Rz. 22

§ 31 enthält ausschließlich Regelungen, die sozialwidriges Verhalten des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten kennzeichnen. Dies ist als Gegensatz zum Recht der Arbeitsförderung zu verstehen, das bei versicherungswidrigem Verhalten den Eintritt von Sperrzeiten vorsieht. Der dem Gesetz zugrunde liegende Grundsatz des Förderns und Forderns wird in § 2 für den Teilbereich der Forderungen an den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten auch nach Einführung des Bürgergeldes konkretisiert. Dem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten wird abverlangt, alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung seiner Hilfebedürftigkeit auszuschöpfen. Dies ist seit dem 1.1.2023 allerdings im Lichte der Bürgergeldreform zu bewerten. § 2 verpflichtet ihn zur aktiven Mitwirkung an allen Maßnahmen zu seiner Eingliederung. Eine frei von der Möglichkeit der Leistungsminderung geregelte Grundsicherung hat der Deutsche Bundestag abgelehnt (vgl. BT-Drs. 17/953). Es ist im Übrigen allgemein anerkannt, dass den Jobcentern ein Instrumentarium zur Verfügung stehen muss, mit dem Pflichtverletzungen durch die Leistungsberechtigten begegnet werden kann. Dabei geht es nicht darum, den Leistungsberechtigten für sein Tun oder Unterlassen zu bestrafen, sondern vielmehr darum, ihn zur Mitwirkung an der Beseitigung seiner Hilfebedürftigkeit anzuhalten, namentlich durch Integration in eine Erwerbstätigkeit. Die Mittel zur Gewährleistung des Existenzminimums müssen dem Leistungsberechtigten nach der Rechtsprechung des BSG nicht ohne jegliche Voraussetzungen zur Verfügung gestellt werden (vgl. auch BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 7.7.2010, 1 BvR 2556/09). Innerhalb seines Gestaltungsspielraumes hat der Gesetzgeber die zu erbringenden Leistungen aus der Grundsicherung für Arbeitsuchende an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen in der Bundesrepublik Deutschland auszurichten. Das erlaubt der Rechtsprechung zufolge auch die Anknüpfung an Obliegenheiten und Leistungsminderungen bei deren Verletzung (BSG, Urteil v. 29.4.2015, B 14 AS 19/14 R). Der verfassungsrechtliche Anspruch auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums beinhaltet keinen Anspruch auf Sicherung eines Leistungsniveaus, das ohne Mitwirkungsobliegenheiten und Eigenaktivitäten durchweg einen finanziellen Spielraum auch zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben gewährleistet. Seit der 19. Legislaturperiode ist aufgrund der Rechtsprechung des BVerfG, Rückmeldungen aus der Grundsicherungspraxis und wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Zusammenarbeit zwischen Jobcenter und Leistungsberechtigten sowie den Wirkungen von Leistungsminderungen darüber nachgedacht worden, die Sozialrechtsverhältnisse der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf eine neue Grundlage zu stellen, die zwar den Anspruch auf eine Mitwirkung des Leistungsberechtigten nicht vollkommen aufgibt, aber Aspekte einer Zusammenarbeit und Kommunikation mit Leistungsberechtigten auf Augenhöhe, Vertrauen in die Mitwirkungsbereitschaft des Leistungsberechtigten, der Verlässlichkeit der Leistungsgewährung und der Transparenz der gegenseitigen Erwartungen bei Jobcenter und Leistungsberechtigten erheblich bedeutender herausstellt. Einen weitreichenden Ansatz hierfür hat das Bürgergeld-Gesetz bestimmt. Das wird ggf. auch eine neue Abgrenzung von sozialwidrigem Verhalten zur Folge haben.

 

Rz. 23

Auch hat der erwerbsfähige Leistungsberechtigte eine ihm angebotene zumutbare Arbeitsgelegenheit (nunmehr nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 3) oder mit einem Zuschuss zum Arbeitsentgelt geförderte Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis zu übernehmen, wenn er – aus welchen Gründen auch immer – in absehbarer Zeit keine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausüben bzw. erlangen kann. § 2 Abs. 2 verlangt die Nutzung aller Möglichkeiten in eigener Verantwortung, um den Lebensunterhalt mit eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten. Dazu gehört ausdrücklich der Einsatz der Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhalts durch den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten für sich und die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen. Die Leistungsgrundsätze des § 3 n. F. zeigen die vorrangigen Wege auf. Allerdings darf aus § 2 nicht auf weitere Tatbestände für Leistungsminderungen geschlossen werden, insoweit regelt § 31 abschließend alle denkbaren Leistungsminderung. Im Streit um das Vorliegen eines Minderungstatbestandes tritt im Zweifel die Pflicht des Gerichts nach § 103 SGG hinter die Amtsermittlungspflicht der Verwaltung zurück, gerade wenn mangels entsprechender Sachverhaltsaufklärung nicht zu beurteilen ist, ob eine Pflichtverletzung vorliegt bzw. der Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für sein Verhalten hatte (SG Augsburg, Urteil v. 31.5.2016, S 8 AS 378/16 unter Hinweis auf BSG, Urteil v. 25.6.2015, B 14 AS 30/14 R).

 

Rz. 23a

Nach dem durch das BVerfG in seinem Urteil v. 5.11...

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