Rz. 14

Abs. 2 enthält eine Weiterleitungsverpflichtung unabhängig davon, ob die begehrte Leistung von einem Antrag abhängig ist. Hinsichtlich möglicher Beratungspflichten des Leistungsträgers im Zusammenhang mit der Antragstellung vgl. die Komm. zu § 14. Der Arbeitslose muss von Amts wegen auf Gestaltungsmöglichkeiten für die Inanspruchnahme höherer Leistungen nur hingewiesen werden, wenn sie sich bei der Prüfung des Antrages derart aufdrängen, dass sie ein verständiger Antragsteller vermutlich nutzen würde (BSG, Urteil v. 17.4.1986, 7 RAr 81/84).

 

Rz. 15

Die nach Abs. 1 Satz 2 trotz fehlender Zuständigkeit entgegengenommenen Anträge sind unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten. Der nicht zuständige Leistungsträger darf den Antrag also nicht (aus diesem Grunde) ablehnen. Das bedeutet zunächst, dass der unzuständige Leistungsträger den zuständigen Leistungsträger feststellen muss. Hierbei darf er sich nicht auf fehlende Sachkenntnis berufen, er muss ggf. die erforderlichen Ermittlungen anstellen. Da die Weiterleitung des Antrages unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern zu erfolgen hat, muss auch die Ermittlung des zuständigen Leistungsträgers bereits unverzüglich vorgenommen werden. Irrt sich die weiterleitende Stelle in der Zuständigkeit, bedarf es ggf. mehrerer Weiterleitungen. Unter Berücksichtigung der Aufbau- und Ablauforganisation beim unzuständigen Leistungsträger ist mit Unverzüglichkeit jeweils eine unterschiedliche Frist eingeräumt. In einer Gesamtschau dürfte allerdings feststehen, dass ein Antrag nicht mehr unverzüglich weitergeleitet wurde, wenn dies nicht binnen einer Arbeitswoche seit Eingang des Antrages geschehen ist. Maßgebend ist insofern der Zeitpunkt der Absendung an den zuständigen Träger. Pflichtverstöße des unzuständigen Leistungsträgers gegen das Weiterleitungsgebot können Ansprüche aus Amtshaftung oder auf sozialrechtliche Herstellung begründen (vgl. im Einzelnen die Komm. zu § 14). Als unzulässig ist jedenfalls eine Rückgabe des Antrages durch den unzuständigen Leistungsträger mit dem Hinweis zu betrachten, den vollständigen Antrag mit allen Belegen dem zuständigen Leistungsträger zu übermitteln. Selbst in begründeten Fällen muss die rechtswirksame Antragstellung auf dem Dokument vermerkt werden.

 

Rz. 16

Abs. 2 Satz 2 fingiert eine Antragstellung zu dem Zeitpunkt, zu dem der Antrag beim nicht zuständigen Leistungsträger gestellt wurde (fristwahrende Funktion). Insoweit ist es nicht erheblich, ob der unzuständige Leistungsträger seiner Pflicht zur unverzüglichen Weiterleitung nachgekommen ist oder nicht. Aus Abs. 1 Satz 2 kann dem Antragsteller kein Nachteil erwachsen, gleich, welche Bedeutung dem Antrag zukommt (z. B. Fristwahrung, Anspruchsvoraussetzung). Verzögerungen bei der Weiterleitung von Anträgen beeinträchtigen jedoch ggf. die Sicherung des Lebensunterhaltes des Antragstellers und seiner Familie.

 

Rz. 17

Stellt ein Arbeitnehmer einen Antrag zwar rechtzeitig, jedoch bei abgetretenem Anspruch ohne Vollmacht des Abtretungsempfängers, ist der Antrag nicht rechtzeitig gestellt, wenn der Abtretungsempfänger den Antrag erst nach Fristablauf genehmigt (BSG, Urteil v. 23.10.1984, 10 RAr 6/83).

 

Rz. 17a

Zum Fall der wiederholten Antragstellung mit Rückwirkung von bis zu einem Jahr vgl. § 28 SGB X (vgl. hier Rz. 23 ff.).

 

Rz. 18

Abs. 2 gilt über den unmittelbaren Wortlaut hinaus auch für das von Amts wegen einzuleitende Verfahren der gesetzlichen Unfallversicherung (BSG, Urteil v. 8.10.1998, B 8 KN 1/97 U R).

 

Rz. 19

Abs. 2 Satz 2 stellt klar, dass es nicht darauf ankommt, wann der Antragsteller den Antrag ausgefüllt oder abgeschickt hat, sondern nur auf den Eingang beim unzuständigen Leistungsträger. Die angeordnete Rückwirkung kann nicht weiter verlängert werden, z. B. bei Eingang an einem Montag.

 

Rz. 19a

Ein Leistungsträger, der die Antragsunterlagen an einen anderen nachrangig zuständigen Leistungsträger zurückgibt, wird dadurch nicht aus der Verantwortung innerhalb des Systems der Rehabilitationsträger entlassen (BSG, Urteil v. 28.11.2007, B 11a AL 29/06 R).

Nimmt ein Rehabilitationsträger einen Antrag für einen anderen Rehabilitationsträger auf (z. B. auf dessen Antragsvordrucken), ist er nicht erstangegangener Rehabilitationsträger. Die Stellung des Antrags "über die Krankenkasse" an den Rentenversicherungsträger ist daher als Antrag bei diesem zu verstehen (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 23.3.2023, L 10 R 2502/22).

 

Rz. 19b

Ein Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II gilt nicht nach Abs. 2 Satz 2 als zu dem Zeitpunkt gestellt, zu dem der Antrag auf Arbeitslosengeld nach dem SGB III bei der Agentur für Arbeit eingegangen ist (BSG, Urteil v. 2.4.2014, B 4 AS 29/13 R). Die Leistungen betreffen nicht mehr denselben Leistungsträger (anders als vor 2005), ein Arbeitsmarktbezug des SGB II allein führt zu keinem anderen Ergebnis. Eine Berufung auf den Meistbegünstigungsgrundsatz kann allenfalls dann angenommen werden, wenn der Antragstel...

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