Rz. 19

§ 50c Abs. 2 S. 1 EStG enthält zwei verschiedene Tatbestände für das Freistellungsverfahren. Abs. 2 S. 1 Nr. 1 enthält die Rechtsgrundlage für das regelmäßige Freistellungsverfahren. Abs. 2 S. 1 Nr. 2 enthält dagegen eine vereinfachende Sonderregelung für geringe Einkünfte aus Vergütungen für immaterielle Wirtschaftsgüter i. S. d. § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG, durch die das bisherige Kontrollmeldeverfahren abgelöst worden ist.

 

Rz. 20

Die Rechtsgrundlage für das allgemeine Freistellungsverfahren ist in § 50c Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG enthalten. Sie ist anwendbar für die Entlastung nach §§ 43b, § 50g EStG sowie nach DBA. Für die Entlastung von KapESt, die auf einem DBA beruht (also nicht auf § 43b EStG) enthält § 50c Abs. 2 S. 5 EStG einen besonderen Tatbestand, der das Freistellungsverfahren einschränkt (hierzu Rz. 58). Das Freistellungsverfahren, das nach Wahl der Beteiligten neben das Erstattungsverfahren tritt, ist danach bei folgenden Vergütungen zulässig:

  • Kapitalerträge nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG (Dividenden, sonstige Gewinnausschüttungen), die unter § 43b EStG fallen; es handelt sich um Gewinnausschüttungen an Kapitalgesellschaften in einem EU-Staat, die seit mindestens 12 Monaten mit mindestens unmittelbar 10 % beteiligt sind. Als unmittelbar gilt nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO auch eine Beteiligung, die über eine nicht gewerblich geprägte vermögensverwaltende Personengesellschaft gehalten wird.[1] Für diese Gewinnausschüttungen reduziert § 43b EStG den KapESt-Satz auf 0 %. Das Freistellungsverfahren gilt für alle Gewinnausschüttungen, also auch für vGA.
  • Kapitalerträge nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, die nach einem DBA zur Entlastung berechtigen sind. Das Freistellungsverfahren betrifft insbesondere das internationale Schachtelprivileg, wonach die ausl. Kapitalgesellschaft an der inländischen regelmäßig zu mindestens 25 %, nach einer Reihe von DBA reduziert auf 10 %, unmittelbar beteiligt sein muss. Für andere Dividendeneinkünfte, insbesondere aus Portfolio-Beteiligungen oder bei einer natürlichen Person als Zahlungsempfänger, schließt § 50c Abs. 2 S. 5 EStG das Freistellungsverfahren aus (hierzu Rz. 58). Das Freistellungsverfahren gilt für alle Gewinnausschüttungen, die nach dem einschlägigen DBA als Dividendeneinkünfte (Art. 10 OECD-MA) eingeordnet werden, also auch für vGA. Da sich der Begriff der Dividende in den DBA regelmäßig nach dem Recht des Staats der ausschüttenden Gesellschaft richtet (Art. 10 Abs. 3 OECD-MA), gilt das Freistellungsverfahren auch für Liquidationserlöse und gleichgestellte Bezüge einer inländischen Kapitalgesellschaft (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG), soweit es sich nicht um Rückzahlung von Nennkapital oder Auskehrungen aus dem steuerlichen Einlagekonto handelt.[2]
  • Vergütungen nach § 50a Abs. 1 EStG, die nach einem DBA von der Steuer im Quellenstaat zu entlasten sind. In den DBA sind regelmäßig nur Freistellungen für Lizenzvergütungen (§ 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG), enthalten; vgl. Art. 12 OECD-MA. Das Freistellungsverfahren ist ohne weitere Voraussetzungen anwendbar. Weder braucht der Vergütungsgläubiger an dem Vergütungsschuldner beteiligt zu sein, noch muss der Vergütungsgläubiger Kapitalgesellschaft sein. Das Freistellungsverfahren ist daher auch für natürliche Personen als Vergütungsgläubiger eröffnet. Die gegenteiligen Einschränkungen nach § 50c Abs. 2 S. 5 EStG gelten nur für die Entlastung von der KapESt nach einem DBA für Kapitalgesellschaften, nicht für andere Fälle der Entlastung.
  • Lizenzzahlungen innerhalb eines EU-Konzerns können nach § 50g EStG entlastungsberechtigt sein;
  • Zinszahlungen innerhalb eines EU-Konzerns können nach § 50g EStG entlastungsberechtigt sein.
 

Rz. 21

Das Freistellungsverfahren ist in persönlicher Hinsicht davon abhängig, dass der zum Steuerabzug Verpflichtete auch Schuldner der Kapitalerträge oder Vergütungen ist. Sofern das nicht der Fall ist, muss die auszahlende Stelle, die nicht Schuldner der Kapitalerträge ist, den Steuerabzug durchführen. In diesem Fall ist das Freistellungsverfahren nicht anwendbar. Dies ist z. B. der Fall bei Kapitalerträgen, wenn die Anteile in Sammelverwahrung aufbewahrt werden. Dann hat nach § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a EStG, § 44 Abs. 1 S. 3 EStG die auszahlende Stelle, die nicht Schuldner der Kapitalerträge ist, den Steuerabzug durchzuführen.[3]

 

Rz. 22

Nur das Erstattungsverfahren ist anzuwenden (sofern in diesen Fällen überhaupt eine Minderung der KapESt in Betracht kommt)

  • für Gewinnausschüttungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, die an Inländer, an ausl. Anteilseigner, die nicht Kapitalgesellschaften sind, oder an ausl. Kapitalgesellschaften, die zu weniger als 10 % bzw. noch nicht 12 Monate beteiligt sind;
  • bei Vergütungen für Wandelanleihen und Gewinnobligationen;
  • bei Einnahmen aus stiller Gesellschaft und partiarischen Darlehen;
  • bei sonstigen Zinsen, die dem KapESt-Abzug unterlegen haben, aber nicht unter § 50g EStG fallen; diese Zinsen unterliegen nicht der beschr. Steuerpflicht, die KapESt ist daher in voller Höhe zu erstatten. Ein Freistel...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge