Leitsatz (amtlich)

Nutzt der sog. Vorbehaltsnießbraucher das belastete Grundstück zur Erzielung von Elnkünften aus Vermletung und Verpachtung, dann ist er im gleichen Umfang wie zuvor als Eigentümer zu AfA gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i. V. m. § 7 EStG befugt.

 

Normenkette

EStG §§ 7, 9 Abs. 1, § 21

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) sowie ihr inzwischen verstorbener Ehemann waren zu je 1/2-Anteilen Eigentümer mehrerer Mietwohngrundstücke. 1968 übertrugen die damals 70- bzw. 61jährigen Eheleute das Eigentum an den Grundstücken im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf ihre Tochter. Die Erwerberin übernahm die auf den Grundstücken ruhenden hypothekarisch gesicherten Forderungen bis auf eine, für die nur ihr Schuldbeitritt vereinbart wurde. Die Eheleute behielten sich ein lebenslängliches Nießbrauchsrecht mit der Maßgabe vor, daß im Falle des Todes eines Ehegatten der Nießbrauch dem Überlebenden allein zustehen sollte. Im Verhältnis zu der Erwerberin sollten hinsichtlich des Nießbrauchs die gesetzlichen Bestimmungen gelten. Eigentumswechsel und Nießbrauch wurden im Grundbuch eingetragen. Die Zins- und Tilgungsleistungen für die Hypothekendarlehen trugen die Eheleute. Miet- und Reparaturaufträge wurden in ihrem Namen von dem als Verwalter tätigen Schwiegersohn abgeschlossen.

Für das Streitjahr machten die Eheleute erstmals im Einspruchsverfahren gegen den Einkommensteuerbescheid für 1974 unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 8. März 1977 VIII R 180/74 (BFHE 122, 64, BStBl II 1977, 629) die Absetzung für Abnutzung (AfA) für die Grundstücke in Höhe von 13 635 DM oder hilfsweise die AfA auf das Nießbrauchsrecht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend.

Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) ging davon aus, daß der Nießbrauch wirksam entstanden und durchgeführt worden sei. Zur AfA seien die Eheleute aber nicht berechtigt, weil sie den Wertverzehr der Gebäude nicht trügen. Die Eheleute seien keine wirtschaftlichen Eigentümer geblieben. In den BFH-Urteilen in BFHE 122, 64, BStBl II 1977, 629; vom 11. Dezember 1973 VIII R 47/68 (BFHE 112, 27, BStBl II 1974, 509), und vom 21. Juni 1977 VIII R 18/75 (BFHE 124, 313, BStBl II 1978, 303) sei die Rechtsstellung der Nießbraucher durch weitere Vereinbarungen wesentlich verstärkt worden. AfA auf das Nießbrauchsrecht selbst sei nicht zulässig, denn die Eheleute hätten für das Nießbrauchsrecht keine Anschaffungskosten oder Herstellungskosten aufgewandt, sich vielmehr etwas vorbehalten, was ihnen bereits vor der Übereignung zugestanden habe.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts (§ 7, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7, § 21 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -).

Sie ist der Ansicht, sie und ihr inzwischen verstorbener Ehemann seien wirtschaftliche Eigentümer der Grundstücke geblieben, ihr stünde daher die AfA zu. Die Eheleute hätten die Grundstücke in gleicher Weise wie zuvor und unter tatsächlicher Übernahme der Leistungen auf die Grundpfandrechte genutzt. Deshalb sei die Nutzung auch in gleicher Weise gesichert gewesen wie zuvor.

Die Klägerin beantragt, die Einkommensteuer 1974 auf 10 600 DM herabzusetzen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Das FA hat während des Revisionsverfahrens einen geänderten Bescheid erlassen, den die Klägerin gemäß § 68, § 123 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hat.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Die AfA auf ein Gebäude kann als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i. V. m. §§ 7 ff. EStG) nur geltend machen, wer den Tatbestand einer Einkunftsart verwirklicht. Die Klägerin und ihr Ehemann (Eltern) haben im Streitjahr Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielt (vgl. dazu grundsätzlich BFH-Urteil vom 13. Mai 1980 VIII R 63/79, BFHE 131, 212, BStBl II 1981, 295). Nach den Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) sind sie insbesondere auch als Vermieter aufgetreten, denn die Mietverträge wurden von ihrem Schwiegersohn in ihrem Namen abgeschlossen.

Für die Berechtigung zur Inanspruchnahme der AfA durch die Eltern ist es im Streitfall nicht entscheidend, ob die Eltern wirtschaftliche Eigentümer der auf die Tochter übertragenen Grundstücke geblieben sind. Auch wenn dies nicht der Fall sein sollte, sind sie berechtigt, die AfA als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend zu machen. Die Eltern haben Herstellungs- oder Anschaffungskosten für die von ihnen genutzten Wirtschaftsgüter, die Miethäuser, aufgewendet. Der Zusammenhang zwischen diesen auf die Nutzungsdauer der Gebäude zu verteilenden Anschaffungs- oder Herstellungskosten einerseits und der Nutzung der Gebäude zur Erzielung von Einkünften andererseits ist durch die Übertragung des Eigentums an den Grundstücken nicht unterbrochen worden. Da die Eltern sich den Nießbrauch an den übereigneten Gegenständen vorbehalten haben, nutzten sie diese nach der Übereignung bei der hier gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung nicht aufgrund eines vom Erwerber abgeleiteten, sondern ununterbrochen aufgrund eigenen Rechts (vgl. BFH-Urteil vom 28. Juli 1981 VIII R 124/76, BStBl II 1981, 378). Sie behielten einen Teil der ihnen zuvor als Eigentümer zustehenden Verfügungsmacht (§ 903 BGB) zurück. Daraus folgt, daß ebensowenig wie zuvor das Eigentumsrecht nunmehr das zurückbehaltene Nießbrauchsrecht oder ein Aufwand dafür Gegenstand oder auch nur Bemessungsgrundlage der AfA sind. Dies sind vielmehr die genutzten und abnutzbaren Wirtschaftsgüter, d. h. die Gebäude und deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Bemessungsgrundlage können auch nur die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, die von den Eltern selbst aufgewendet wurden, sein (vgl. im Ergebnis Urteil in BFHE 112, 27, BStBl II 1974, 509).

Das FG hat jedoch keine Feststellungen darüber getroffen, wie sich der geltend gemachte AfA-Betrag in Höhe von 13 635 DM zusammensetzt. Da dem Senat eine Überprüfung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids insoweit nicht möglich ist, geht die Sache an das FG zurück (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Der Senat weicht mit dieser Entscheidung von den BFH-Urteilen vom 21. Februar 1967 VI 263/65 (BFHE 88, 168, BStBl III 1967, 311) und vom 19. Februar 1965 VI 278/63, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Einkommensteuergesetz, § 21, Rechtsspruch 222) und ferner von den Entscheidungen ab, die die AfA dem Vorbehaltsnießbraucher nur für den Fall zugestehen, daß er wirtschaftlicher Eigentümer der belasteten Sache geblieben ist (vgl. Urteile in BFHE 122, 64, BStBl II 1977, 629, BFHE 124, 313, BStBl II 1978, 303; vom 23. August 1963 VI 81/62 U, BFHE 77, 450, BStBl III 1963, 484, und vom 4. Dezember 1962 VI 255/62, StRK, Einkommensteuergesetz, § 21, Rechtsspruch 132). Einer Anrufung des Großen Senats gemäß § 11 Abs. 3 FGO bedarf es gleichwohl nicht, weil die Zuständigkeit des VI. Senats insoweit auf den erkennenden Senat übergegangen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 74247

BStBl II 1982, 380

BFHE 1981, 133

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