SächsPolG § 4 § 5 § 6; SächsVwKG § 24; BGB § 855 § 868; VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1

Leitsatz

1. Die Polizei hat, wenn die öffentliche Sicherheit und Ordnung durch das Verhalten von Personen bedroht oder gestört wird, ihre Maßnahme gegenüber demjenigen zu treffen, der die Bedrohung oder Störung verursacht hat (§ 4 Abs. 1 SächsPolG). Derjenige, der ein Fahrzeug von der Eigentümerin geliehen und an den Fahrer weiter verliehen hat, hat mit dem Entleihen nicht die Gefahrenschwelle überschritten und damit die unmittelbare Ursache für den Eintritt der Gefahr gesetzt (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 14.6.2000 – 5 A 95/00 –, juris Rn 5 zum dortigen Landesrecht). Allein verantwortlich als Verhaltensstörer für das Abstellen des Kfz ist hier der Fahrer als berechtigter Inhaber der tatsächlichen Gewalt und als letzter Gewahrsamsinhaber beim Abstellen und vor dem Abschleppen des Fahrzeugs.

2. Die Polizei hat, wenn die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch den Zustand einer Sache bedroht oder gestört wird, ihre Maßnahmen gegenüber dem Eigentümer oder gegenüber demjenigen zu treffen, der tatsächliche Gewalt über die Sache ausübt. Der Eigentümer ist Störer aufgrund seiner rechtlichen Sachherrschaft, der Inhaber der tatsächlichen Gewalt Störer aufgrund seiner tatsächlichen Sachherrschaft und Einwirkungsmöglichkeit. Das Besitzmittlungsverhältnis, kraft dessen der das Auto Weiterverleihende dieses mittelbar besitzt (§ 868 BGB), macht ihn nicht zum Zustandsstörer.

3. Ermessenserwägungen zur Auswahl des Kostenträgers sind defizitär, wenn sie nicht erkennen lassen, dass eine Heranziehung der Eigentümerin überhaupt ernsthaft erwogen wurde. Eine Maßnahme, bei der die Behörde die Inanspruchnahme eines von mehreren Kostenverantwortlichen gar nicht in Erwägung zieht (hier: die Inanspruchnahme des Kfz-Eigentümers), ist zumindest dann rechtswidrig, wenn seine Heranziehung naheliegt (vgl. SächsOVG, Urt. v. 31.3.2022 – 6 A 714/20 –, SächsVBl. 2022, 319 Rn 32 f.; v. 27.9.2018 – 1 A 187/18 –, juris Rn 93). (Leitsätze der Schriftleitung)

Sächsisches OVG, Beschl. v. 12.12.2022 – 6 A 497/21

1 Sachverhalt

Der Kl. wendet sich gegen einen Kostenbescheid der Bekl., mit dem ihm die Kosten einer Abschleppmaßnahme für ein verbotswidrig abgestelltes Fahrzeug auferlegt wurden. Der Kl. hatte das Fahrzeug von der Eigentümerin geliehen und an einen Dritten weiterverliehen, der das Fahrzeug abstellte, aber nicht ermittelt werden konnte. Das VG Dresden hat der Klage mit Urt. v. 13.7.2021 – 6 K 1988/19 stattgegeben.

2 Aus den Gründen:

"… Zutreffend ist das VG davon ausgegangen, dass der Kl. nicht nach § 24 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 SächsVwVG für die Kosten einer Ersatzvornahme herangezogen werden kann. Zwar kommt die Vorschrift als Rechtsgrundlage für einen Kostenbescheid in Betracht, weil das Verkehrszeichen, das auch ein Wegfahrgebot enthält, einen wahrnehmbaren Verwaltungsakt darstellt, der sofort vollziehbar ist und durch Ersatzvornahme vollstreckt werden kann (vgl. SächsOVG, Urt. v. 23.3.2009 – 3 B 891/06 –, SächsVBl. 2009, 185, 186; a.A. HessVGH, Urt. v. 17.3.1998 – 11 UE 327/96 –, juris Rn 20; VGH BW, Urt. v. 11.6.1991 – 1 S 2967/90 –, juris Rn 15; jeweils für das dortige Landesrecht). Verkehrszeichen erzeugen Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht, da sie öffentlich bekanntgegeben (vgl. § 1 S. 1 SächsVwVfZG i.V.m. § 41 Abs. 3 S. 1 VwVfG) werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.12.1996 – 11 C 15.95 –, BVerwGE 102, 316, 318 f.; OVG SH, Urt. v. 28.2.2000 – 4 L 135/99 –, juris Rn 25). Zutreffend ist auch die Würdigung des VG, dass die Abschleppmaßnahme rechtmäßig war, aber der Kl. nicht für die Abschleppkosten in Anspruch genommen werden kann.

Für die Kosten einer Ersatzvornahme gilt hier § 2 Abs. 1 S. 1 SächsVwKG i.d.F. d. B. v. 17.9.2003 (SächsGVBl. 698), zuletzt geändert durch Art. 31 d. Gesetzes v. 27.1.2012 (SächsGVBl. S. 130, 144; a.F.; vgl. nunmehr § 9 Abs. 1 Nr. 1 SächsVwKG n.F.). Nach § 2 Abs. 1 S. 1 SächsVwKG a.F. ist zur Zahlung der Kosten verpflichtet, wer die Amtshandlung veranlasst, im Übrigen derjenige, in dessen Interesse die Amtshandlung vorgenommen wird. Die Ersatzvornahme ist dem Vollstreckungsschuldner zuzurechnen, weil sie (auch) in seinem Interesse liegt. Dessen Bestimmung erfolgt hier nach dem Polizeirecht. Danach bestimmt sich, wer für die Beseitigung der Störung durch das verbotswidrig abgestellte Fahrzeug verantwortlich ist und in wessen Interesse sie deshalb liegt. Der Kl. als Entleiher des Fahrzeugs war indes nicht Störer.

Die Polizei hat, wenn die öffentliche Sicherheit und Ordnung durch das Verhalten von Personen bedroht oder gestört wird, ihre Maßnahme gegenüber demjenigen zu treffen, der die Bedrohung oder Störung verursacht hat (§ 4 Abs. 1 SächsPolG). Der Kl., der das Auto von der Eigentümerin geliehen und an den Fahrer weiter verliehen hat, hat mit dem Entleihen nicht die Gefahrenschwelle überschritten und damit die unmittelbare Ursache für den Eintritt der Gefahr gesetzt (vgl....

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