Ich halte die Entscheidung nicht in allen Punkten für zutreffend.

I. Übergangsrecht

Das OLG geht zu Recht davon aus, dass die Vergütung der Prozessbevollmächtigten der Bekl. nach dem neuen Recht berechnet wird. Dies folgt aus § 60 Abs. 1 S. 1 RVG, wonach auf den Zeitpunkt der Auftragserteilung abzustellen ist. Den unbedingten Auftrag zur Vertretung im Berufungsverfahren hat die Bekl. ihren Prozessbevollmächtigten jedoch erst nach dem 31.7.2013 erteilt.

Die Sonderregelung in § 60 Abs. 1 S. 2 RVG für Rechtsmittel gilt – was vielfach übersehen wird – nur für den Rechtsmittelführer, nicht hingegen auch für den Rechtsmittelgegner (AnwKomm-RVG/N. Schneider, 7. Aufl., § 61 Rn 11; Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 22. Aufl., § 60 Rn 60). § 60 Abs. 1 S. 2 RVG ist sprachlich verfehlt und inhaltlich überflüssig und ist deshalb insb. in der Literatur heftig kritisiert worden (siehe Hansens, RVGreport 2004, 10, 13; Müller-Rabe, NJW 2005, 1609, 1615; AnwKomm-RVG/N. Schneider, a.a.O.). Bereits aus den Gesetzesmaterialien zu der fast wörtlich identischen Übergangsregelung in § 134 Abs. 1 S. 2 BRAGO folgt, dass S. 2 lediglich die Fortwirkung des bisherigen Rechts auf die nächste Instanz ausschließen soll, hingegen nicht die Geltung des bisherigen Rechts für den Rechtsmittelgegner angeordnet werden soll (siehe hierzu Hansens, BRAGO, 8. Aufl., § 134 Rn 8).

Im Übrigen ist die Übergangsregelung in § 60 Abs. 1 S. 2 RVG für den Prozessbevollmächtigten des Rechtsmittelführers nicht anwendbar, wenn man den Gesetzeswortlaut in gebührenrechtlicher Hinsicht wörtlich nimmt. Dieser erfordert nämlich, dass der Anwalt im Zeitpunkt des Inkrafttretens einer Gesetzesänderung "in derselben Angelegenheit bereits tätig" war. Hieraus wird gefolgert, der Rechtsanwalt müsse bereits für den Mandanten in der ersten Instanz tätig gewesen sein. Dies ist jedoch gebührenrechtlich unzutreffend, weil die Tätigkeit im vorangegangenen Rechtszug und die Tätigkeit im Rechtsmittelverfahren nach der ausdrücklichen Regelung in § 17 Nr. 1 RVG gerade verschiedene Angelegenheiten sind.

II. Zulässigkeit der Nachfestsetzung

Ich habe Bedenken, ob hier der Nachfestsetzungsantrag der Bekl. zulässig war. Die materielle Rechtskraft steht nämlich einer erneuten Kostenfestsetzung dann entgegen, soweit derselbe Streitgegenstand betroffen ist, so BGH RVGreport 2011, 309 (Hansens); = AGS 2011, 566 m. Anm. N. Schneider; BGH BRAGOreport 2003, 57 (Hansens) = AGS 2003, 176 = NJW 2003, 1462 = JurBüro 2003, 260.

Ob dies der Fall ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Hat der Erstattungsberechtigte in seinem ersten Kostenfestsetzungsantrag erkennbar seinen gesamten Erstattungsanspruch geltend gemacht, gibt er damit zu erkennen, dass er eben diesen ganzen Anspruch und nicht nur einen Teil davon festgesetzt haben will. In einem solchen Fall sollte kein Rest zurückgestellt werden, der einer Nachforderung und damit einer Nachfestsetzung zugänglich gewesen wäre. Über diesen Anspruch hat dann der Rechtspfleger rechtskräftig entschieden, so BGH RVGreport 2011, 309 (Hansens).

1. Nachfestsetzung unzulässig

Damit ist eine Nachfestsetzung in folgenden Fällen unzulässig:

Die erstattungsberechtigte Partei stellt nach gesetzlicher Änderung der Zinshöhe einen Antrag auf Ergänzung der Verzinsung des Erstattungsbetrags, so BGH BRAGOreport 2003, 57 (Hansens) = NJW 2003, 1462 = JurBüro 2003, 260.
Der Nachfestsetzungsantrag wird auf einen höheren Gegenstandswert gestützt, als im ursprünglichen Kostenfestsetzungsantrag zugrunde gelegt. In dem vom BGH RVGreport 2011, 309 (Hansens) = AGS 2011, 566 m. Anm. N. Schneider entschiedenen Fall wurde unter Ansatz eines weit höheren Gegenstandswertes als in dem beschiedenen Kostenfestsetzungsantrag eine um rund 90.000 EUR höhere Verfahrensgebühr geltend gemacht. Wird versehentlich ein zu niedriger Gegenstandswert angesetzt, so kann dies nach Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses im Regelfall nicht durch einen Nachfestsetzungsantrag korrigiert werden.
Eine Nachfestsetzung ist auch dann unzulässig, wenn die erstattungsberechtigte Partei in ihrem Kostenfestsetzungsantrag irrtümlich von der Geltung des alten Gebührenrechts ausgegangen ist. Mit einem Nachfestsetzungsantrag kann dann nicht mehr die sich aus dem neuen Gebührenrecht ergebende Gebührendifferenz geltend gemacht werden. Auch hier steht die Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses der Nachfestsetzung entgegen, so BGH RVGreport 2011, 309 (Hansens) = AGS 2011, 566 für die Nachliquidation nach einem höheren Gegenstandswert; a.A. OLG Hamburg MDR 1979, 235.

2. Nachfestsetzung zulässig

Demgegenüber wird trotz der eingetretenen Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses die Nachfestsetzung in folgenden Fallgestaltungen für zulässig erachtet:

Es wird die Nachfestsetzung einer Erörterungsgebühr nach antragsgemäßer Festsetzung der Prozess- und der Vergleichsgebühr beantragt, so KG Rpfleger 1976, 366. Dies gilt auch für andere "vergessene" Gebühren wie etwa die Einigungsgebühr.
Die erstattungsberechtigte ...

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