Monate August, September und Oktober 2020 festzusetzen;

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf die Verwaltungsakte und die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung. Darüber hinaus vertritt sie die Ansicht, dass Bewerbungen für den Freiwilligendienst nicht vom Gesetzgeber erfasst würden. Lediglich Eigenbemühungen für einen Ausbildungsplatz seien gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 c) EStG zu berücksichtigen.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 22....

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