Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Kommentar
Die unentgeltliche Abgabe von Gegenständen kann nach § 3 Abs. 1b UStG zu einem steuerbaren Umsatz führen, der dann mit den zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Wiederbeschaffungskosten zu einer Umsatzsteuer führt. Dies kann insbesondere bei Sachspenden – insbesondere für karitative Zwecke – zu einer nicht eingeplanten Umsatzsteuerbelastung führen. Die Finanzverwaltung hat jetzt erstmalig auf Bundesebene zu dieser Frage Stellung genommen.
Die rechtliche Problematik
Ein steuerbarer Umsatz kann sich nur dann ergeben, wenn der leistende Unternehmer erkennbar um einer Gegenleistung Willen tätig wird. In bestimmten Fällen, die abschließend in § 3 Abs. 1b UStG aufgeführt sind, wird aber bei einer unentgeltlichen Wertabgabe ein Entgelt fingiert, sodass es zu einem besteuerten Umsatz kommen kann. Neben Wertabgaben aus unternehmensfremden Gründen können auch Abgaben aus unternehmerischen Gründen zu einem besteuerten Umsatz führen. Dazu zählen auch Abgaben aus karitativen Gründen (z. B. Abgabe an Tafeln).
Von besonderer Bedeutung ist in diesen Fällen die Ermittlung der Bemessungsgrundlage. Nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG sind die zum Zeitpunkt der Ausführung der unentgeltlichen Wertabgabe maßgeblichen Wiederbeschaffungskosten als Bemessungsgrundlage heranzuziehen. Nur in den Fällen, in denen keine Wiederbeschaffungskosten ermittelbar sind, ist auf die Selbstkosten zurückzugreifen.
Gerade bei Lebensmitteln, die zwar noch verzehrgeeignet sind (ansonsten dürften sie auch gar nicht an karitative Einrichtungen abgegeben werden), deren Haltbarkeitsdatum aber kurz vor dem Ablauf steht, sowie bei frischen, aber im normalen Handel nicht mehr absetzbaren Lebensmitteln, ergibt sich die Frage der Bestimmung zutreffender Wiederbeschaffungskosten. Es gab hier in der Vergangenheit in Betriebsprüfungen erhebliche Auseinandersetzungen, bis federführend von dem Sächsischen Finanzministerium 2012 eine Nichtbesteuerung solcher Abgaben verkündet wurde. Dies wurde dann u. a. auch in einer Verfügung der OFD Niedersachsen so fortgeführt, in der für diese steuerbaren und steuerpflichtigen Abgaben festgelegt wurde, dass in diesen Fällen "die Bemessungsgrundlage gegen null tendiert". Damit war im Ergebnis für diese Abgaben keine Umsatzsteuer von den Unternehmern zu entrichten.
Die Anweisung des Bundesministeriums der Finanzen
Die Finanzverwaltung nimmt jetzt erstmals bundeseinheitlich zu der Frage der Besteuerung der unentgeltlichen Sachspenden Stellung. Zutreffend wird festgestellt, dass die unentgeltliche Abgabe – auch ohne eine private Motivation – zu einer einer Leistung gegen Entgelt gleichgestellten Lieferung führen kann. Einer besonderen Steuerbefreiung können solche Sachspenden auch nicht unterliegen.
Zur Bemessungsgrundlage der Sachspenden stellt die Finanzverwaltung nun grundsätzlich klar, dass auch zu berücksichtigen ist, ob die Gegenstände im Zeitpunkt der unentgeltlichen Wertabgabe nur noch stark eingeschränkt oder gar nicht mehr verkehrsfähig sind. Davon ist bei Lebensmitteln auszugehen, wenn diese kurz vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums abgegeben werden oder die Verkaufsfähigkeit als Frischware (Backwaren, Obst und Gemüse) wegen Mängeln nicht mehr gegeben ist.
Diese Grundsätze gelten auch analog für Non-Food-Artikel mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum (Kosmetika, Drogerieartikel etc.). Aber auch Gegenstände, die aufgrund erheblicher Material- oder Verpackungsfehler oder einer fehlenden Marktgängigkeit (z. B. bei Saisonware) nicht mehr oder nur schwer verkäuflich sind, sollen nach diesen Regelungen behandelt werden.
Die Bemessungsgrundlage kann dann niedriger festgesetzt werden als bei noch uneingeschränkt verkehrsfähiger Ware, der Ansatz soll im Umfang der Einschränkung der Verkehrsfähigkeit erfolgen. Ein Ansatz der Bemessungsgrundlage mit 0 EUR soll aber nur bei wertloser Ware möglich sein.
Exemplarisch für solche "wertlosen" Gegenstände gibt die Finanzverwaltung Lebensmittel und Non-Food-Artikel kurz vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums sowie Frischwaren, bei denen die Verkaufsfähigkeit nicht mehr gegeben ist, an.
Bei Neuware, die ohne jegliche Beeinträchtigung nur aus wirtschaftlichen oder logistischen Gründen ausgesondert wird, liegt aber keine eingeschränkte Verkehrsfähigkeit vor. Dies gilt unabhängig davon, ob diese Gegenstände ansonsten vernichtet werden würden.
Konsequenzen für die Praxis
Die Finanzverwaltung hat jetzt mit einem Schreiben eine bundeseinheitliche Regelung zur Frage der Sachspenden versucht. Im Vergleich zu einem Entwurf dieses Schreibens aus dem Oktober 2020 hat die Finanzverwaltung zwar noch nachgebessert, in einigen Punkten werden sich aber leider in der Praxis durch die doch recht unpräzisen Vorgaben neue Streitpunkte ergeben.
Es ist der Finanzverwaltung zuzugeben, dass das harmonisierte Unionsrecht keine Möglichkeiten nationaler Subventionen (im Rahmen einer faktischen Steuerfreistellung) zul...