Rz. 20

Abs. 3 ergänzt die Regelungen über die Betreuungspflichten der Leistungsträger nach den §§ 13 bis 15. Durch eine Antragstellung nimmt der Bürger sein Recht wahr, eine Sozialleistung in Anspruch zu nehmen. In aller Regel setzt er dadurch ein Verwaltungsverfahren in Gang, an dessen Ende die Bewilligung oder Ablehnung der begehrten Sozialleistung steht, je nachdem, ob die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind oder nicht (Ausnahme Formverstoß bei der Antragstellung). Für den zuständigen Leistungsträger ist es ein Qualitätsmerkmal, in welcher Zeit er über einen gestellten Antrag abschließend entschieden hat. Bei den diesbezüglichen Kennziffern wird häufig nach der Bearbeitungszeit für entscheidungsreif vorliegende Anträge und anderen Anträgen unterschieden. In jedem Fall ist der Leistungsträger verpflichtet, den Bürger bei der Realisierung seines Anspruches zu unterstützen. Bei gestellten, aber nicht weiter verfolgten Anträgen obliegt es dem Träger, auf klare, sachdienliche und vollständige Anträge hinzuwirken, z. B. auch durch Nutzung der Mitwirkungspflicht des Antragstellers.

 

Rz. 21

Aus Abs. 3 ergibt sich in diesem Sinne eine Verpflichtung des Leistungsträgers, Vordrucke vorzusehen, die der Bürger für die Antragsteller nutzen kann. Im Regelfall ist der Antragsteller auch gehalten, ausgegebene Vordrucke zu benutzen (vgl. § 60 Abs. 2). Mit Vordrucken kann der Leistungsträger seiner Pflicht aus Abs. 3 besonders einfach und zugleich effektiv nachkommen. Der Vorteil von Vordrucken liegt darin, dass alle erforderlichen Angaben vorgesehen werden können, nach begehrten (Teil-)Leistungen klar unterschieden werden kann und auf notwendige Belege hingewiesen wird. Anträge auf verschiedene, sachlich zusammenhängende Leistungen können auf einem Vordruck zusammengefasst beantragt werden, das trägt zur Entbürokratisierung bei. Dadurch werden im Grundsatz klare und sachdienliche Anträge gestellt. Gibt der Leistungsträger Vordrucke aus, sorgt er auch dafür, dass die Anträge unverzüglich gestellt werden können. Das Risiko, dass durch Nutzung eines Vordruckes das Ziel des Antragstellers, bestimmte Leistungen zu erhalten, verdeckt wird, bleibt. Dieses Risiko kann nur durch eine eingehende Beratung verringert werden.

 

Rz. 22

Problematisch an Vordrucken ist ihre Unübersichtlichkeit und Unverständlichkeit. Diese Mängel werden durch Ausfüllhinweise nur bedingt ausgeglichen. Allerdings erlaubt die zunehmende Digitalisierung, dass Leistungsträger online-Antragstellungen ermöglichen. Hierbei kann eine am Bedarf des Antragstellers ausgerichtete, einblendbare Erklärung und Hilfestellung im Workflow für den Antragsteller quasi ohne Begrenzungen der verfügbaren Anzahl von Zeichen zur Verfügung gestellt werden. Die Komplexität des Sozialrechts bedingt zum Teil umfangreiche Vordrucke und eine Vielzahl von Fachbegriffen. Der Leistungsträger sucht sich durch rechtlich einwandfreie Formulierungen und Hinweise vor Amtshaftungsansprüchen zu schützen. Deshalb kommt im Rahmen des Abs. 3 der sog. Antragsannahmestelle entscheidende Bedeutung zu. Diese Stelle ist verpflichtet, den Antragsteller durch Erläuterungen und der Sachverhaltsaufklärung dienliche Fragen zu unterstützen. Ziel ist es, entscheidungsreife Anträge entgegenzunehmen. Ist dies nicht möglich, sollen Anträge jedoch soweit ausgefüllt und belegt sein, dass eine vorläufige Entscheidung in Betracht kommt oder ein Vorschuss gezahlt werden kann (vgl. § 42). Hierfür bestehen zum Teil auch spezialgesetzliche Regelungen (vgl. z. B. § 41a SGB II, § 328 SGB III). Bei Online-Anträgen darf der Antragsteller nicht an einer Antragstellung gehindert werden, auch wenn er bei der Führung durch den elektronischen Antrag Fragen nicht beantworten, Angaben nicht machen oder Belege nicht hochladen kann.

 

Rz. 22a

Ein vollständiger Leistungsantrag liegt vor, wenn der zuständige Leistungsträger durch ihn in die Lage versetzt wird, den geltend gemachten Anspruch nach Grund und Höhe zu überprüfen, d. h. die von Amts wegen durchzuführende Ermittlung des Sachverhaltes zügig aufzunehmen, die ggf. noch erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zu treffen und die begehrte Leistung zu bewilligen (BSG, Urteil v. 26.4.2007, B 4 R 21/06 R). Die Begrifflichkeit des vollständigen Antrages hat z. B. Bedeutung für den Beginn der Verzinsung nach § 44. Sind Antragsvordrucke ausgegeben, liegt ein vollständiger Antrag spätestens vor, wenn der Vordruck vollständig ausgefüllt mit den als beizubringen bezeichneten Unterlagen eingereicht worden sind.

 

Rz. 22b

Abs. 3 richtet sich einseitig an die Leistungsträger. Verpflichtungen für den Antragsteller enthält die Regelung nicht. Antragsteller unterliegen jedoch den Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 ff. Das bezieht sich sowohl auf die Fallgestaltung eingeführter Vordrucke wie auch auf Leistungsverfahren ohne diese Hilfen. Die Leistungsträger sind jedoch verpflichtet, Anträge so auszulegen, dass zugunsten des Antragstellers die Leistungsmöglichkeiten vollständig ausgeschöpft werden.

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