Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Verstoß der Anforderungen des StBerG für die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen durch ausländische Steuerberatungsgesellschaften gegen die unionsrechtliche Dienstleistungsfreiheit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das durch§ 41 Abs. 2 Satz 1 FGO eröffnete Wahlrecht zwischen einer Anfechtungs- oder einer Nichtigkeitsfeststellungsklage lässt auch die hilfsweise Erhebung einer Anfechtungsklage neben einer Nichtigkeitsfeststellungsklage oder umgekehrt zu.

2. Ein möglicher Verstoß der Regelungen des StBerG über die Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen gegen das Unionsrecht führt nicht zur Nichtigkeit eines auf der Grundlage des § 80 Abs. 7 Satz 1 AO erlassenen Zurückweisungsbescheids.

3. Eine in einem anderen Mitgliedstaat der EU niedergelassene Person hat den Beruf des Steuerberaters nach§ 3a Abs. 1 Satz 5 StBerG nur dann mindestens ein Jahr lang ausgeübt, wenn die Berufstätigkeit im anderen Mitgliedstaat erfolgt ist. Die Berufserfahrung aus einer in Deutschland ausgeübten steuerberatenden Tätigkeit reicht dagegen auch dann nicht aus, wenn die Tätigkeit grenzüberschreitend vom Sitz im anderen Mitgliedstaat gegenüber in Deutschland steuerpflichtigen Personen erbracht wird.

4. § 3a StBerG verstößt nicht gegen die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV, da die in § 3a Abs. 2 StBerG geregelten Melde- und Nachweiserfordernisse durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind. Das von der EU-Kommission zu § 4 StBerG eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren unter dem Az. 2018/2171 führt zu keiner abweichenden Beurteilung.

 

Normenkette

AO § 80 Abs. 7, § 125; StBerG §§ 3a, 4; AEUV Art. 49, 56; Richtlinie 2005/36/EG Art. 7 Abs. 1-2

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im 2. Rechtsgang über die Nichtigkeit und hilfsweise über die Rechtmäßigkeit des vom Beklagten erlassenen Bescheids über die Zurückweisung als Bevollmächtigte gemäß § 80 Abs. 7 der Abgabenordnung (AO).

Bei der Klägerin handelt es sich um eine nach dem Recht des Vereinigten Königreichs gegründete Limited (Ltd.) mit Sitz in A (Niederlande), deren gesetzliche Vertreter (Director) C und E sind. Die Klägerin schloss bei einer Versicherungs-AG ab dem 1. Oktober 2011 für drei Jahre eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung ab, die sich mit dem Ablauf jeweils um ein Jahr verlängerte. Versichertes Risiko war nach dem Versicherungsschein "die gesetzliche Haftpflicht für Vermögensschäden in der Eigenschaft als Hilfeleistung in Steuersachen gem. § 3a StBerG (vom Ausland aus)". Im Versicherungsschein war zudem folgende besondere Vereinbarung enthalten: "Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers für Vermögensschäden aus der Hilfeleistung in Steuersachen gem. § 3a StBerG."

Mit Schreiben vom 3. Dezember 2018 übersandte die Klägerin dem Beklagten den Fragebogen zur steuerlichen Erfassung der H Ltd. und eine auf die Klägerin ausgestellte Vollmacht der H Ltd., die sich u.a. auf die Vertretung der H Ltd. vor Finanzbehörden und Finanzgerichten erstreckte und auch die Zustellung von Verwaltungsakten erfasste. Am 19. September 2019 reichte die Klägerin die Körperschaftsteuer- und die Gewerbesteuererklärung der H Ltd. für 2018 in elektronischer Form beim Beklagten ein. Am 2. Oktober 2019 erließ der Beklagte den Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuerbescheid für 2018 sowie den Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts auf den 31. Dezember 2018, die er jeweils der Klägerin gegenüber bekannt gab.

Mit Bescheid vom 22. Januar 2020 wies der Beklagte die Klägerin gemäß § 80 Abs. 5 AO als Bevollmächtigte der H Ltd. zurück. Die hiergegen erhobene Sprungklage wies das Finanzgericht mit Urteil vom 24. November 2020 4 K 32/20 ab.

Am 12. April 2021 übermittelte die Klägerin unter Angabe ihrer Steuernummer für die H Ltd. die Umsatzsteuer-Voranmeldung für I/2021 in elektronischer Form.

Mit Bescheid vom 7. Juli 2021 wies der Beklagte die Klägerin wegen unbefugter Hilfeleistung in Steuersachen gemäß § 80 Abs. 5 AO als Bevollmächtigte der H Ltd. zurück, da sie für die Auftraggeberin geschäftsmäßig Hilfeleistung in Steuersachen betreffend die Umsatzsteuer-Voranmeldung für das 1. Kalendervierteljahr 2021 leiste, ohne gemäß § 5 des Steuerberatungsgesetzes in der bis zum 31. Juli 2022 geltenden Fassung (StBerG) dazu befugt zu sein. Die Klägerin sei weder im amtlichen Steuerberaterverzeichnis (§ 86b StBerG) noch im Verzeichnis der zur vorübergehenden und gelegentlichen Hilfeleistung in Steuersachen befugten Personen (§ 3b StBerG) der Bundessteuerberaterkammer registriert. Der Zurückweisungsbescheid vom 7. Juli 2021 wurde der Klägerin unter ihrer Anschrift in den Niederlanden durch Einschreiben mit Rückschein zugestellt. Herrn K als gesetzlichem Vertreter der H Ltd. wurde ein inhaltsgleicher Zurückweisungsbescheid per Zustellungsurkunde zugestellt.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 5. August 2021 beim Finanzgericht eingegangenen Klage, mit der sie die Nichtigke...

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