Entscheidungsstichwort (Thema)

Anpassung einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Verfassungsmäßigkeit. RWBestV 2015. Beitragssatzgesetz 2014

 

Leitsatz (amtlich)

1. Weder die einfachgesetzlichen Bestimmungen des SGB VI noch das Grundgesetz vermitteln eine konkrete vermögenswerte Rechtsposition, gerichtet auf jährliche Anpassung einer Rente in einer bestimmten Höhe.

2. Die Verfassungswidrigkeit einer Rentenanpassung lässt sich nicht feststellen, wenn und solange Rentenbezieher hierdurch nicht von der realen Lohn- und Gehaltsentwicklung der Beschäftigten abgekoppelt werden oder die bereits zugestandene Rente in ihrer Substanz entwertet wird. Dies ist bei der Rentenanpassung zum 1.7.2015, die in den alten Bundesländern 2,1 Prozent betrug, während die Inflationsrate in diesem Jahr bei 1,0 % lag, nicht der Fall.

 

Orientierungssatz

1. Es unterliegt keinen rechtlichen Bedenken, wenn der Bundestag die auf die Exekutive übertragene Rechtsetzungsbefugnis (§ 160 SGB 6) durch Ausübung der eigenen Zuständigkeit (Gesetzgebungskompetenz aus Art 74 Abs 1 Nr 12 GG für die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung) wieder an sich zieht und die Beitragsfestsetzung durch Gesetz vornimmt.

2. Zur Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes zur Festsetzung der Beitragssätze in der gesetzlichen Rentenversicherung für das Jahr 2014 (Beitragssatzgesetz 2014; juris: BSG 2014) vom 26.3.2014 (BGBl I 2014, 260).

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 29. März 2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Höhe der Rentenanpassung zum 01.07.2015.

Der 1949 geborene Kläger bezieht seit 01.03.2009 von der Beklagten eine mit Bescheid vom 13.05.2009 bewilligte Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit. Diese wurde zuletzt mit Rentenbescheid vom 24.04.2014 unter Berücksichtigung weiterer Beitragszeiten mit Wirkung ab 01.03.2009 neu festgestellt. Der Berechnung des Monatsbetrages des Rechts auf Rente lagen dabei 53,6564 Entgeltpunkte zugrunde.

Mit einem undatierten Schreiben teilte die Beklagte dem Kläger im Juli 2015 in einer Rentenanpassungsmitteilung mit, dass sich die Rente zum 01.07.2015 von 1.534,69 € (brutto) auf 1.566,87 € (brutto) erhöht. Nach Abzug eines Beitrages zur Krankenversicherung, des Zusatzbeitrages zur Krankenversicherung sowie des Beitrages zur Pflegeversicherung würden ab 01.07.2015 1.409,40 € gezahlt (bisher 1.380,45 €).

Die Rentenanpassungsmitteilung ging dem Kläger am 15.07.2015 zu. Mit seinem am 20.07.2015 bei der Beklagten eingegangenen Widerspruch machte er geltend, er halte die dem Bescheid zugrundeliegenden Vorschriften (§§ 68 i. V. m. § 158 SGB VI) für verfassungswidrig. Nach der bis zum 01.01.2014 geltenden Rechtslage hätte der Beitragssatz zur allgemeinen Rentenversicherung von 18,9 % auf 18,3 % gesenkt werden müssen. Dies sei unterblieben, weil der Deutsche Bundestag am 20.02.2014 rückwirkend beschlossen habe, den Beitragssatz unverändert bei 18,9 % zu belassen, um mit dem nicht abgesenkten Beitragssatz die „Mütterrente“ zu finanzieren. Eine rückwirkende Gesetzesänderung halte er für verfassungswidrig und begehre daher eine Rentenerhöhung, die sich aus der Beitragssenkung von 18,9 % auf 18,3 % für den Zeitraum 01.01.2014 bis 20.02.2014 errechne. Auch der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages habe verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Vorgehensweise angemeldet. Zum gleichen Ergebnis komme auch ein Gutachten der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Ferner sei die Rentenerhöhung zum 01.07.2015 um ca. 1 Prozentpunkt geringer ausgefallen, weil durch eine Revision der Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit das Durchschnittsentgelt 2014 herabgesetzt worden sei. Er begehre daher auch eine Rentenerhöhung, die sich aus einer Berechnung des Durchschnittsentgelts 2014 nach der entsprechenden Systematik des Jahres 2013 berechne.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.01.2016 wies die Beklagte den Widerspruch unter Hinweis auf die Bindung an Recht und Gesetz zurück. In diesem Schreiben erläuterte die Beklagte, dass der aktuelle Rentenwert seit 01.07.2015 29,21 €, der aktuelle Rentenwert (Ost) 27,05 € betrage. Die Bestimmung des aktuellen Rentenwerts beziehungsweise des aktuellen Rentenwerts (Ost) berücksichtige die Veränderung der Bruttolöhne und Bruttogehälter je Arbeitnehmer im Jahr 2014 gegenüber dem Jahr 2013 um 2,08 % in den alten Bundesländern beziehungsweise um 2,50 % in den neuen Bundesländern, wobei die Entwicklung der Einnahmen der gesetzlichen Rentenversicherung vom Jahr 2012 zum Jahr 2013 berücksichtigt werde, ferner den unveränderten durchschnittlichen Beitragssatz in der allgemeinen Rentenversicherung des Jahres 2014 gegenüber 2013 in Höhe von 18,9 %, die unveränderten Aufwendungen für eine geförderte private Altersvorsorge (Altersvorsorgeanteil) in Höhe von 4 vom Hundert und den Nachhalt...

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