vorläufig nicht rechtskräftig

Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer: Berücksichtigung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung als Vorsorgeaufwendungen

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Zum Begriff der Vorsorgeaufwendungen i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG.
  2. § 10 Abs. 4 EStG ist nicht verfassungswidrig. Weder verletzen die beschränkte Abziehbarkeit von Versicherungsbeiträgen noch der – hier vollumfängliche - Ausschluss des Abzugs von Vorsorgeaufwendungen aufgrund von § 10 Abs. 4 Satz 4 EStG das GG.
  3. Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, Beiträge zu in § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG genannten Kranken- und Pflegeversicherungen wie die in § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG geregelten „sonstigen Vorsorgeaufwendungen” steuerlich freizustellen.
 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 4

 

Streitjahr(e)

2010

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob über die bereits berücksichtigten sonstigen beschränkt abzugsfähigen Sonderausgaben hinaus weitere Aufwendungen abzugsfähig sind. Die Kläger gehen insoweit von der Verfassungswidrigkeit des § 10 Abs. 1 Nr. 3a Einkommensteuergesetz in der für das Streitjahr gültigen Fassung (EStG) aus.

Die Kläger sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Der Kläger erzielt als Konstruktionstechniker und die Klägerin als Rechtsanwalts- und Notarangestellte jeweils Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Arbeitgeber der Kläger behielt jeweils die folgenden Basis - Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung im Streitjahr ein:

Kläger Klägerin Summe

Krankenversicherung 3.265 € 2.687 € 5.952 €

Zusatzbeitrag 136 € 136 €

Summe Basiskrankenversicherung 6.088 €

Pflegeversicherung 507 € 417 € 924 €

Die Kläger machten in ihrer Einkommensteuererklärung darüber hinaus als sonstige Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG Beiträge in Höhe von 1.769 € geltend, die sich wie folgt aufteilen:

Kläger Klägerin Summe

Arbeitslosenversicherung 662 € 476 € 1.138 €

Kfz-Haftpflichtversicherung 145 € 192 337 €

Privathaftpflichtversicherung 75 €

Unfallversicherungen 219 €

Summe 1.769 €

Da der gemeinsame Höchstbetrag der Kläger nach § 10 Abs. 4 Satz 3 EStG aufgrund der Beiträge der Kläger zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung überschritten war, berücksichtigte der Beklagte im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung die darüber hinausgehenden sonstigen Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG nicht.

Den Einspruch der Kläger, mit dem diese die Verfassungswidrigkeit des gemeinsamen Höchstbetrags nach § 10 Abs. 4 Satz 3 EStG geltend machten, wies der Beklagte als unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die Klage. Die Kläger sind auch weiterhin der Auffassung, dass die sonstigen Vorsorgeaufwendungen in Höhe von 1.769 € als Sonderausgaben zu berücksichtigen seien.

Bis zur Neuregelung des Sonderausgabenabzugs durch das Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung vom 16. Juli 2009, BGBL I 2009, 1959 (BürgEntlG KV) hätten die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, zur Arbeitslosen-, Berufsunfähigkeits-, Unfall, Haftpflichtversicherung und zu den Risikoversicherungen, die nur für den Todesfall eine Leistung vorgesehen hätten, gemäß § 10 Abs. 1 Nr. EStG a.F. als Sonderausgaben gegolten, die bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens gemäß § 10 Abs. 4 EStG a.F. bis zu einem Höchstbetrag von 2.400 € - in bestimmten Fällen bis zu 1.500 € - neben den Beiträgen für Altersvorsorge berücksichtigt worden seien. Bereits diese Höchstbeträge hätten meist nur einen Bruchteil der tatsächlich gezahlten Vorsorgeaufwendungen abgedeckt.

Aufgrund der im Streitjahr geltenden Neuregelung seien bei den Klägern nur noch die Basisbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung abzugsfähig. Der Abzug weiterer Vorsorgeaufwendungen sei durch den Gesetzgeber faktisch gestrichen worden. Bereits nach altem Recht hätten sich diese Beiträge kaum ausgewirkt; nach dem im Streitjahr geltenden Recht würde der Abzug vollständig versagt. Dies sei verfassungsrechtlich bedenklich.

Auch diese weiteren Vorsorgeaufwendungen würden zur Absicherung existenzieller Lebensrisiken des Steuerzahlers oder seiner Familie dienen. Dies gelte besonders für die gesetzlichen Zwangsbeiträge zur Arbeitslosenversicherung, aber auch für die übrigen zur Sicherung einer sozialgerechten Existenz notwendigen weiteren Vorsorgeaufwendungen.

Das verfassungsrechtlich gebotene Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums gebiete es, dass der Gesetzgeber dafür Sorge zu tragen habe, dass auch bei typisierenden Regelungen in möglichst allen Fällen der entsprechende Bedarf abgedeckt werde. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 13. Februar 2008 2 BvL 1/06, BFH/NV 2008, Beilage 3, 228 lege nahe, dass auch Beiträge zur Arbeitslosen-, Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsversicherungen, Unfall- und Haftpflichtversicherungen sowie zu den Risikoversicherungen, die nur für den Todesfall Leistungen vorsähen, - genau wie die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung - zumindest zum T...

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