Zusammenfassung

 
Begriff

Die vorläufige Inobhutnahme nach neuem Recht geht der (endgültigen) Inobhutnahme nach bisherigem (unveränderten) Recht voraus. Mit ihr wird über eine Anmeldung zur Verteilung des Minderjährigen entschieden.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Sozialversicherung: § 42a SGB VIII regelt die vorläufige Inobhutnahme ("Verteilungs-Inobhutnahme"), § 42b SGB VIII die Verteilung und § 42 SGB VIII die ("endgültig-vorläufig") Inobhutnahme. Die örtliche Zuständigkeit bestimmt § 88a Abs. 1 SGB VIII.

Mit Art. 6 des Zweiten Datenaustauschverbesserungsgesetzes v. 4.8.2019 wurde dem § 42a SGB VIII ein Abs. 3a eingefügt, wonach das Jugendamt dafür sorgen muss, dass bei Zweifeln über die Identität des Jugendlichen erkennungsdienstliche Maßnahmen nach § 49 Abs. 8 und 9 AufenthG ergriffen werden.

Hat das Jugendamt entschieden, dass eine (vorläufige) Inobhutnahme nicht in Betracht kommt, ist § 15a AufenthG nicht anwendbar.[1]

[1] OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 27.5.2020, OVG 11 S 45.19.

1 Tatbestandsvoraussetzung

Tatbestandsvoraussetzung des § 42a SGB VIII ist die unbegleitete Einreise des Minderjährigen Diese liegt auch dann vor, wenn sich Personensorge- oder Erziehungsberechtigte[1] in Deutschland aufhalten; ebenso wenn die Minderjährige verheiratet ist.[2]

Aufgabe des Jugendamts ist es dann, auf eine Familienzusammenführung hinzuwirken. Gelingt diese, ist die vorläufige Inobhutnahme beendet. Ist sie aber nicht möglich, geht das Verfahren weiter bis zu einer Entscheidung über die Verteilung[3] des Minderjährigen auf ein Jugendamt in Deutschland.

[2] Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen v. 21.7.2017 (BGBl. I S. 2429).

2 Durchführung

Das Jugendamt hat die Pflicht, die vorläufige Inobhutnahme durchzuführen. Der Minderjährige hat darauf einen Rechtsanspruch.

Das Jugendamt kann freie Träger der Jugendhilfe an der Wahrnehmung der Aufgabe beteiligen; verantwortlich bleibt das Jugendamt.[1]

3 Betreuung durch das Jugendamt

Das Jugendamt hat den Unterhalt und die Krankenhilfe für den Minderjährigen sicherzustellen. Ferner hat das Jugendamt auf eine Familienzusammenführung hinzuwirken.

Schließlich muss das Jugendamt – nach einer Entscheidung über die Verteilung durch das Landesjugendamt – für eine "begleitete Übergabe" des Minderjährigen an das Jugendamt der endgültigen Inobhutnahme sorgen.

Da das Jugendamt alle Rechtshandlungen für das Kind vornehmen muss, hat es beim Familiengericht die Feststellung zu erwirken, dass die elterliche Sorge ruht[1] und daher ein Vormund/Pfleger[2] zu bestellen ist.

 
Hinweis

Veranlassung einer Vormundschaft/Pflegschaft

In § 42a Abs. 1 Satz 2 SGB VIII fehlt zwar ein Verweis auf die entsprechende Regelung zur Veranlassung der Vormundschaft/Pflegschaft während der vorläufigen Inobhutnahme (hier: § 42 Abs. 3 Satz 4 SGB VIII). Aus § 88a Abs. 4 Nr. 1 SGB VIII folgt aber, dass schon während der vorläufigen Inobhutnahme Vormundschaft/Pflegschaft zu veranlassen ist.

Die Vormundschaft/Pflegschaft während der vorläufigen Inobhutnahme muss unverzüglich veranlasst werden, d. h. regelmäßig innerhalb von 3 Tagen (nicht Werktagen).[3] Das Familiengericht kann das Jugendamt als Amtspfleger/Amtsvormund[4] bestellen.

4 Einschätzungsverfahren

Das Jugendamt muss mit einem Einschätzungsverfahren prüfen, ob es den Minderjährigen zur Verteilung anmeldet oder ob es die Verteilung ausschließt. Die Verteilung ist ausgeschlossen, wenn im Gesetz genannte Gründe dafür vorliegen. Konkret handelt es sich um die in § 42a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 SGB VIII genannten Gründe. Die in § 42b Abs. 4 SGB VIII genannten Gründe gelten nur für das Verteilungsverfahren nach § 42b SGB VIII.

4.1 Ausschluss der Verteilung

Ein Grund für den Ausschluss der Verteilung kann die Möglichkeit einer Familienzusammenführung oder das Zusammenleben mit Geschwistern oder Freunden sein. Ein anderer, dass der Gesundheitszustand (z. B. eine Traumatisierung) nach ärztlicher Feststellung die Verteilung in den nächsten 14 Werktagen[1] verbietet. Ganz allgemein darf das Wohl des Kindes durch eine Verteilung nicht gefährdet sein.[2] Dabei ist dieser unbestimmte Rechtsbegriff wie bei Wahrnehmung des Schutzauftrags auszulegen. Ermessen besteht nicht. Es muss also eine tiefgehende und nachhaltige Störung der leiblichen, seelischen oder geistigen Entwicklung des Kindes durch die Verteilung wahrscheinlich sein. Im Einschätzungsverfahren muss das Jugendamt den Minderjährigen beteiligen.[3] Dies ergibt sich aber schon aus § 8 Abs. 1 SGB VIII.

4.2 Abschluss

Nach Abschluss des Einschätzungsverfahrens muss das Jugendamt eine Entscheidung darüber treffen, ob es den Minderjährigen zur Verteilung anmeldet. Diese Entscheidung ist kein Verwaltungsakt, sondern lediglich eine die Verteilung vorbereitende Regelung (sog. schlichtes Handeln). Dies folgt auch daraus, dass eine Regelung über den Ausschl...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt SGB Office Professional . Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge