Optisches Missverhältnis ist irrelevant

Da der Aufwand für den Rechtsdienstleister regelmäßig unabhängig von der Höhe der Hauptforderung zu bestimmen ist, sagt das optische Missverhältnis zwischen der Hauptforderung und den Rechtsverfolgungskosten nichts über die Berechtigung einer Erstattungsforderung aus. Die Streitwertbereiche sind durch den Gesetzgeber bestimmt. Mit dem 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz hat er den ersten Streitwertbereich von 0 bis 300 EUR sogar noch auf 0 bis 500 EUR ausgeweitet und nicht weiter untergliedert. Kraft Gesetzes ist der Gläubiger nicht verpflichtet, von sich aus den Streitwertsektor weiter zu unterteilen. Auch die Schadensminderungspflicht nach § 254 BGB kann das nicht begründen. Zu den Kriterien des § 14 RVG zur Bestimmung der angemessenen Geschäftsgebühr innerhalb des Rahmens von 0,5 bis 2,5 gehört die Höhe der Forderung nicht.

 

Hinweis

Es ist auch nicht zu sehen, warum ein Schuldner einer Forderung von 29,90 EUR günstiger gestellt sein soll als ein Schuldner einer Forderung von 299,00 EUR. In beiden Fällen erfüllt der jeweilige Schuldner eine fällige und berechtigte Forderung nicht. Dem Schuldner einer Kleinforderung ist sogar noch stärker vorzuwerfen, dass diese leichter zu erfüllen ist als eine höhere Forderung.

Das System des Gesetzgebers ist wohl erwogen und sollte wegen einer vermeintlichen Einzelfallgerechtigkeit, die aber zu einer Ungerechtigkeit gegenüber dem Gläubiger und dem Rechtsdienstleister führt, nicht aufgegeben werden.

Erstattungsfähigkeit der Rechtsverfolgungskosten nach § 823 BGB

Die geschilderte Fallsituation wirft also die Frage auf, ob die bei der Einziehung einer Forderung aus einer nicht eingelösten Lastschrift entstehenden Rechtsverfolgungskosten auch erstattungsfähig sind.

 

Hinweis

Der Rechtsdienstleister hat lediglich aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstleistungscharakter einen entsprechenden Anspruch gegen den Gläubiger. Dieser muss dann die Erstattung vom Schuldner verlangen und bedarf dafür einer besonderen Rechtsgrundlage. Auch wenn der Rechtsdienstleister – Rechtsanwalt oder Inkassounternehmen – regelmäßig beauftragt ist, den Erstattungsanspruch gleichzeitig mit der Hauptforderung geltend zu machen, hat er keinen unmittelbaren Verfügungsanspruch gegen den Schuldner. Ausnahmsweise kann er sich allenfalls den Erstattungsanspruch ganz oder teilweise an Erfüllung statt abtreten lassen, § 364 BGB (vgl. dazu etwa § 4 Abs. 2 RVG).

Liegt auf Seiten des Schuldners eine (vorsätzlich) unerlaubte Handlung in Form eines Eingehungsbetruges nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB vor, d.h. wusste der Schuldner von Anfang an, dass die Lastschrift nicht eingelöst wird, so besteht daran kein Zweifel. Die Rechtsverfolgungskosten sind dann nach § 249 BGB stets erstattungsfähig und zwar ab dem Tatzeitpunkt, d.h. der Unterzeichnung der Lastschrift.

Schwieriger ist die Frage zu beantworten, ob sich ein solcher Anspruch außerhalb einer unerlaubten Handlung aus Verzug nach § 280, 286 BGB ergibt. Die Voraussetzungen des Verzuges sind:

  1. das Vorliegen eines Schuldverhältnisses,
  2. die Fälligkeit der Leistung,
  3. die Nichtleistung trotz der Möglichkeit,
  4. die Durchsetzbarkeit der Forderung,
  5. die Mahnung oder deren Entbehrlichkeit,
  6. das Verschulden.

Die meisten Voraussetzungen liegen problemlos vor

Die ersten vier und die sechste Voraussetzung werfen in der Praxis keine Probleme auf. Der Lastschrift liegt in der Regel ein Verpflichtungsgeschäft, etwa ein Kauf-, Versicherungs- oder auch Fitnessstudiovertrag zugrunde (Schuldverhältnis). Die Leistung ist im Zeitpunkt der Unterzeichnung der Lastschrift auch nach § 271 BGB oder einer vertraglichen Bestimmung jedenfalls im Zeitpunkt der Vorlage fällig. Als Gattungsschuld ist eine Geldleistung immer möglich, während sie durch die Nichteinlösung der Lastschrift im Ergebnis nicht geleistet wird. Ist die Forderung nicht verjährt und unterfällt sie nicht der Restschuldbefreiung, so ist auch an ihrer Durchsetzbarkeit nicht zu zweifeln. Da dem Schuldner die Verpflichtung obliegt, zum vereinbarten Einlösungszeitpunkt für Deckung auf dem Konto zu sorgen, handelt er auch schuldhaft, § 276 BGB.

Die Mahnung als Problem

Schwieriger ist dagegen die Frage zu beantworten, inwieweit eine Mahnung vorliegt, § 286 Abs. 1 BGB, oder eine solche nach § 286 Abs. 2 oder 3 BGB entbehrlich ist:

Eine Mahnung im Sinne des § 286 Abs. 1 BGB wird der Gläubiger in der Regel nicht ausgesprochen haben.
Ob die Mahnung im Sinne des § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB entbehrlich ist, ist eine Frage des Einzelfalles, nämlich ob zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner vertraglich eine bestimmt Leistungszeit kalendermäßig vereinbart wurde.
 

Beispiel

Das kann etwa der Fall sein, wenn die Miete nach § 556b Abs. 1 BGB am dritten Werktag eines Monats zu zahlen und an diesem Tag per Lastschrift einzuziehen ist.

Auch kann eine Mahnung nach § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB entbehrlich sein, wenn die Fristberechnung an ein Ereignis anknüpft.
 

Beispiel

Es könnte etwa an die Lieferung der Ware angeknüpf...

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