Rz. 56

Gemäß Satz 2 sollen Direktzahlungen an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte erfolgen, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist.

Hintergrund der Regelung ist die missliche, in der Praxis aber nicht selten vorkommende Situation, dass leistungsberechtigte Personen die ihnen zur Deckung ihrer Unterkunfts- und Heizkosten zur Verfügung gestellten Leistungen nicht zweckentsprechend verwenden. Problematisch ist die zweckwidrige Mittelverwendung deshalb, weil der Unterkunftsbedarf nicht (rückwirkend) dadurch entfällt, dass Leistungsberechtigte bei wirksamer, nicht dauerhaft gestundeter Mietzinsforderung die bewilligten Leistungen anderweitig verbrauchen (Berlit, info also 2014, 252 unter Hinweis auf LSG Bayern, Urteil v. 14.5.2014, L 11 AS 261/12 Rz. 21 ff.). Auch eine offensichtlich unwirksame Mietminderung lässt die Mietzinsforderung des Vermieters unberührt (LSG Bayern, Urteil v. 14.6.2014, L 11 AS 828/13 Rz. 32 f.; Berlit, a. a. O.).

Die Vorschrift trägt dem Schutz des Betroffenen vor Wohnungslosigkeit sowie dem öffentlichen Interesse an der Vermeidung von Doppelzahlungen an Vermieter und andere Empfangsberechtigte Rechnung, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass die Leistungen für Unterkunft und Heizung nicht zweckentsprechend verwendet werden und daraus resultierend Wohnungslosigkeit des Betroffenen droht (BT-Drs., a. a. O., S. 98 f.). Darüber hinaus soll das Grundrecht der leistungsberechtigten Person auf informationelle Selbstbestimmung gewahrt werden (BT-Drs., a. a. O., S. 98).

 

Rz. 57

Da es sich bei der Direktzahlung um einen nicht unerheblichen Eingriff in die Selbständigkeit der Lebensführung handelt, müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die berechtigte Person die ihr zur Verfügung gestellten Mittel nicht zweckentsprechend, d. h. nicht zur Begleichung der Unterkunfts- und Heizkosten, verwendet. Einer Zustimmung der leistungsberechtigten Person zur Direktzahlung bedarf es jedoch nicht.

 

Rz. 58

Anhaltspunkte für eine nicht zweckentsprechende Verwendung der Leistungen für Unterkunft und Heizung bestehen regelmäßig in den in Satz 3 genannten Fällen. Der Katalog ist nicht abschließend ("insbesondere"). Satz 3 entspricht § 22 Abs. 7 Satz 3 SGB II, sodass die diesbezügliche Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/3404 S. 99) bei der Auslegung der Regelbeispiele herangezogen werden kann.

 

Rz. 59

Nach Satz 3 Nr. 1 ist eine zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt, wenn Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen. Das ist gemäß § 543 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 3 BGB der Fall, wenn der Mieter für 2 aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist (Buchst. a) oder der Mieter in einem Zeitraum, der sich über mehr als 2 Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für 2 Monate erreicht (Buchst. b).

 

Rz. 60

Satz 3 Nr. 2 setzt voraus, dass Energiekostenrückstände vorliegen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen. Das Regelbeispiel setzt nach der Gesetzesbegründung zur Parallelvorschrift des § 22 Abs. 7 Satz 3 SGB II (vgl. BT-Drs. 17/3404 S. 99) voraus, dass die leistungsberechtigte Person sich mit der Begleichung der Energiekosten in Verzug befindet und der Zahlungsverzug das Energieversorgungsunternehmen zu einer Unterbrechung oder sogar fristlosen Kündigung der Energieversorgung berechtigt (vgl. dazu §§ 19 und 21 der Verordnung zum Erlass von Regelungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzverordnung im Energiebereich v. 26.10.2006, BGBl. I S. 2391).

 

Rz. 61

Nach Satz 3 Nr. 3 ist die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt, wenn konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden.

Hiervon kann erst dann ausgegangen werden, wenn Leistungsberechtigte in der Vergangenheit Leistungen für Kosten der Unterkunft oder Heizung wegen krankheits- oder suchtbedingten Unvermögens (z. B. einer bestehenden Alkohol- oder Drogenabhängigkeit) nicht zweckentsprechend verwendet haben (vgl. BT-Drs. 17/3404 S. 99 zu § 22 Abs. 7 Satz 3 Nr. 3 SGB II). Die bloße Vermutung – ohne entsprechende Anhaltspunkte aufgrund früheren Verhaltens – reicht also für eine Direktzahlung an den Vermieter oder andere leistungsberechtigte Personen nicht aus.

Die Regelungen tragen dem Umstand Rechnung, dass die Zahlung an Dritte die Gefahr birgt, Leistungsberechtigte zu entmündigen oder als entmündigt wahrgenommen zu werden (vgl. BT-Drs., a. a. O.).

 

Rz. 62

Satz 3 Nr. 4 sieht eine Direktzahlung regelmäßig vor, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.

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