Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags als Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer für den Veranlagungszeitraum 2020
Leitsatz (amtlich)
(1) Das öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltsführung sowie an dem Vollzug eines ordnungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes überwiegt im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes das Interesse der Antragsteller, den Solidaritätszuschlag vorläufig nicht entrichten zu müssen.
(2) Der Solidaritätszuschlag als Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer im Sinne des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG findet auch für den Veranlagungszeitraum 2020 eine ausreichende verfassungsrechtliche Grundlage, denn dieser hat auch nicht "automatisch" mit Auslaufen des Solidarpakts II (und der Neuregelung des Länderfinanzausgleichs) seine Rechtfertigung verloren.
Normenkette
SolZG 2020
Gründe
I.
Streitig ist die Aussetzung der Vollziehung des Vorauszahlungsbescheides über den Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer für das 1. Quartal 2020.
Das Finanzamt setzte mit Einkommensteuerbescheid für 2017 vom 29.01.2020 eine Vorauszahlung für den Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer für das 1. Quartal 2020 (10.03.) in Höhe von 1.949 € fest.
Die Antragsteller legten mit Schreiben vom 26.02.2020 Einspruch gegen die Festsetzung eines Solidaritätszuschlags zur Einkommensteuer für das 1. Quartal 2020 ein und beantragten insoweit Aussetzung der Vollziehung des Vorauszahlungsbescheides.
Das Finanzamt lehnte die Aussetzung der Vollziehung mit Bescheid vom 06.03.2020 ab.
Das Einspruchsverfahren ist noch nicht abgeschlossen.
Die Prozessbevollmächtigten haben mit Schriftsatz vom 06.04.2020 und korrigierter Antragschrift vom 21.04.2020 bei Gericht Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Vorauszahlungsbescheides über den Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer für das 1. Quartal 2020 gestellt.
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Erhebung des Solidaritätszuschlags ab dem 01.01.2020 unzulässig und verfassungswidrig sei. Eine Ermächtigungsgrundlage für die Erhebung des Solidaritätszuschlags bestehe mit dem Auslaufen des Solidarpakts II zum 31.12.2019 nicht mehr. Die Erhebung der Ergänzungsabgabe finde nach dem 31.12.2019 gemäß Art. 106 Abs. 3 Satz 1 und 2 bzw. Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG keine Rechtsgrundlage mehr vor. Die Forterhebung des Solidaritätszuschlags stelle darüber hinaus einen verfassungswidrigen intransparenten Formenmissbrauch dar, weil eine Korrektur allgemeiner einkommensteuerrechtlicher Belastungen ausschließlich über eine Änderung des Einkommensteuerrechtes in einer allgemeingültigen Regelung zu erfolgen habe und nicht über den Ausnahmetatbestand einer Ergänzungsabgabe, für die die gesetzliche Legitimationsgrundlage eindeutig entfallen sei. Der Formenmissbrauch verletze daher auch Art. 106 Abs. 1 und 2 GG sowie die Beteiligungsrechte des Bundesrates gemäß Art. 105 Abs. 3 GG und damit die bundesstaatliche Zuständigkeitsordnung für die nur bei Vorliegen einer verfassungskonformen Ermächtigungsgrundlage zulässige Eingriffsnorm in Form einer Abgabe- bzw. Steuererhebung.
Der Solidaritätszuschlag und damit die Erhebung von Abgaben nach dem Solidaritätszuschlagsgesetz (SolZG) stellten eine Ergänzungsabgabe dar. Eine (zunächst verfassungsgemäß beschlossene) Ergänzungsabgabe werde aber dann verfassungswidrig, wenn sich die Verhältnisse, die für die Einführung maßgeblich waren, grundlegend ändern, z.B., wenn der mit der Erhebung verfolgte Zweck erreicht sei und die Ergänzungsgabe nicht wegen eines anderen Zwecks fortgeführt werden solle. Der BFH habe in seiner Entscheidung vom 21.07.2011 (II 50/09, BFH/NV 2011, 1685) entschieden, dass die Verfassungsmäßigkeit der Ergänzungsabgabe dann zweifelhaft werde, wenn die Änderung der Verhältnisse eindeutig und offensichtlich feststehe. Diese Entwicklung sei nach Auffassung der Antragsteller seit dem 01.01.2020 eingetreten.
Unter Zugrundelegung der insoweit zutreffenden Entscheidungsgrundsätze des BFH stehe unter Berücksichtigung der bereits angeführten verfassungsrechtlichen Wertungen aber fest, dass die Grundlagen für die Erhebung des Solidaritätszuschlags und damit die verfassungsrechtliche Berechtigung des Solidaritätszuschlagsgesetzes zum 31.12.2019 in Wegfall geraten seien. Der mit der Erhebung der Ergänzungsabgabe verfolgte Zweck sei erreicht. Gleichzeitig stehe fest, dass die Ergänzungsabgabe nicht wegen eines anderen Zweckes fortgeführt werden solle. Der Gesetzgeber habe in keiner Weise für die Forterhebung des Solidaritätszuschlags eine neue Bestimmung festgelegt oder definiert.
Der BFH habe in den angeführten Entscheidungen ausdrücklich entschieden, dass ein dauerhafter Finanzbedarf regelmäßig über die auf Dauer angelegten Steuern und nicht über eine Ergänzungsabgabe zu decken sei. Die zeitliche Begrenzung für eine nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG unbefristet erhobene Ergänzungsabgabe ergebe sich sachlich aus der Tatsache, dass die Ergänzungsabgabe nach ihrem Charakter den Z...