Zusammenfassung

 
Begriff

Benötigt ein Sozialleistungsträger längere Zeit, die Höhe einer dem Grunde nach zustehenden Geldleistung festzustellen, kann im Rahmen einer Ermessensentscheidung ein Vorschuss gezahlt werden. Unter bestimmten Voraussetzungen besteht ein Rechtsanspruch darauf, ohne dass der Sozialleistungsträger Ermessen ausüben kann. Die Höhe des Vorschusses liegt im Ermessen des Sozialleistungsträgers. Der Vorschuss setzt voraus, dass grundsätzlich ein Leistungsanspruch besteht. Die Vorschussleistung grenzt sich damit von der vorläufigen Leistung ab, bei der verschiedene Sozialleistungsträger über ihre Zuständigkeit streiten. Vorschüsse, die den Leistungsanspruch überschreiten, sind zu erstatten. Der Erstattungsanspruch unterliegt der Verjährung.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Sozialversicherung: Die Anspruchsgrundlage enthält § 42 SGB I. Die Verjährung des Erstattungsanspruchs richtet sich nach § 50 Abs. 4 SGB X. Die Rechtsprechung hat sich mit der Rückforderung eines zu Unrecht gewährten Vorschusses beschäftigt (BSG, Urteil v. 26.6.2007, B 2 U 5/06 R).

1 Ermessensleistung

Ein Sozialleistungsträger kann Vorschüsse von Amts wegen zahlen, wenn der Anspruch auf eine Geldleistung dem Grunde nach festgestellt wurde und lediglich zur Höhe des Anspruchs noch längere Zeit ermittelt werden muss.[1] Es ist in das Ermessen des Sozialleistungsträgers gestellt, Vorschüsse zu zahlen und die Höhe der Zahlung zu bestimmen. Die Geldleistung muss eine Sozialleistung nach § 11 Satz 1 SGB I sein. Ein Antrag des Leistungsberechtigten ist nicht erforderlich.[2]

"Längere Zeit" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der vom Sozialleistungsträger nach pflichtgemäßem Ermessen auszulegen ist. Ermessen hinsichtlich eines Vorschusses wird z. B. bei einem Anspruch auf Verletztengeld pflichtgemäß ausgeübt, wenn für die Berechnung des Verletztengeldes der letzte Einkommenssteuerbescheid zu berücksichtigen und noch nicht abzusehen ist, wann dieser vorgelegt werden kann.[3]

2 Rechtsanspruch

Beantragt der Sozialleistungsberechtigte einen Vorschuss, so muss der Sozialleistungsträger diesen zahlen.[1] Ein Ermessen ist nicht eingeräumt. Die Vorschusszahlung beginnt spätestens nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eingang des Antrags. Die Höhe des Vorschusses liegt im Ermessen des Sozialleistungsträgers.

 
Praxis-Beispiel

Beginn der Zahlung

Der Versicherte einer Krankenkasse hat seit dem 11.8.2023 dem Grunde nach einen Anspruch auf Krankengeld. Am selben Tag beantragt er Vorschussleistungen, bis die Höhe der Leistung festgestellt wird. Die Vorschussleistung beginnt spätestens mit dem 1.10.2023. Die Krankenkasse kann im Rahmen ihres Ermessens bereits früher einen Vorschuss leisten.

Der Sozialleistungsträger muss dabei hinreichend deutlich machen, dass

  • er wegen eines dem Grunde nach bestehenden Anspruchs auf Geldleistungen die genaue Höhe noch nicht zeitnah feststellen kann,
  • ein Recht auf Zahlungen bewilligt wird und
  • der Vorschuss möglicherweise ganz oder teilweise zurückzuzahlen ist.
 
Hinweis

Zuständigkeit

Der Anspruch auf einen Vorschuss setzt die Zuständigkeit des Sozialleistungsträgers voraus. Ansonsten sind vorläufige Leistungen[2] zu gewähren. Wurde die Zuständigkeit irrtümlich angenommen, ist der Vorschuss mit dem zuständigen Träger auszugleichen.[3]

3 Anrechnung auf den Leistungsanspruch

Sobald der Anspruch auf die Geldleistung auch in seiner Höhe bestimmt werden kann, sind die Vorschüsse auf den Anspruch anzurechnen.[1] Der Restanspruch wird an den Leistungsberechtigten ausgezahlt. Übersteigen die Vorschüsse den Leistungsanspruch, hat der Sozialleistungsträger einen Erstattungsanspruch gegen den Empfänger. Das ist auch dann der Fall, wenn nachträglich festgestellt wird, dass ein Vorschuss gezahlt wurde, obwohl es am Grundanspruch auf die Sozialleistung fehlt.[2]

Der Erstattungsanspruch des Sozialleistungsträgers verjährt in 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Entscheidung über die Zahlung von Vorschüssen unanfechtbar geworden ist.[3] Der Erstattungsanspruch kann gestundet, niedergeschlagen oder erlassen werden.[4]

4 Entscheidungen

Die Entscheidungen über den Vorschuss von Amts wegen oder auf Antrag sind Verwaltungsakte[1], die vom Leistungsempfänger mit einem Widerspruch angefochten werden können.[2] Das gilt auch für den Rückforderungsbescheid, mit dem ein überzahlter Vorschuss zurückgefordert wird. Der Widerspruch hat aufschiebende Wirkung.[3] Die sofortige Vollziehung kann durch den Leistungsträger angeordnet werden.[4]

 
Praxis-Beispiel

Verjährung des Erstattungsanspruchs

 
Zahlung eines Vorschusses (600 EUR) 16.4.2019
Schriftliche Feststellung des Krankengeldanspruchs (450 EUR) 8.6.2019
schriftliche Feststellung des Erstattungsanspruchs mit Rechtsbehelfsbelehrung 8.6.2019
Eintritt der Unanfechtbarkeit der Feststell...

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