LfSt Rheinland-Pfalz v. 11.2.2015, S 2221 A - St 32 3
Hat ein Arbeitnehmer mit dem Lohn einen steuerfreien Zuschuss für seine Kranken- und Pflegeversicherung erhalten, steht dieser – nach der vorgenannten Vorschrift – insgesamt in unmittelbarem Zusammenhang mit den Vorsorgeaufwendungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG. Der Zuschuss mindert die Beiträge zur Basisabsicherung auch dann in vollem Umfang, wenn der Arbeitnehmer Wahlleistungen abgesichert hat (vgl. auch BMF-Schreiben vom 13.9.2010, Rz. 72).
Bei den Finanzämtern gehen derzeit vermehrt Einsprüche gegen Einkommensteuerbescheide – 2010 – ein, die sich gegen die Anwendung des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweiter Halbsatz EStG richten.
Die Einspruchsführer beantragen, den gem. § 3 Nr. 62 EStG steuerfreien Zuschuss zur (privaten) Kranken- und Pflegeversicherung nur insoweit auf die Beiträge zur Basisabsicherung anzurechnen, als er auch auf diese – anteilig – entfällt. Die Regelung in § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweiter Halbsatz EStG, wonach die steuerfreien Arbeitgeberzuschüsse insgesamt in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit Beiträgen i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG stehen, sei verfassungswidrig. Es wird argumentiert, dass die Regelung der vom BVerfG mit Beschluss vom 13.2.2008 (Az.: 2 BvL 1/06) geforderten steuerlichen Freistellung der Beiträge zur Basiskranken- und sozialen Pflegeversicherung / privaten Pflege-Pflichtversicherung entgegensteht.
Derartigen Einsprüchen kann, mit Hinweis auf die konkrete gesetzliche Regelung, nicht entsprochen werden; evtl. Änderungsanträge sind abzulehnen.
Aus der Praxis sind mir Fälle bekannt, in denen Steuerpflichtige selbst eine Aufteilung des Arbeitgeberzuschusses, nach dem Verhältnis der „Beitragszusammensetzung”, vornehmen und in Zeile 37 der Anlage Vorsorgeaufwand – 2010 – lediglich den prozentual auf die Basisabsicherung entfallenden Zuschuss erfassen.
Diese Fälle sind, im Rahmen der Erklärungsbearbeitung, ebenfalls aufzugreifen.
Die Einführung der Regelung des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweiter Halbsatz EStG ist im Rahmen des Gesetzes zur verbesserten steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen („Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung”) erfolgt. Zur weiteren Begründung der Zurückweisung bzw. Ablehnung, kann auch auf die Gesetzesbegründung zurückgegriffen werden (vgl. BT-Drucks. 16/13429, Seite 44).; ein Anwendungsbeispiel ist im eingangs genannten BMF-Schreiben vom 13.9.2010, Rz. 73, abgedruckt.
Aktualisierung vom 29.9.2011:
Zu dieser Rechtsfrage wurde zwischenzeitlich in mehreren Bundesländern Klage vor dem Finanzgericht erhoben:
Finanzgericht |
Aktenzeichen |
Erledigt (Stand: 2.6.2014) |
Nürnberg |
3 K 974/11 |
Urteil vom 16.1.2013 |
Hamburg |
3 K 144/11 |
Urteil vom 21.9.2012 |
Hessen |
1 K 1878/11 |
Klagerücknahme |
Münster |
7 K 2814/11 E |
Urteil vom 20.2.2013 |
Niedersachsen |
3 K 230/13 |
Urteil vom 6.9.2013 => Revision IX R 43/13 (erledigt; siehe Aktualisierung vom 11.2.2015) |
Ich bitte die Fälle in der DB-Rb mit dem landeseinheitlichen Vermerk „ZuschussKVPV” Massenverfahrensvermerk „Steuerfreie Zuschüsse zu Kranken- oder Pflegeversicherungen” zu erfassen.
Aktualisierung vom 18.1.2013:
Das FG Hamburg hat in dem Klageverfahren 3 K 144/11 mit Urteil vom 21.9.2012 entschieden, dass die Verminderung des Sonderausgabenabzugs für die private Krankenversicherung der Basisversorgung um die Arbeitgeberzuschüsse auch insoweit, als diese auf die Komfortversorgung (Gesamtbeitrag) entfallen (§ 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 EStG), verfassungsgemäß ist. Es sah sowohl den allgemeinen Gleichheitssatzes als gewahrt an. Andererseits gelte dies auch in Bezug auf das zu beachtende Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums (subjektives Nettoprinzip). Zwar gehöre zum steuerfrei zu belassenden Existenzminimum auch die Kranken- und Pflegeversorgung auf Sozialhilfeniveau (BVerfG, Beschluss vom 13.2.2008, 2 BvL 1/06, DStR 2008 S. 604, Rn. 104, 110, 113), so dass die Aufwendungen für die Versicherung der Basisversorgung neben dem Grundfreibetrag freizustellen sind. Die Regelung in § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 EStG führe in der gebotenen Zusammenschau mit § 3 Nr. 62 EStG jedoch nicht dazu, dass die zur Bestreitung des Existenzminimums notwendigen Mittel besteuert würden.
Das FG hatte die Revision gegen das Urteil vom 21.9.2012 wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Die Revision wurde allerdings nicht eingelegt.
Aufgrund der weiteren anhängigen Klageverfahren (siehe Aktualisierung vom 29.9.2011) können entsprechende Einsprüche nach § 363 Abs. 2 Satz 1 AO aus Zweckmäßigkeitsgründen ruhen.
Darüber hinaus sind diese Verfahren auch auf der Liste der für eine Allgemeinverfügung in Frage kommenden Fälle, sog. ALV-Liste, enthalten. Vom Erlass von Teil-Einspruchsentscheidungen in reinen Masseneinsprüchen ist grds. abzusehen.
Aktualisierung vom 8.4.2013:
Zwischenzeitlich ist auch das beim FG Nürnberg anhängige Klageverfahren mit Az. 3 K 974/11 rechtskräftig erledigt. Das ...