Prof. Dr. Heinz-Jürgen Pezzer
Leitsatz
1. Zinsen i.S.v. § 233a AO, die der Steuerpflichtige an das FA zahlt (Nachzahlungszinsen), gehören zu den nach § 12 Nr. 3 EStG nicht abziehbaren Ausgaben.
2. Zinsen i.S.v. § 233a AO, die das FA an den Steuerpflichtigen zahlt (Erstattungszinsen), unterliegen beim Empfänger nicht der Besteuerung, soweit sie auf Steuern entfallen, die gem. § 12 Nr. 3 EStG nicht abziehbar sind (Änderung der Rechtsprechung).
Normenkette
§ 233a AO, § 12 Nr. 3 EStG
Sachverhalt
Der Kläger richtete für erwartete ESt-Nachzahlungen bei einem Kreditinstitut ein Termingeldkonto ein. Daraus erzielte er Kapitaleinkünfte. Im Juli 2000 leistete er von diesem Konto eine Nachzahlung auf die ESt für 1996. Vorangegangene, die ESt 1996 betreffende Steuererstattungen hatte das FA nicht auf das Termingeldkonto geleistet. Wegen der Nachzahlung setzte das FA gegen den Kläger Zinsen zur ESt 1996 fest. Im Streitjahr 2000 zahlte der Kläger deshalb 9 949 DM Zinsen an das FA. Im Streitjahr 2000 vereinnahmte der Kläger außerdem von dem FA – einen anderen Veranlagungszeitraum betreffende – Erstattungszinsen von 3 460 DM.
In seiner ESt-Erklärung machte der Kläger die Nachzahlungszinsen als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Kapitalvermögen geltend. Dem folgte das FA nicht und berücksichtigte außerdem die vom Kläger vereinnahmten Erstattungszinsen als weitere Einnahmen bei dessen Einkünften aus Kapitalvermögen.
Einspruch und Klage blieben erfolglos (FG Köln, Urteil vom 02.03.2007, 14 K 2373/04, Haufe-Index 1936147, EFG 2008, 617).
Entscheidung
Der BFH gab dem Kläger teilweise recht. Zwar seien die Nachzahlungszinsen nicht als Werbungskosten abziehbar; das Abzugsverbot des § 12 Nr. 3 EStG sei nicht verfassungswidrig.
Jedoch habe das FG die bezogenen Erstattungszinsen des Klägers zu Unrecht als steuerpflichtig beurteilt. Sie würden durch § 12 Nr. 3 EStG ebenfalls dem nicht steuerbaren Bereich zugewiesen.
Hinweis
1. Durch das Steuerreformgesetz 1990 (StRG 1990) vom 25.07.1988 (BStBl I 1988, 224) ist die Vollverzinsung gem. § 233a AO eingeführt worden. Damals ist im Gesetzgebungsverfahren die Steuerbefreiung von Erstattungszinsen zwar diskutiert, im Ergebnis aber verworfen worden. Erstattungszinsen sollten entsprechend den allgemeinen Grundsätzen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) erfasst werden (vgl. die Nachweise im BFH-Urteil vom 08.11.2005, VIII R 105/03, BFH/NV 2006, 527). Indes wurde damals durch Art. 1 Nr. 13 StRG 1990 (BStBl I 1988, 224, 227) in § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG zugleich geregelt, dass Nachzahlungszinsen i.S.v. § 233a AO als Sonderausgaben abziehbar waren. Der Gesetzgeber hat mithin ursprünglich im Ergebnis ein symmetrisches Normgefüge für Nachzahlungszinsen einerseits und Erstattungszinsen andererseits geschaffen.
2. Mit Wirkung ab 1999 wurde sodann § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG aufgehoben. Von da an war die Symmetrie der steuerrechtlichen Behandlung von Nachzahlungs- und Erstattungszinsen gestört: Erstattungszinsen wurden nach wie vor als Erträge aus der (zwangsweisen) Überlassung von Kapital gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG erfasst, Nachzahlungszinsen für nach § 12 Nr. 3 EStG nicht abziehbare Steuern – wie die ESt – waren hingegen nicht abziehbar.
3. Diese als unbefriedigend empfundene Rechtslage wurde immer wieder angegriffen. Es wurde insbesondere versucht, die systematische Übereinstimmung der Beurteilung von Nachzahlungs- und Erstattungszinsen dadurch zu erreichen, dass das Abzugsverbot des § 12 Nr. 3 EStG für unvereinbar mit dem Nettoprinzip und damit für verfassungswidrig gehalten wurde.
4. Die bisherige Rechtsprechung hatte die unsymmetrische Behandlung von Nachzahlungs- und Erstattungszinsen nicht beanstandet. Das Abzugsverbot des § 12 Nr. 3 EStG verstoße nicht gegen das Nettoprinzip. Daraus lasse sich auch gegen die Erfassung von Erstattungszinsen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG nichts herleiten. Die Frage, ob Erträge i.S. dieser Vorschrift vorlägen, sei getrennt davon zu beurteilen.
5. Nunmehr hat der BFH seine Rechtsprechung zur Erfassung der Erstattungszinsen geändert und im Ergebnis wieder einen systematischen Gleichlauf der steuerrechtlichen Beurteilung von Nachzahlungs- und Erstattungszinsen erreicht.
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§ 12 Nr. 3 EStG ordnet an, dass Steuern vom Einkommen sowie die auf diese Steuern entfallenden Nebenleistungen weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden dürfen. Zu den steuerlichen Nebenleistungen gehören nach § 3 Abs. 4 AO auch die Zinsen i.S.v. § 233a AO. Sie dürfen daher nicht als Werbungskosten abgezogen werden. Dagegen bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken. § 12 Nr. 3 EStG verstößt insbesondere nicht gegen das objektive Nettoprinzip. Im häufig unklaren und deshalb auch streitanfälligen Grenzbereich zwischen Einkünfteerzielungs- und Privatsphäre darf der Gesetzgeber typisierende Regelungen schaffen und bestimmte Aufwendungen generell vom Abzug ausschließen. |
b) |
In Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung hat der BFH indes nunmehr Erstattungszinsen als nicht steu... |