Beteiligte

Kläger und Revisionskläger

Beklagte und Revisionsbeklagte

 

Tatbestand

I.

Der Kläger begehrt höheres Arbeitslosengeld (Alg).

Er war vom 1. August 1978 bis zum 28. Juli 1981 in einem Ausbildungsverhältnis mit dem Berufsziel Maurer. Die Ausbildungsvergütung betrug im letzten Lohnabrechnungszeitraum 1.249,28 DM brutto. Am 31. Juli 1981 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte die Zahlung von Alg. Vom 4. August bis zum 30. September 1981 war er als Maurer bei der Firma H… GmbH tätig. Im September 1981 erzielte er ein Bruttoentgelt von 2.218,65 DM. Am 30. September 1961 meldete sich der Kläger erneut arbeitslos und beantragte die Wiederbewilligung von Alg. Mit Bescheid vom 16. November 1981 bewilligte ihm die Beklagte Alg nach einem gerundeten wöchentlichen Arbeitsentgelt von 385,00 DM (Leistungssatz: 184,20 DM wöchentlich) für die Zeit vom 31. Juli bis 3. August 1981. Hierbei legte sie 75% des Lohnes nach Berufsgruppe IV.1 des Bezirkslohntarifvertrages für das Bauhauptgewerbe Schleswig-Holstein zugrunde. Mit Bescheid vom 24. November 1981 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 1. Oktober 1981 Alg in der gleichen Höhe. Die gegen beide Bescheide erhobenen Widersprüche, mit denen der Kläger höheres Alg unter Berücksichtigung eines zuletzt bei der Firma H… GmbH erzielten Arbeitsentgelts begehrte, blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheide vom 24. Februar 1982).

Während des Klageverfahrens hat der Kläger mit dem an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 5. November 1982 den am 31. Juli 1981 gestellten Antrag auf Alg zurückgenommen und sich verpflichtet, das ihm für die Zeit vom 31. Juli bis 3. August 1981 bewilligte Alg zurückzuzahlen. Weiterhin hat er vor dem Sozialgericht (SG) erklärt, daß er den Bescheid vom 16. November 1981 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 1982 nicht mehr anfechte. Mit Bescheid vom 8. Dezember 1982 erklärte die Beklagte, dem Antrag vom 5. November 1982 könne nicht entsprochen werden. Ein Verzicht auf Sozialleistungen sei unwirksam, wenn dadurch der Leistungsträger belastet werde.

Das SG hat die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 24. November 1981 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 1982 sowie des Bescheides vom 8. Dezember 1982 verurteilt, das Alg des Klägers ab 1. Oktober 1981 unter Berücksichtigung des bei der Firma H… GmbH erzielten Entgelts neu zu berechnen. Es hat die Berufung zugelassen (Urteil vom 14. Februar 1983).

Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 6. April 1984 das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt: Die Höhe des Alg richte sich gemäß § 104 Arbeits-förderungsgesetz (AFG) nicht nach dem Eintritt der Arbeitslosigkeit am 1. Oktober 1981, sondern nach dem am 31. Juli 1981. Gemäß § 104 AFG falle die Rahmenfrist, ausgehend von der Arbeitslosmeldung und Antragstellung des Klägers am 31. Juli1981, in die Zeit vom 31. Juli 1978 bis zum 30. Juli 1981. In dieser Zeit habe der Kläger mehr als 180 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden. Die vom 4. August bis 30. September 1981 ausgeübte Beschäftigung finde keine Berücksichtigung, da diese Tätigkeit keine 180 Kalendertage umfaßt habe und demnach keine neue Anwartschaftszeit gemäß § 104 Abs. 1 AFG begründe. Mithin sei kein neuer Leistungsfall eingetreten, vielmehr sei die frühere Leistung wieder aufgelebt. Dabei habe die Beklagte zu Recht, weil der Kläger sich in einer Beschäftigung zur Berufsausbildung befunden und die Abschlußprüfung bestanden habe, über § 112 Abs. 5 Nr. 2 AFG 75 vH des Arbeitsentgelts nach § 112 Abs. 7 AFG zugrunde gelegt.

Die Berechnung des Alg für die Zeit ab 1. Oktober 1981 sei auch nicht dadurch unrichtig geworden, daß der Kläger seinen Antrag auf Alg vom 31. Juli 1981 zurückgenommen und sich zur Rückzahlung des auf Grund dieses Antrages ausgezahlten Alg verpflichtet habe. Zwar könne ein Antrag auf Alg, der rechtlich gesehen eine Willenserklärung darstelle, zurückgenommen werden. Soweit der Sozialleistungs-träger bereits über den Antrag entschieden und Sozialleistungen gewährt habe, komme jedoch eine Rückabwicklung auf Grund einer Antragsrücknahme nicht mehr in Betracht.

Der Kläger rügt mit der Revision eine Verletzung der §§ 100, 111, 112 AFG, § 14 i.V.m. §§ 16 Abs. 3, 2 Abs. 2 sowie von § 46 Sozialge-setzbuch Erstes Buch (SGB 1). Er macht geltend, daß das LSG seinen Antrag vom 30. September 1981 zu Unrecht als Antrag auf Wiederbewilligung beurteilt habe. Die Beklagte sei gemäß §§ 14, 16 Abs. 3, 2 Abs. 2 SGB 1 verpflichtet gewesen, ihn bei seiner Arbeits-losmeldung am 30. September 1981 zu beraten und eine Bemessung des Alg nach dem bei der Firma H… GmbH erzielten Arbeitsentgelt sicherzustellen. Zum Zeitpunkt der erneuten Arbeitslosmeldung habe er die Leistungshöhe des Alg-Anspruchs für den Zeitraum vom 31. Juli bis 3. August 1981 nicht gekannt, da eine Entscheidung über diesen Leistungsanspruch noch ausgestanden habe. Solange über einen Leistungsantrag noch nicht bindend entschieden sei, könne er - da der Antrag eine Willenserklärung sei - jederzeit zurückgenommen werden. Eine dahingehende Beratung habe die Beklagte pflichtwidrig unterlassen. Diese Beratung dürfe auch nicht deshalb unterbleiben, weil dies zu einer höheren finanziellen Belastung des Versicherungsträgers führen könne. Das LSG habe diese Verletzung von Beratungs-pflichten erkennen und berücksichtigen müssen. Die Erklärung des Klägers vom 5. November 1982 über die Rücknahme des Antrages vom 31. Juli 1981 sei vor Eintritt der Bindungswirkung des Bescheides erfolgt und stelle keinen Verzicht i.S. des § 46 SGB 1 dar. Insoweit gehe das LSG von einer fehlerhaften rechtlichen Beurteilung der Erklärung aus.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts vom 6. April 1984 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 14. Februar 1983 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend und führt ergänzend aus: Die Beratungspflicht des Leistungsträgers umfasse nicht die Verpflichtung, den Versicherten auf alle aus der Gesetzeslage zu ziehenden Vorteile aufmerksam zu machen, sofern diese Möglichkeiten nur im konkreten Falle evident seien. Sinn der Beratungspflicht sei es, den Leistungsberechtigten in der Erlangung der ihm vom Gesetz zugedachten Rechte beizustehen. Sie finde dort ihre Grenze, wo Rechtsvorschriften umgangen würden. Der Leistungsträger dürfe weder Hinweise auf die Möglichkeit eines Rechtsmißbrauches erteilen noch den Antragsteller ermuntern, Gesetzeslücken zu nützen. Der Gesetzgeber erwarte ein derartiges Verhalten vom mündigen Bürger gerade nicht. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Beratung, die die Vermeidung von Rechtsfolgen bezwecke, die der Gesetzgeber im Wege einer Gesetzesänderung vorgesehen habe. Nachdem ursprünglich bei Personen mit bestandener Abschlußprüfung für die Zeit der Beschäftigung zur Berufsausbildung das künftig erzielbare Entgelt als Bemessung zugrunde zu legen gewesen sei (§ 112 Abs. 5 Nr. 2 AFG in der bis zum 31. Dezember 1977 geltenden Fassung), habe der Gesetzgeber mit Wirkung vom 1. Januar 1978 den Sachverhalt dahingehend geregelt, daß nur noch das um 25 vH geminderte erzielbare Arbeitsentgelt die Bemessungsgrundlage bilde. Gesetzeszweck sei die Beseitigung des die Vermittlung möglicherweise behindernden Mißverhältnisses zwischen bisheriger Ausbildungsvergütung und der Höhe des Alg gewesen (vgl. BT-Drucks 8/857 zu Art. 1 Nr. 6a). Die Beklagte habe deshalb den Kläger nicht beraten können, wie er den Rechtsfolgen des ersten Leistungsantrages ausweichen könne. Anderenfalls sei das mit der Gesetzesänderung angestrebte Ziel in zahlreichen Fällen nicht erreichbar. Im übrigen fehle es an tatrichterlichen Feststellungen bezüglich der Voraussetzungen eines Herstellungsanspruches.

Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Zurückverweisung an das Landessozialgericht begründet.

Gegenstand des Verfahrens sind der Bescheid vom 24. November 1981 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 1982 sowie der Bescheid vom 8. Dezember 1982. Letzterer ist ein Verwaltungsakt i.S. von § 31 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Verwaltungs-verfahren - (SGB 10). Die Beklagte hat auf Grund der Erklärung des Klägers vom 5. November 1982 eine erneute Entscheidung über den von ihm geltend gemachten Anspruch auf höheres Alg ab 1. Oktober 1981 getroffen. Es handelt sich hierbei um die Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts. Sie betrifft einen konkreten Lebenssachverhalt, hier die Auswirkung der Erklärung des Klägers. Bei objektiver Betrachtung stellt sich das Handeln der Beklagten für den Empfänger als eine von ihr gewollte Regelung dar, die ihm gegenüber unmittelbare Rechtswirkung, d.h. Außenwirkung, haben soll.

Der Bescheid vom 8. Dezember 1982 ist, wovon die Vorinstanzen stillschweigend ausgegangen sind, entsprechend § 96 SGG Gegen-stand des Verfahrens geworden. Eine unmittelbare Anwendung dieser Vorschrift scheidet hier aus. Der Bescheid vom 8. Dezember 1982 ersetzt weder den ursprünglich angefochtenen Bescheid vom 24. November 1981 noch ändert er ihn ab. Er trifft zwar auf Grund eines neuen Sachverhalts eine neue sachliche Regelung. Diese stimmt jedoch im Verfügungssatz mit der bisherigen überein. Da der neue Verwaltungsakt jedoch geeignet ist, den Streitstoff des bisher anhängigen Verfahrens zu beeinflussen und es Gründe der Prozeßökono-mie rechtfertigen, den neuen Verwaltungsakt in das Verfahren einzubeziehen, ist es nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts -BSG- (vgl. SozR 1500 § 96 Nr. 13 m.w.N.) geboten, § 96 Abs. 1 SGG im vorliegenden Falle entsprechend anzuwenden. Die Erklärung des Klägers vom 5. November 1982 ist, wie noch aufgezeigt werden wird, geeignet, den Prozeßstoff des bereits anhängigen Verfahrens zu beeinflussen. Mit der Rücknahme des Alg-Antrages vom 31. Juli 1982 könnte er überhaupt erst die Voraussetzungen für die von ihm begehrte höhere Leistung für die Zeit ab 1. Oktober 1981 schaffen. Es ist daher prozeßwirtschaftlich, in demselben Prozeß über die Rechtmäßigkeit der ursprünglich angefochtenen Bescheide und des Bescheides vom 8. Dezember 1982 zu befinden.

Ob die angefochtenen Bescheide rechtmäßig sind, läßt sich auf Grund der tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden. Dem könnte entgegenstehen, daß der Kläger so zu stellen ist, als ob er seinen Antrag auf Alg für die Zeit vom 31. Juli bis 3. August 1981 rechtswirksam zurückgenommen hat. Sollte dies nicht der Fall sein, ist das LSG zu Recht davon ausgegangen, daß für die Bemessung des Alg auch für die Zeit ab 1. Oktober 1981 das Arbeitsentgelt maßgeblich ist, nach dem das Alg für die Zeit vom 31. Juli bis 3. August 1981 berechnet worden ist.

Nach § 112 Abs. 2 Satz 1 AFG in der bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Konsolidierung der Arbeitsförderung vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1417) geltenden Fassung bestimmt sich das für die Berechnung des Alg maßgebliche Arbeitsentgelt i.S. des § 111 Abs. 1 AFG nach dem im Bemessungszeitraum in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzielten Arbeitsentgelt, vervielfacht mit der Zahl der Arbeits-stunden, die sich als Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der Beschäftigungsverhältnisse im Bemessungs-zeitraum ergibt. Bemessungszeitraum sind nach § 112 Abs. 3 AFG die letzten, am Tage des Ausscheidens des Arbeitnehmers aus dem Beschäftigungsverhältnis abgerechneten, insgesamt 20 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt umfassenden Lohnabrechnungszeiträume der letzten die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung vor der Entstehung des Anspruchs (vgl. zum Begriff des Bemessungszeitrau-mes BSG SozR 4100 § 112 Nr. 13).

Diese Vorschrift bedeutet, daß der Bemessung des Alg nur Entgelte aus solchen Beschäftigungen zugrunde gelegt werden dürfen, durch die die Anwartschaftszeit i.S. von § 104 AFG erfüllt wird, weil nur dann ein Anspruch i.S. von § 112 Abs. 3 AFG zur Entstehung gelangt sein kann (BSG, Urteil vom 4. September 1979 - 7 RAr 58/78 -). Das hat zur Folge, daß nach Eintritt einer Arbeitslosigkeit, die den Anspruch auf Alg auslöste, ein neuer Anspruch auf Alg erst nach einer (weiteren) die Anwartschaft i.S. von § 104 AFG erfüllenden, entsprechend langen beitragspflichtigen Beschäftigung entstehen kann. Zwischenbeschäftigungen geringeren Umfanges lösen keinen neuen Alg-Anspruch aus (BSG SozR 4100 § 112 Nr. 17).

Nach der Zwischenbeschäftigung des Klägers vom 4. August bis zum 30. September 1981 ist mit der Arbeitslosmeldung am 30. September 1981 ein neuer Leistungsfall eingetreten (BSG 44, 164, 173 = SozR 4100 § 134 Nr. 3). Ein neuer Anspruch auf Alg ist nicht entstanden, da durch diese Beschäftigung keine neue Anwartschaft begründet wurde. Nach § 104 Abs. 3 AFG reicht die - grundsätzlich drei Jahre - betragende Rahmenfrist nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist, in der der Arbeitslose eine Anwartschaftszeit erfüllt hatte, hinein. Wie das LSG zutreffend festgestellt hat, fiel die Rahmenfrist dieses Anspruches in die Zeit vom 31. Juli 1978 bis zum 30. Juli 1981. Infolgedessen umfaßt die nach § 104 Abs. 2 AFG insoweit maßgebliche Rahmenfrist des durch die erneute Arbeitslosmeldung am 30. September 1981 eingetretenen Leistungsfalles nur einen Zeitraum von weniger als zwei Monaten, nämlich vom 4. August bis 30. September 1961. In diesem Zeitraum war die Ausübung einer beitragspflichtigen Beschäftigung von 180 Kalendertagen nicht möglich, was für die Erfüllung einer neuen Anwartschaftszeit gemäß § 104 Abs. 1 AFG erforderlich wäre. Der Kläger kann daher auch ab 1. Oktober 1981 das Alg nur auf Grund der alten Anwartschaft beanspruchen. Es handelt sich hierbei um den Rest des bereits am 31. Juli 1981 entstandenen Alg-Anspruches. Dieser war in gleicher Höhe wie jener zu zahlen, was seitens der Beklagten unter Beachtung der (§§ 112 Abs. 5 Nr. 2, 112 Abs. 7 AFG (Bemessung für die Zeit einer Beschäftigung zur Berufsausbildung, wenn der Arbeitslose die Abschluß-prüfung bestanden hat) geschehen ist. Daß das Alg im übrigen richtig berechnet worden ist, hat das LSG unangegriffen festgestellt. Die Alg-Bewilligung durch Bescheid vom 16. November 1981 ist auch nicht durch die vom Kläger mit Schreiben vom 5. November 1982 erklärte Antragsrücknahme unwirksam geworden. Das LSG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, daß eine Antragsrücknahme nach der Entscheidung der Beklagten über den Antrag unzulässig ist.

Der Antrag auf Alg hat zunächst verfahrensrechtliche Wirkung. Mit dem Eingang des Antrages bei der Verwaltungsbehörde entsteht ein Verwaltungsverfahrensrechtsverhältnis. Die Behörde wird dadurch verpflichtet, ein Verwaltungsverfahren einzuleiten. Außerdem ist die Antragstellung gem. § 100 Abs. 1 AFG eine materiell-rechtliche Voraussetzung für den Anspruch auf Alg (Urteil des BSG von 19. März 1986 - 7 RAr 48/84 -, BSGE 42, 199, 202 = SozR 4100 § 151 Nr. 5). Insoweit kommt dem Antrag auf Alg Doppelcharakter zu. Anträge auf Alg wie auch auf andere Sozialleistungen sind empfangsbedürftige öffentlich-rechtliche Willenserklärungen. Das SGB selbst enthält keine Regelung über das Wirksamwerden von Willenserklärungen im Bereich des öffentlichen Rechts. Der § 16 Abs. 2 Satz 2 SGB 1 fingiert nur die Einhaltung einer Frist (Grüner/Dalichau, Kommentar zum SGB 1, § 16 Anm. V; Hauck/Haines, Kommentar zum SGB 1 § 16 Anm. 8; Schnapp im Bochumer Kommentar zum SGB 1, § 16 Anm. 10; zweifelnd Hadre, VSSR 1973, 183, 195). Mangels besonderer Vorschrif-ten sind für ihre rechtliche Behandlung die Vorschriften und allgemeinen Grundsätze des bürgerlichen Rechts entsprechend anwendbar (Urteil des BSG vom 25. Oktober 1976 - 12/3 RK 50/75 in SGb 1977, 500, 501). Das gilt für das Sozialrecht nur mit Modifikationen, die der Eigenart dieser Materie gerecht werden (Schnapp im Bochumer Kommentar zum SGB 1, § 16 Anm. 2; Bley, RVO-Gesamtkommen-tar, § 16 SGB 1, Anm. 2 ee; Grüner/Dalichau, Kommentar zum SGB 1, § 16 Anm. I). Nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), der auf amtsempfangsbedürftige Erklärungen gemäß § 130 Abs. 3 BGB Anwendung findet, wird eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht. Mit dem Zugang bei der Behörde hat der Antrag also rechtsgestaltende Wirkung. Daraus kann allerdings noch nicht der Schluß gezogen werden, daß der Kläger ab diesem Zeitpunkt an seine Erklärung gebunden war. Diese Rechtsfolge würde nur bei einer Anwendung von § 130 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 BGB eintreten. Danach ist eine Willenserklärung von dem Zeitpunkt an wirksam, in dem sie dem Erklärungsempfänger zugeht, es sei denn, daß ihm vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht. Nach dem wirksamen Zugang seines Antrages könnte der Antragsteller sich hiervon nur unter den Voraussetzungen der Anfechtung von Willenserklärungen bei Irrtum, Täuschung und Drohung (§§ 119 ff BGB) lossagen.

Eine analoge Anwendung der Widerrufsregelung des § 130 BGB wird jedoch nicht in allen Fällen den Besonderheiten des Sozialrechts, insbesondere des Rechts der Arbeitslosenversicherung gerecht. Im Unterschied zur Interessenlage bei zivilrechtlichen Geschäften ist im Sozialrecht eine konträre Interessenlage für das Verhältnis Bürger - Sozialleistungsträger nicht maßgebend. Vielmehr steht allein die Befriedigung von Interessen des Bürgers, soweit sie im Rahmen der geltenden Bestimmungen zu verwirklichen sind, im Vordergrund. Zwar besteht auch im Sozialrecht keine Gleichwertigkeit der Interessen. Die Verwaltung ist jedoch nur in seltenen Fällen einseitig auf das öffentliche Interesse festgelegt; selbst dann hat sie einen Interessenausgleich zu vollziehen. Dementsprechend gehört es zu den Amts-pflichten der Sozialleistungsträger, den Antragsteller bei der Verwirklichung seiner sozialen Rechte zu unterstützen (§ 2 Abs. 2 SGB 1). Die sich aus den §§ 13 bis 16 SGB 1 ergebende Betreuungspflicht hat unmittelbare Wirkung auf die Gestaltung von Rechtshandlungen, insbesondere soweit die Widerruflichkeit einer öffentlich-rechtlichen Willenserklärung betroffen ist. Aufgrund der verfahrensmäßigen Bindung der Verwaltungsentscheidungen besteht in der Regel kein schutzwürdiges Interesse des Sozialleistungsträgers am Bestand einer Entscheidung des Bürgers, ehe er die für die Regelung konstitutive oder deklaratorische Entscheidung getroffen hat (vgl. Hadre VSSR 1973, 183, 188, 194; Krause, JUS 1972, 425, 427 f). Bis zur Wirksamkeit der Verwaltungsentscheidung (§ 39 Abs. 1 SGB 10) bleibt die Willenserklärung des Bürgers bei mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakten ohne Außenwirkung. Sie ist lediglich ein Internum zwischen Verwaltung und Bürger und daher bis zu diesem Zeitpunkt generell frei widerrufbar (BSGE 9, 7, 12; 10, 257, 259; Urteil des BSG vom 26. November 1968 - 8 RV 515/67 -; BVerwG 30, 185, 187; Hadre VSSR 1973, 183, 195; Krause VerwArch1970, 297, 321). Von einer freien Widerrufbarkeit des Antrages auf Alg bis zur Wirksamkeit der Verwaltungsentscheidung ist deshalb auch im Recht der Arbeitslosenver-sicherung auszugeben (BSGE 9, 7, 12; Knigge/Ketelsen/Marsonall/Wittrock, Kommentar zum AFG, vor §§ 100 bis 133, Anm. 16; Schieckel, Kommentar zum AFG § 100 Anm. II 5; Gagel, Kommentar zum AFG § 100 Anm. 12; Hennig/Kühl/Heuer, Kommentar zum AFG, § 100 Anm. 6; aA Schönefelder/Kranz/Wanka, Kommentar zum AFG, § 128 RdNr. 8).

Die freie Widerrufbarkeit des Antrages bis zur Wirksamkeit der Verwaltungsentscheidung führt entgegen der Ansicht der Beklagten im vorliegenden Falle auch nicht zu einem Ergebnis, welches mit dem Sinn und Zweck der Neufassung des § 112 Abs. 5 Nr. 2 AFG durch das Vierte Gesetz zur Änderung des AFG (vom 12. Dezember 1977 -BGBl I 2557, 2558) unvereinbar ist. Nach der Neuregelung war für Personen mit bestandener Abschlußprüfung für die Zeit der Beschäftigung zur Berufsausbildung nicht mehr das künftig erzielbare Entgelt in voller Höhe der Bemessung des Alg zugrunde zulegen, sondern nur noch das um 25% geminderte (mindestens aber das Entgelt der Beschäftigung zur Berufsausbildung). Gesetzeszweck war die Abschaffung eines die Vermittlung in Arbeit möglicherweise behindernden Mißverhältnisses zwischen der bisherigen Ausbildungsvergütung und der Höhe des Alg (BT-Drucks 8/857 zu Art. 1 Nr. 6a). Dieser Hinde-rungsgrund ist aber nicht mehr vorhanden, wenn der Versicherte eine Beschäftigung aufgenommen hat, die dazu führte, daß das auf Grund dieser Beschäftigung erzielte Arbeitsentgelt gemäß § 112 AFG Bemessungsgrundlage für das Alg wird. Dabei ist es unerheblich, ob der Versicherte die Beschäftigung unmittelbar nach Beendigung seines Ausbildungsverhältnisses ausgeübt hat oder erst später. Die Arbeits-verwaltung leitet das Alg-Bewilligungsverfahren nur auf Antrag ein. Ohne eine Antragstellung ist sie nicht verpflichtet und auch nicht berechtigt, tätig zu werden (BSGE 8, 223, 225; BSGE 9, 7, 12). Soweit dem Antragsteller die autonome Gestaltung und Einwirkung auf öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnisse eingeräumt ist, verdient diese Autonomie Achtung. Dem Betroffenen muß es daher überlassen bleiben, ob er den Antrag stellt oder nicht. Er handelt nicht rechtsmißbräuchlich, wenn er durch Unterlassung des Antrages eine Feststel-lung hindert, die infolge ihrer Tatbestandswirkung in einem anderen Zusammenhang für ihn nachteilig sein würde. Ein Arbeitsloser, der zuvor in einer Beschäftigung zur Berufsausbildung gestanden hat, unterläuft daher nicht den Gesetzeszweck des § 112 Abs. 5 Nr. 2 AFG, wenn er eine Antragstellung unterläßt, um nach einer anschließenden Zwischenbeschäftigung und erneuter Arbeitslosigkeit erstmalig einen Antrag auf Alg zu stellen und hierdurch eine günstigere Bemessung des Alg zu erreichen. Gleiches gilt für den Fall, daß der Arbeitslose seinen Antrag auf Alg bis zur Verwaltungsentscheidung widerruft. Schützenswerte Belange der Versichertengemeinschaft sind in beiden Fällen nicht betroffen. Etwas anderes könnte gelten, wenn die Antragsrücknahme lediglich den Zweck verfolgt, die Rechte Dritter zu beeinträchtigen, wofür hier keine Anhaltspunkte bestehen.

Nach dem Wirksamwerden der Entscheidung über die Bewilligung des Alg ist allerdings eine Antragsrücknahme unzulässig, weil sonst der Versichertengemeinschaft unzumutbare Nachteile entstehen würden. Bezieher von Alg sind gemäß § 155 Abs. 1 AFG für den Fall der Krankheit versichert. Der Versicherungsschutz beginnt nach § 155 Abs. 2 AFG mit dem ersten Tage des Leistungsbezuges und, sofern Alg - ob zu Recht oder zu Unrecht - für zurückliegende Zeiten bewilligt wird, am ersten Tage des Bewilligungszeitraumes (BSG SozR 4100 § 159 Nr. 5). Bei einer Antragsrücknahme nach der Bewilligung des Alg könnte die Beklagte das dann rechtsgrundlos gewährte Alg zurückfordern. Eine Erstattung der Beiträge zur Krankenversicherung wäre hingegen ausgeschlossen (BSGE 46, 20, 33 = SozR 4100 § 117 Nr. 2). Dieser Umstand steht einer Rückabwicklung des Versicherungsverhältnisses entgegen. Im Gegensatz zur Ansicht des LSG ist daher eine Antragsrücknahme nicht erst nach Auszahlung der Leistung ausgeschlossen. Das ist hier jedoch unerheblich. Der Kläger hat seinen Antrag erst mit Schreiben vom 5. November 1982 zurückgenommen, also auf jeden Fall erst nach dem Wirksamwerden des Bescheides vom 16. November 1981 und nach der Auszahlung des Alg.

Die Rücknahme eines Alg-Antrages bis zur Bestandskraft der Entscheidung ist aus den o.a. Gründen ausgeschlossen. Zu Unrecht beruft sich der Kläger darauf, daß eine entsprechende Möglichkeit in der Literatur zum AFG bejaht werde. Die zitierten Autoren stellen ausdrük-klich auf den Erlaß der Verwaltungsentscheidung und nicht auf ihre Bestandskraft ab (Hennig/Kühl/Heuer, Kommentar zum AFG § 100 Anm. 6).

Der Senat setzt sich mit der vorstehenden Rechtsauffassung auch nicht in Widerspruch zu den Entscheidungen des 12. Senats (BSGE 37, 257, 260 = SozR 2200 § 1248 Nr. 3) sowie des 11. Senats des BSG (BSGE 46, 279, 282 = SozR 2200 § 1248 Nr. 25) zu § 1248 Abs. 6 Reichsversicherungsordnung (RVO) bzw. § 25 Abs. 6 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG). Nach diesen Vorschriften kann der Versi-cherte den Versicherungsfall des Alters abweichend von den Fällen des gesetzlich festgelegten Lebensalters von 60, 63 und 65 Jahren bestimmen. In der erstgenannten Entscheidung hat der 12. Senat die nach § 1248 Abs. 6 RVO mögliche Bestimmung als empfangsbe-dürftige Willenserklärung i.S. des § 130 BGB angesehen und ausgeführt, daß sie mit dem Eingang wirksam werde, es sei denn, daß dem Rentenversicherungsträger vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugebe. Nach dem wirksamen Zugang könne sich der Versicherte hiervon nur noch unter den Voraussetzungen der Anfechtung von Willenserklärungen (§ 119 BGB) lossagen. Der 11. Senat hingegen hält die Erklärung nach § 25 Abs. 6 AVG bis zum Eintritt der Bindungswirkung des Rentenbescheides für frei abänderbar. Unabhängig davon, welcher der beiden Rechtssätze für die Rücknahme von öffentlich-rechtlichen Willenserklärungen im Recht der Rentenversicherung allgemein gültig ist, gilt dieser nicht in gleicher Weise für den Bereich der Arbeitslosenversicherung. Bei den §§ 1248 Abs. 6 RVO und § 25 Abs. 6 AVG handelt es sich um ausdrückliche gesetzliche Regelungen, die ein Gestaltungsrecht eigener Art beinhalten, auf Grund dessen der Versicherte den leistungsauslösenden Zeitpunkt selbst bestimmen kann, um die für ihn günstigste Rentenleistung zu erhalten. Das AFG hingegen weist keine entsprechende ausdrückliche Wahlmöglichkeit zur Bestimmung des leistungsauslösenden Zeitpunktes auf. Schon aus diesem Grunde entfällt eine Vorlagepflicht gemäß § 42 SGG.

Ob die Erklärung des Klägers in seinem Schreiben vom 5. November 1982 nach § 46 Abs. 2 SGB 1 als Verzicht anzusehen und wegen einer hierdurch eintretenden Belastung des Leistungsträgers unwirksam ist, kann dahinstehen. Mangels Vorliegen der tatbestandsmäs-

sigen Voraussetzungen des § 46 SGB I kommt es hierauf nicht an. Der Verzicht auf einen in der Vergangenheit liegenden Anspruch auf Alg setzt das Bestehen des Anspruchs voraus. Am 5. November 1982 war aber der Anspruch des Klägers auf Alg für den Zeitraum vom 31. Juli bis 3. August 1981 bereits durch Erfüllung gemäß § 110 Abs. 1 Nr. 1 AFG erloschen, da bereits vor diesem Zeitpunkt nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG das Alg an den Kläger ausgezahlt worden ist. Das LSG hat es daher im Ergebnis zu Recht offengelassen, ob die Erklärung des Klägers vom 5. November 1982 als Verzichtserklärung zu werten ist. Der Einwand der Revision, das LSG habe die Willenserklärung des Klägers zu Unrecht als Verzicht beurteilt, geht daher fehl.

Ob der Kläger, wie er meint, sein Begehren auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen kann, läßt sich den tatsächlichen Feststellungen des LSG, das diese Anspruchsvoraussetzungen nicht geprüft hat, nicht entnehmen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG besteht ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch dann, wenn der Versicherungsträger eine sich aus dem Versicherungsverhält-nis ergebende Nebenpflicht zur Auskunft, Belehrung und verständnisvollen Förderung des Versicherten verletzt, wenn sie, obwohl ein konkreter Anlaß zu den genannten Dienstleistungen bestanden hat, nicht oder nur unzureichend erfüllt worden sind (BSGE SozR 1200 § 14 Nr. 15; 5750 Art. 2 § 51a Nr. 62; s. außerdem Urteile des Senats vom 21. Mai 1980 - 7 Rar 31/79 -; vom 19. Juni 1980 - 7 RAr 14/79 -; vom 9. Dezember 1982 - 7 RAr 35/82 - in AuB 1984, 59.) Die Revision stützt ihr Vorbringen nicht darauf, daß der Kläger ausdrücklich um eine solche Beratung nachgesucht hat, sondern macht geltend, daß die Beklagte von Amts wegen verpflichtet gewesen sei, ihn bei seiner Arbeitslosmeldung und Antragstellung am 30. September 1981 auf die Gestaltungsmöglichkeit zur Erlangung eines höheren Anspruchs auf Alg hinzuweisen. Zu einem derartigen Handeln ist der Versicherungsträger nur verpflichtet, wenn bei der Prüfung eines Antrages Gestaltungsmöglichkeiten zutage treten, deren Wahrnehmung offensichtlich so zweckmäßig erscheint, daß sie ein verständiger Versicherter mutmaßlich nützen würde (BSGE 46, 124 = SozR 2200 § 1290 Nr. 11; Urteil des BSG vom 27. September 1983 - 12 RK 75/82 -). Das ist im vorliegenden Falle nicht auszuschließen.

Die relativ lange Bearbeitungszeit des Antrages vom 31. Juli1981, die mit Erlaß des Bescheides vom 16. November 1981 endete, deutet darauf hin, daß dem Sachbearbeiter des Arbeitsamtes bei der Prüfung dieses Antrages bekannt war, daß der Kläger einen weiteren Antrag auf Gewährung von Alg am 30. September 1981 gestellt hatte. Da zwischen der Erteilung des Bescheides vom 16. November 1981 und der Stellung des zweiten Antrages ein Zeitraum von rund eineinhalb Monaten liegt, besteht die Möglichkeit, daß dem Sachbear-beiter bei der Prüfung des ersten Antrages bereits bekannt war oder auf Grund des Akteninhalts bekannt sein mußte, daß der Kläger bei seiner Tätigkeit bei der Firma H… GmbH ein erheblich höheres Arbeitsentgelt erzielt hatte als das, welches der Bemessung des Alg zugrunde gelegt worden ist. Dann hätte sich ihm aufdrängen müssen, daß das Alg des Klägers bei Zugrundelegung des zuletzt erzielten Arbeitsentgelts erheblich höher gewesen wäre als das ab 31. Juli 1981 für drei Werktage gewährte. Wenn dem Sachbearbeiter bekannt war oder hätte bekannt sein müssen, daß die erneute Arbeitslosigkeit des Klägers schon längere Zeit dauerte, hätte es sich ihm schon bei einer überschlägigen Prüfung aufdrängen müssen, daß sich der Kläger wirtschaftlich besser gestanden hätte, wenn er den Antrag vom 31. Juli 1981 nicht gestellt hätte. Es hätte dann nahegelegen, den Kläger darauf hinzuweisen, daß die Rücknahme des ersten Antrages für ihn vorteilhaft war. Dem kann nicht entgegengehalten werden, der Kläger habe im vorliegenden Falle keinen Anspruch auf entsprechende Beratung gehabt, weil dies zur Umgehung des Gesetzes führe. Wie bereits oben dargelegt wurde, ist dies hier nicht der Fall, weil es sich um Gestaltungsmöglichkeiten handelt, die der Gesetzgeber dem Arbeitslosen eingeräumt hat. Sollte die Beratung des Klägers deshalb unterblieben sein, weil der Sachbearbeiter aus den in der Revisionserwiderung ausgeführten Gründen meinte, hierzu nicht verpflichtet oder berechtigt zu sein, dann würde es sich um einen unbeachtlichen Rechtsirrtum handeln. Die Beklagte wäre auch unter diesen Umständen verpflichtet, sofern die übrigen Voraussetzungen für das Vorliegen eines Herstellungsanspruches bestehen, den Kläger so zu stellen, als ob er von ihr darauf hingewiesen worden wäre, daß die Rücknahme des ersten Alg-Antrages für ihn vorteilhaft sei.

Da nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG eine abschließende Beurteilung, ob dem Kläger der geltend gemachte Anspruch zusteht, nicht möglich ist, muß gemäß § 170 Abs. 2 Satz 2 AFG das Urteil des LSG aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben wird.

 

Fundstellen

BSGE, 79

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