Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer/Einkommensteuer: Ermittlung des Teilwertes einer verdeckten Einlage in Form eines Forderungsverzichts
Leitsatz (amtlich)
1. Der durch den Forderungsverzicht eines Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft bei dieser entstehende Gewinn ist in Höhe des Teilwertes der Forderung zu neutralisieren, wenn der Verzicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst war.
2. Zur Ermittlung des Teilwerts einer gegen eine Kapitalgesellschaft gerichteten Forderung der Muttergesellschaft ist zunächst vom Vermögensstatus der Tochtergesellschaft laut Handelsbilanz auszugehen. Ist die Gesellschaft bilanziell überschuldet, ist zu prüfen, ob eine wirtschaftliche Überschuldung vorliegt oder ob die bilanzielle Überschuldung durch stille Reserven ausgeglichen wird.
3. Der Teilwert einer Forderung kann sich auch aus der zu erwartenden künftigen Entwicklung der Zahlungsfähigkeit etwa aufgrund einer positiven Gewinn- und Liquiditätsprognose ergeben. Ist der Marktzins höher als der vereinbarte Zinssatz, ist der Nennwert der Forderung in Höhe der Zinssatzdifferenz für die Zeit zwischen Verzicht und voraussichtlicher Tilgung abzuzinsen.
4. Schließlich ist bei der Ermittlung des Teilwerts einer Gesellschafterforderung die funktionale Bedeutung der schuldenden Tochterkapitalgesellschaft für den Gesamtkonzern zu berücksichtigen.
Normenkette
KStG § 8 Abs. 3 Sätze 3-4; EStG § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3, Nr. 5 S. 1 Hs. 1
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob und ggf. in welcher Höhe eine Darlehensforderung, auf die die Muttergesellschaft der Klägerin ihr gegenüber verzichtet hat, werthaltig war.
Geschäftsgegenstand der im Jahr 1983 gegründeten Klägerin war v. a. die Konzeption, die Kreation, die Produktion und der Vertrieb von visuellen und auditiven Kommunikationsprogrammen sowie medienintegrierender, computergestützter Anwendung und Systeme für off- und onlinebasierende Datenverarbeitung. Alleinige Gesellschafterin der Klägerin war die A AG (ursprünglich firmierend unter B Aktiengesellschaft), die inzwischen formwechselnd umgewandelt wurde in die C Holding ... (im Folgenden: C). Deren Geschäftsgegenstand war u. a. die Entwicklung, die Erstellung und der Vertrieb von Produkten und Dienstleistungen jeder Art auf dem Gebiet der elektronischen Medien und der kommerziellen Kommunikation. Die wesentliche Aufgabe der Klägerin innerhalb der C-Gruppe war die Entwicklung und der Betrieb einer Software-Plattform auf dem Online-Glücksspielmarkt. Im Mittelpunkt ihrer Geschäftstätigkeit stand die Bereitstellung der Technologie, um Wetten, Lotto und andere Glücksspiele vom Endkonsumenten zu verarbeiten und online an die staatlichen Lizenzinhaber zu übermitteln. Wegen der Struktur des C-Konzerns wird auf das Organigramm vom ... 2009 (Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 03.06.2013, Finanzgerichtsakten -FGA- Anlagenband) Bezug genommen.
Die Klägerin erwarb im Jahr 2002 eine Masterlizenz für eine Spielplattform zum Preis von ... €, die sie in der Folgezeit wartete, weiter entwickelte und u. a. den Schwestergesellschaften zur Verfügung stellte. Die Plattform ermöglichte Glücksspielbetreibern wie etwa Lotteriegesellschaften, verschiedene Arten von Glücksspielen und Sportwetten zu verwalten und zu vertreiben einschließlich der Abwicklung des Zahlungsverkehrs mit den Endkunden.
Die C gewährte der D GmbH, deren Vermögen später im Wege der Verschmelzung auf die Klägerin überging, am 31.01.2001 ein Kontokorrentdarlehen (nebst Änderungen vom 01.01.2002 und 01.01.2003: Anlagen zum Schriftsatz der Klägerin vom 03.06.2013, FGA Anlagenband), das mit 6 % zu verzinsen war und sich zum 31.12.2002 auf ... € belief. Die C schloss am ... 2002 bzgl. aller gegenwärtigen und künftigen Forderungen gegenüber der Klägerin mit dieser (damals firmierend unter E GmbH) eine Rangrücktrittsvereinbarung ab (Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 16.12.2011, FGA Anlagenband).
Am 01.01.2008 trat der von allen Bundesländern verabschiedete Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag) vom 30.01./31.07.2007 in Kraft. Nach § 4 Abs. 4 dieses Vertrages war das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet nach einer einjährigen Übergangsphase verboten. Die Klägerin stelltedaher zum 01.01.2009 die Vermittlung von Produkten der deutschen Lotteriegesellschaften und das eigene Geschäft mit Endkunden in Deutschland ein. Neben anderen Kosteneinsparungen reduzierte die Klägerin im Streitjahr die Zahl der Angestellten von ... auf ... Um den Umsatzrückgang aufgrund des inländischen Verbotes von Online-Glücksspielen auszugleichen, strebte der C-Konzern eine Ausweitung des Online-Angebots von Sportwetten, Pferdewetten, Casino und Poker im europäischen Ausland an. Die Klägerin sollte innerhalb des Konzerns als zentrale technische Dienstleisterin durch Nutzungsüberlassung der Gaming-Plattform an die Schwestergesellschaften fungieren (vgl. Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichtes...