Leitsatz
1. § 5b Abs. 1 EStG ist verfassungsgemäß.
2. Eine "unbillige Härte" i.S. des § 5b Abs. 2 EStG liegt nicht bereits deshalb vor, weil die Einkünfte des bilanzierenden Steuerpflichtigen im Wirtschaftsjahr gering oder negativ sind. Vielmehr ist zu beurteilen, ob angesichts des Umfangs der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung die vom Steuerpflichtigen zu tragenden Kosten unverhältnismäßig sind. Nur wenn dies der Fall ist, liegt ein nicht unerheblicher finanzieller Aufwand i.S. des § 150 Abs. 8 Satz 2 Halbsatz 1 AO vor.
3. Ein finanzieller Aufwand in Höhe von 40,54 € für die durch § 5b Abs. 1 EStG vorgeschriebene elektronische Übermittlung der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz ist auch für einen "Kleinstbetrieb" nicht (wirtschaftlich) unzumutbar.
Normenkette
§ 5b EStG, § 150 Abs. 8 AO, § 5a GmbHG, § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 31 Abs. 1 Satz 1 KStG
Sachverhalt
Die Klägerin, eine haftungsbeschränkte UG, betreibt sog. Internetplattformen. Gesellschafter-Geschäftsführer ist der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, ein Rechtsanwalt, der von der UG kein Geschäftsführer-Gehalt erhält.
Die Klägerin reichte (wie für die Vorjahre) die Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr 2018 nicht nach dem amtlich vorgeschriebenen Datensatz elektronisch ein. Ihre Steuererklärungen übermittelte sie hingegen in elektronischer Form.
Mit Schreiben vom 29.10.2019 forderte das FA die Klägerin auf, die Bilanz sowie die Gewinn- und Verlustrechnung elektronisch zu übermitteln. Ein Verzicht gemäß § 150 Abs. 8 AO komme nicht in Betracht.
Die Klägerin beantragte daraufhin, die Bilanz sowie die Gewinn- und Verlustrechnung per E-Mail einreichen zu dürfen, da sie nur geringe Umsätze bzw. Gewinne erwirtschafte und eine Infrastruktur zur elektronischen Einreichung der Bilanz nur mit unverhältnismäßigem Aufwand zu errichten sei. Sie habe keinen Steuerberater beauftragt. Die Buchhaltung werde vom Geschäftsführer erledigt. Ein Programm für die Erstellung einer E-Bilanz sei nicht vorhanden. Ihre Buchführungssoftware stamme aus dem Jahr 2008. Kenntnisse, um deren Daten für eine E Bilanz aufzubereiten, seien nicht vorhanden.
Das FA lehnte den Antrag ab. Eine Unzumutbarkeit aus persönlichen Gründen bestehe nicht, da der Unternehmensgegenstand der Klägerin technische Fähigkeiten voraussetze. Eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit sei auch nicht erkennbar. Der Erwerb einer entsprechenden Software sei als anteilige Investition für die Folgejahre zu sehen, in denen die Bilanzen ebenfalls elektronisch einzureichen seien. Der Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 6.12.2019).
Die Vorinstanz (Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 9.9.2020, 3 K 6/20, Haufe-Index 14264336) wies die Klage ab. Die elektronische Übermittlung der Bilanz sei weder persönlich noch wirtschaftlich unzumutbar. Eine persönliche Unzumutbarkeit sei nicht ersichtlich. Dies ergebe sich bereits daraus, dass die Klägerin ihre Steuererklärungen elektronisch übermittele. Eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit sei ebenfalls nicht gegeben. Die Klägerin verfüge unstreitig über eine taugliche Hardware, sodass es ihr nur an einer entsprechenden Software mangele. Es sei ein Software-Programm für 40,54 EUR verfügbar, was keinen erheblichen finanziellen Aufwand darstelle. Darüber hinaus seien auf der ELSTER-Website noch weitere Anbieter gelistet, die ihre Software zu einem günstigen Preis (zwischen 10 EUR und 25 EUR) anböten. Auch diese Kosten stellten keinen erheblichen finanziellen Aufwand dar.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück.
Hinweis
Mit dem Besprechungsurteil hat der BFH wichtige Fragen rund um die Pflicht zur Einreichung einer E-Bilanz geklärt.
1. Der BFH geht zunächst davon aus, dass die Pflicht zur elektronischen Einreichung der E-Bilanz verfassungsgemäß ist. Er verweist dazu auf die bereits vorhandene Rechtsprechung zu elektronischen Steuererklärungen.
2. Außerdem legt der BFH dar, wie die Prüfung einer möglichen Befreiung von der Pflicht zur elektronischen Einreichung einer E-Bilanz wegen wirtschaftlicher Unzumutbarkeit vorzunehmen ist. Eine "unbillige Härte" liegt nicht schon dann vor, wenn die Einkünfte des bilanzierenden Steuerpflichtigen im Wirtschaftsjahr gering oder negativ sind. Vielmehr ist zu beurteilen, ob angesichts des Umfangs der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung, die vom Steuerpflichtigen zu tragenden Kosten unverhältnismäßig sind. Nur wenn dies der Fall ist, liegt ein nicht unerheblicher finanzieller Aufwand i.S.d. § 150 Abs. 8 Satz 2 Halbsatz 1 AO vor.
3. Dies hat der BFH auch bei einem "Kleinstbetrieb" verneint, wenn der finanzielle Aufwand 40 EUR (für die einmalige Anschaffung einer Bilanz-Software) beträgt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 21.4.2021 – XI R 29/20