Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Satzungsregelung zur künstlichen Befruchtung. Versuche zählen nicht als Behandlungsmaßnahme

 

Leitsatz (amtlich)

1. Abgebrochene Versuche der künstlichen Befruchtung zählen nicht als Behandlungsmaßnahme.

2. Abgebrochene Maßnahmen zählen auch bei freiwilligen Satzungsleistungen nicht als versuchte Behandlungsmaßnahme.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 17.12.2019; Aktenzeichen B 1 KR 7/19 R)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 30.01.2018 aufgehoben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 22.05.2017 in Fassung des Widerspruchsbescheids vom 28.09.2017 verurteilt, der Klägerin den Eigenteil des im November /Dezember 2017 begonnenen Behandlungszyklus in Höhe von 1.669,99 € zu erstatten.

II. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt die Beklagte in beiden Instanzen.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Erstattung von Behandlungskosten zur künstlicher Befruchtung als Satzungsleistung.

1. Die 1981 geborene Klägerin und ihr 1984 geborener Ehemann sind Mitglieder der Beklagten. Nach ihren Angaben sind die Eheleute aufgrund ihres bislang unerfüllten Kinderwunsches zur Beklagten gewechselt, da diese mit Satzungsleistungen geworben hat in Form der gänzlichen Kostenerstattung bei künstlicher Befruchtung, wenn beide Ehepartner Mitglieder der Beklagten sind.

Die Bestimmung des § 19b Abs. 1 der Satzung der Beklagten ("Mehrleistung für künstliche Befruchtung"), lautet: "Die DAK-Gesundheit übernimmt für ihre Versicherten, die nach § 27a SGB V Anspruch auf Maßnahmen der künstlichen Befruchtung haben, zusätzlich zu den gesetzlich geregelten Ansprüchen in Höhe von 50% der Behandlungskosten für die ersten drei Versuche weitere 50% der mit dem Behandlungsplan genehmigten Kosten der Maßnahme, jedoch nicht mehr als die tatsächlich entstandenen Kosten."

2. Am 17.10.2016 beantragte die Klägerin bei der Beklagten unter Vorlage eines Behandlungsplans der MVZ- Kinderwunschpraxisklinik C-Stadt vom 12.10.2016 die Kostenübernahme für eine In-vitro-Fertilisation (IVF) mit Embryonentransfer. Am 27.10.2016 genehmigte die Beklagte den Behandlungsplan und teilte mit Schreiben vom 27.10.2016 mit, dass satzungsgemäß auch die Kosten des gesetzlichen Eigenanteils übernommen werden. Dazu erklärte die Beklagte, dass bei Einreichung der Eigenanteilsrechnungen für nicht komplett durchgeführte Maßnahmen diese auf die Anzahl der auf den Behandlungsplan genehmigten Versuche angerechnet würde. Insgesamt würde die Übernahme des Eigenanteils für maximal drei Kinderwunschbehandlungen erteilt, jedoch nicht mehr als durch den Behandlungsplan genehmigte Maßnahmen. Das Schreiben erläuterte weiterhin, welche Unterlagen zur Leistungsgewährung benötigt werden und war nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen.

Im Oktober/November 2016 und Februar 2017 wurden zwei Behandlungszyklen bereits im Stadium der hormonellen Stimulation der Klägerin abgebrochen. Mangels schlechter Reifung der Eizellen kam es in beiden Fällen weder zur Entnahme von weiblichen Eizellen noch zur in-vitro Befruchtung (vgl. Rechnungen des IVF-Zentrums C-Stadt vom 16.11.2016 und 22.02.2017). Die Beklagte erstattete der Klägerin die noch vor der Follikelreifung abgebrochenen Hormonbehandlungen einen Betrag von 551,44 € (Arzneimittelkosten 447,55 €, Arztkosteneigenanteil 103,89 €) bzw. von 582,97 € (Arzneimitteleigenanteil 478,59 €, Arztkosteneigenanteil 104,83 €).

Die folgende Behandlungsmaßnahme im Februar/März 2017 wurde mit einem Embryonentransfer abgeschlossen, führte aber nicht zu einer Schwangerschaft. Die Eigenanteile der Arzt- und Arzneimittelkosten für diese Maßnahme erstattete die Beklagte (in Höhe von 1.516,35 €).

Mit Schreiben vom 03.04.2017 beantragte die Klägerin unter Vorlage eines neuen Behandlungsplans des MVZ C-Stadt vom 14.03.2017 die Kostenübernahme für eine intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI). Mit Schreiben vom 20.04.2017 erklärte sich die Beklagte bereit, dafür Kosten für zwei Zyklen in Höhe des gesetzlichen Anteils von 50 % zu übernehmen. Die Genehmigung für den gegebenenfalls erforderlichen dritten Zyklus bei Durchführung einer ICSI-IVF-Behandlung erfolge unter dem Vorbehalt, dass in einem der beiden ersten Behandlungszyklen eine Befruchtung stattgefunden habe. Als Satzungsleistung seien auch die noch vor der Eizellenreifung abgebrochenen Hormonbehandlungen zu zählen. Dagegen wandte sich der Ehemann der Klägerin und erklärte, dass sie nicht darauf hingewiesen worden seien, dass auch vorzeitig abgebrochene Versuche einer Behandlungsmaßnahme gleichgestellt seien. Mit Schreiben vom 22.05.2017 bewilligte die Beklagte der Klägerin daraufhin im Rahmen einer Einzelfallentscheidung die Übernahme der Kosten des Eigenanteils für einen weiteren Versuch. Auch dieses Schreiben war nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen.

3. Mit Widerspruch vom 22.06.2017 trug die Klägerin vor, die Beklagte habe mit der Satzungsleistung geworben, den Eigenant...

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