Leitsatz

Eine Leistungsklage auf Zahlung eines Erstattungsbetrags nach einer Aufrechnung ist unzulässig, wenn sie erhoben wurde, bevor ein bestandskräftiger Abrechnungsbescheid in Höhe des begehrten Zahlungsanspruchs vorliegt.

 

Normenkette

§ 218 Abs. 2, § 37 Abs. 2 AO, § 40 Abs. 1 Alternative 3, § 67 Abs. 1 FGO, Art. 103 Abs. 1 GG

 

Sachverhalt

Der Kläger war Insolvenzverwalter über das Vermögen der A-GmbH. Diese hatte einen Steuererstattungsanspruch gegenüber dem FA. Das FA hatte seinerseits Steuerforderungen gegen die A-GmbH und erklärte die Aufrechnung seiner Forderung gegen den Erstattungsanspruch.

Der Kläger ging von einer Unwirksamkeit der Aufrechnung aus, da diese erst nach Stellung des Antrags auf Insolvenzeröffnung und kurz vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erklärt worden war. Daher erhob er vor dem FG eine Leistungsklage, die auf Auszahlung des aufgerechneten Betrags gerichtet war. Nachdem er vom FG auf die Notwendigkeit eines Abrechnungsbescheids hingewiesen worden war und einen solchen Bescheid beim FA beantragt hatte, erging während des Klageverfahrens ein Abrechnungsbescheid. Der Kläger hielt gleichwohl an seiner Leistungsklage fest und wandte sich hilfsweise gegen den Abrechnungsbescheid. Das FG (FG Bremen, Urteil vom 30.10.2019, 1 K 46/18 (5), Haufe-Index 13542434) betrachtete die Klage insgesamt als unzulässig und wies sie ab.

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision des Klägers gegen die Vorentscheidung als unbegründet zurück.

 

Hinweis

1. Im finanzgerichtlichen Verfahren kann ein Zahlungsanspruch gegenüber einer Finanzbehörde im Regelfall nicht einfach durch eine Zahlungsklage geltend gemacht werden. Vielmehr muss zunächst ein Abrechnungsbescheid bei der Finanzbehörde beantragt werden. Der Streit über den Zahlungsanspruch ist dann im Rahmen des Verfahrens über den Abrechnungsbescheid zu entscheiden.

a) Im Streitfall hatte der Kläger das FA auf Zahlung eines konkret bezifferten Geldbetrags verklagt und damit eine Leistungsklage erhoben. Die Leistungsklage ist in § 40 Abs. 1 Alternative 3 FGO geregelt.

b) Der BFH erklärte, der Kläger hätte vor der Erhebung der Zahlungsklage zunächst den Erlass eines bestandskräftigen Abrechnungsbescheids mit einem dem Antrag in der Leistungsklage entsprechenden Erstattungsbetrag erstreiten müssen. Die allgemeine Leistungsklage sei nämlich gegenüber der Verpflichtungsklage und der Anfechtungsklage subsidiär (z.B. BFH, Urteil vom 13.3.1986, IV R 304/84, Haufe-Index 61322, BStBl II 1986, 509).

c) Dies gelte auch bei einem Streit über das Entstehen und über das (teilweise) Erlöschen eines Erstattungsanspruchs, im Streitfall bei einem Streit um die Wirksamkeit einer Aufrechnung gemäß § 226 AO. Eine vom FA erklärte Aufrechnung kann also in einem Klageverfahren wegen des Abrechnungsbescheids überprüft werden.

d) Einer vor Bestehen eines bestandskräftigen Abrechnungsbescheids erhobenen Leistungsklage fehlt demgegenüber das Rechtsschutzbedürfnis. Die Klage ist daher unzulässig.

2. Darüber hinaus befasste sich der BFH mit einem Hilfsantrag, der darauf gerichtet war, einen während des Klageverfahrens ergangenen Abrechnungsbescheid anzufechten. In diesem Zusammenhang waren die Voraussetzungen der Klageänderung nach § 67 FGO streitig, da dieser Streitgegenstand erst nachträglich zum Gegenstand des Verfahrens geworden war.

Eine Klageänderung ist jedoch nur zulässig, so erklärte der BFH, wenn sowohl für das ursprüngliche als auch das geänderte Klagebegehren die allgemeinen Sachentscheidungsvoraussetzungen erfüllt sind. Da die ursprüngliche Klage im Streitfall mangels Rechtsschutzbedürfnisses des Klägers unzulässig war, wurde hierdurch auch eine zulässige Klageänderung ausgeschlossen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 12.12.2023 – VII R 60/20

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