Rz. 20

Nach § 81 Abs. 1 Nr. 4 AO kann ein Vertreter von Amts wegen bestellt werden, wenn der Beteiligte infolge einer psychischen Krankheit oder körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung nicht in der Lage ist, in dem Verfahren selbst tätig zu werden und Verfahrenshandlungen rechtswirksam vorzunehmen. Die Vorschrift entspricht weitgehend § 1896 Abs. 1 BGB. Regelmäßig wird für den Beteiligten bereits ein Betreuer oder Pfleger bestellt sein, der den Beteiligten bereits vertritt.[1]

 

Rz. 21

Psychische Krankheiten i.  d.  S. sind körperlich nicht begründbare Psychosen oder seelische Störungen als Folge von anderen Krankheiten oder Verletzungen. Geistige Behinderungen sind Intelligenzdefekte verschiedener Schweregrade. Hierzu zählen z. B. Psychosen, Demenz, Alkohol- oder Drogenabhängigkeit etc.[2] Seelische Behinderungen sind bleibende psychische Beeinträchtigungen.

 

Rz. 22

Rein körperliche Behinderungen, wie z. B. Blindheit, Taubheit, Stummheit, Epilepsie oder Lähmung, werden zumeist keine Auswirkungen auf die Entscheidungsfähigkeit haben[3] und somit nur ausnahmsweise eine Vertreterbestellung rechtfertigen.

 

Rz. 23

Die Krankheit bzw. Behinderung muss Ursache (kausal) dafür sein, dass eine Kontaktaufnahme mit der Finanzbehörde nicht erfolgen kann bzw. wesentlich erschwert ist.[4] Die Behinderung muss dem Beteiligten die Entscheidung über die Regelung seiner steuerlichen Angelegenheiten verwehren und ihn auch hindern, einen Vertreter zu bestellen und zu kontrollieren.[5] Eine bloße Störung des Verwaltungsverfahrens reicht nicht aus. Keine Behinderung i. S. d. § 81 Abs. 1 Nr. 4 AO sind z. B. Artikulationsschwierigkeiten, Unfähigkeit zum geordneten Vortrag, Querulanz, Schwerhörigkeit etc. Die Beweis- und Darlegungslast liegt bei der Finanzbehörde.[6] Rein körperliche Behinderungen, wie z. B. Blindheit, Taubheit oder Lähmung, werden zumeist keine Auswirkungen auf die Entscheidungsfähigkeit haben.[7]

[1] Klein/Rätke, AO, 16. Aufl. 2022, § 81 Rz. 2; Gold, in Zugmaier/Nöcker, AO, § 81 AO Rz. 14.
[2] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 81 AO Rz. 18; Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 81 AO Rz. 97; Grüneberg/Götz, BGB, 82. Aufl. 2023, § 1896 BGB Rz. 5.
[3] Grüneberg/Götz, BGB, 82. Aufl. 2023, § 1896 BGB Rz. 5 zu den medizinischen Voraussetzungen für eine Betreuung.
[4] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 81 AO Rz. 19; Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 81 AO Rz. 104; Grüneberg/Götz, BGB, 82. Aufl. 2023, § 1896 BGB Rz. 9.
[6] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 81 AO Rz. 18; Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 81 AO Rz. 100; Kobor, in Pfirrmann/Rosenke/Wagner, AO, § 81 AO Rz. 25.
[7] Grüneberg/Götz, BGB, 82. Aufl. 2023, § 1896 BGB Rz. 5 zu den medizinischen Voraussetzungen für eine Betreuung.

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