Privilegierter Pfändungsbereich wird nicht immer genutzt

Nicht selten ist festzustellen, dass der Unterhaltsgläubiger von seiner Privilegierung nach § 850d ZPO (hierzu FoVo 2013, 221) keinen Gebrauch macht, weil ihm die Pfändung unter Berücksichtigung des Pfändungsschutzes nach § 850c ZPO hinreichende Befriedigung verschafft. Hierdurch blockiert er allerdings die nach der Tabelle zu § 850c pfändbaren Beträge für Gläubiger, die das Arbeitseinkommen ebenfalls, jedoch zeitlich nachfolgend gepfändet haben. Damit eröffnet sich auch eine Möglichkeit für eine "Zusammenarbeit" des Schuldners mit dem – ihm meist familiär verbundenen – Unterhaltsgläubiger. Dem will § 850e Abs. 4 ZPO vorbeugen.

 

Hinweis

Die notwendigen Informationen erhält der nachpfändende Gläubiger durch die Drittschuldnerauskunft nach § 840 ZPO. Ergänzend kann er entweder beim Schuldner weitere Informationen erhalten, § 836 Abs. 3 ZPO, oder nach § 299 ZPO auch Einsicht in die Vollstreckungsakten nehmen.

Nachrangiger Gläubiger muss reagieren

Trifft eine Pfändung, eine Abtretung oder eine sonstige Verfügung wegen eines der in § 850d bezeichneten Ansprüche mit einer Pfändung wegen eines sonstigen Anspruchs zusammen, so sind auf die Unterhaltsansprüche zunächst die gemäß § 850d der Pfändung in erweitertem Umfange unterliegenden Teile des Arbeitseinkommens zu verrechnen.

 

Beispiel

Der Schuldner verfügt über ein Nettoeinkommen in Höhe von 1.580 EUR. Sein notwendiger Unterhalt ist mit 780 EUR zu bestimmen. Der Unterhaltsgläubiger G1 hatte einen Anspruch auf einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 500 EUR und hat das Arbeitseinkommen des S ohne Inanspruchnahme der Privilegierung nach § 850d ZPO gepfändet. Der später pfändende G2 hat eine Forderung aus einem Kaufvertrag in Höhe von 12.000 EUR. Nach der Tabelle zu § 850c ZPO ist ein Betrag von 70,83 EUR pfändbar.

Unter Anwendung der Tabelle zu § 850c ZPO hat der G1 den gesamten pfändbaren Betrag zu beanspruchen. Im Übrigen zahlt der Schuldner freiwillig. G2 geht leer aus. Durch den Antrag nach § 850e Abs. 4 ZPO kann der nachrangige G2 den G1 auf die vorrangige Pfändung des privilegierten Zugriffsbereiches verweisen. Da auf diese Weise der gesamte Unterhaltsanspruch befriedigt wird, erhält G2 den im Übrigen pfändbaren Betrag von 70,83 EUR.

Die Verweisung auf den privilegierten Pfändungsbereich erfolgt allerdings nicht von Amts wegen, sondern er muss von dem Gläubiger gesondert beantragt werden.

Muster xx1: Verrechnungsantrag nach § 850e Abs. 4 ZPO

 

Muster: Verrechnungsantrag nach § 850e Abs. 4 ZPO

An das Amtsgericht – Vollstreckungsgericht – in …

In der Zwangsvollstreckungssache

des …

– Gläubiger –

gegen

den …

– Schuldner –

zeige ich an, dass ich den Gläubiger … vertrete. Namens und in Vollmacht desselben beantrage ich,

den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des angerufenen Gerichts vom … , mit dem das Arbeitseinkommen des Schuldners gepfändet und einem Unterhaltsberechtigten wegen dessen laufender und rückständiger Unterhaltsansprüche überwiesen wurde, gemäß § 850e Nr. 4 ZPO mit der Anordnung zu ergänzen, dass dem Schuldner als notwendiger Selbstbehalt … EUR zu belassen sind und der Gläubiger … mit seinem Pfändungsanspruch primär auf den privilegiert pfändbaren Vorrechtsbereich nach § 850d ZPO verwiesen wird.

Zur Begründung wird Folgendes vorgetragen:

Das Arbeitseinkommen des Schuldners wurde durch den o.a. Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zugunsten des … gepfändet und diesem zur Einziehung überwiesen. Obwohl es sich um eine Unterhaltsforderung handelt, wurde die Pfändung als gewöhnliche Pfändung ausgebracht, so dass auch eine Bestimmung des Betrags, der dem Schuldner nach § 850d ZPO zu belassen ist, nicht getroffen wurde.

Mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom … hat der hier vertretene Gläubiger das Arbeitseinkommen wegen eines nicht bevorrechtigten titulierten Anspruchs ebenfalls gepfändet. Für diesen Fall sieht § 850e Nr. 4 ZPO vor, dass auf die Unterhaltsansprüche zunächst die Teile des Arbeitseinkommens verrechnet werden, die gemäß § 850d ZPO in erweitertem Umfang der Pfändung unterliegen (Vorrechtsbereich).

Diese Verrechnung hat auf Antrag das Vollstreckungsgericht vorzunehmen. Mit der beantragten Ergänzung des Beschlusses vom … wird dem Drittschuldner deutlich gemacht, dass dem Schuldner aufgrund der Pfändung durch den Unterhaltsgläubiger nur noch der genannte Betrag von … EUR verbleiben darf.

Sobald mithin der titulierte Unterhaltsanspruch des pfändenden Unterhaltsgläubigers den verbleibenden pfändbaren Betrag nicht mehr gänzlich beansprucht, ist der dann freie Teil des Arbeitseinkommens dem hiesigen Gläubiger zu überweisen. Dabei ergibt sich aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom … , der zugunsten dieses Gläubigers erlassen wurde, dass der abzuführende Betrag den aus der Tabelle zu § 850c ZPO ersichtlichen Pfändungsbetrag nicht übersteigen darf.

Der notwendige Unterhalt des Schuldners ist wie folgt zu bestimmen:

Dem Schuldner ist für seinen notwendigen Unterhalt der Regelsatz nach § 28 SGB XII zu belassen...

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