Leitsatz

  1. Duldungspflichten hinsichtlich Luft- und Trittschall nach DIN 4109
  2. Der einzuhaltende Schallschutz richtet sich grundsätzlich nach den im Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes geltenden Schutzwerten
  3. Bei Veränderung des vorhandenen Bodenbelags durch einen Wohnungseigentümer ist nicht auf die z. Zt. der Durchführung der Maßnahme geltende Ausgabe der DIN 4109 abzustellen
  4. Es gibt keinen allgemeinen Anspruch auf Beibehaltung eines vorhandenen, die Mindestanforderungen überschreitenden Trittschallschutzes
 

Normenkette

§ 14 Nr. 1 WEG; § 1004 BGB

 

Kommentar

  1. Eine neue Wohnungsmieterin der beklagten Eigentümerin hatte den von der Vormieterin verlegten Teppichboden im Wohnzimmer durch Laminat und im Flur durch Fliesen ersetzt; der neue Belag wurde jeweils auf einer Schallschutzmatte auf dem ursprünglich vorhandenen Parkettfußboden verlegt. Die klagende Miteigentümerin berief sich auf unzumutbare Lärmbelästigungen in ihrer Wohnung seit Entfernung des Teppichbodens sowie verschlechterten Tritt- und Luftschall. Sie forderte von der Beklagten verbesserte Trittschalldämmung und weitere nähere bezeichnete Maßnahmen. Die Klage wurde in allen Instanzen abgewiesen.

    Das sachverständig beratene Berufungsgericht verneinte den Anspruch der Klägerseite auf Verbesserung des Trittschallschutzes, da sich die akustischen Beeinträchtigungen im Bereich der DIN 4109/Ausgabe 1962 bewegten. Das Haus wurde hier 1966 errichtet. Der Austausch der Bodenbeläge habe zudem zu einer wesentlichen Verbesserung der Trittschalldämmung im Vergleich zum Zustand bei Errichtung des Gebäudes geführt.

  2. Maßstab der Schallschutzverpflichtungen unter Eigentümern ist § 14 Nr. 1 WEG, auch wenn es um einen im Sondereigentum stehenden Oberbodenbelag geht (h.M.). Dabei hat ein Eigentümer auch für die Einhaltung der Pflichten durch diejenigen Personen zu sorgen, denen er eine Wohnung zur Benutzung – wie hier zur Miete – überlässt (vgl. § 14 Nr. 2 WEG).
  3. Fragen einer Nachteilswirkung bzw. Duldungspflicht im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG sind zunächst in tatrichterlicher Würdigung zu klären, was revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist. Dabei beschränkt sich die Prüfung im Wesentlichen darauf, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff des Nachteils zutreffend erfasst und ausgelegt, alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt sowie die Denkgesetze und Erfahrungssätze beachtet hat (h.M.).
  4. Maßgeblich sind in solchen Fragen Schallschutzwerte der DIN 4109 heranzuziehen. Zwar werden durch die Regelung lediglich – überdies rechtlich unverbindliche – Mindestanforderungen bezeichnet, die zur Vermeidung unzumutbarer Belästigungen an den Schallschutz im Hochbau gestellt werden (vgl. BGH, Urteil v. 14.6.2007, VII ZR 45/06). Dieser DIN 4109 kommt gleichwohl ein erhebliches Gewicht zu, soweit es um die Bestimmung dessen geht, was die Wohnungseigentümer an Beeinträchtigungen durch Luft- und Trittschall zu dulden haben (h.M., vgl. u.a. BayObLG, NZM 2000 S. 504/505; OLG München, ZMR 2007 S. 809/810 und OLG Frankfurt, NZM 2005 S. 68/69).
  5. Anwendbar ist vorliegend die DIN 4109/Ausgabe 1962, da sich der zu gewährende Schallschutz grundsätzlich nach den im Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes (1966) geltenden Schallschutzwerten zu richten hat (anerkannt im Mietrecht durch BGH, Urteil v. 6.10.2004, VIII ZR 355/03 und BGH v. 7.7.2010, VIII ZR 85/09). Diese Grundsätze gelten auch für das Wohnungseigentumsrecht. Damit bleiben spätere Änderungen der Werte (vgl. DIN 4109/1989) auf das Verhältnis der Wohnungseigentümer ohne Auswirkungen.
  6. Vorliegend wurde auch in den unter dem Oberflächenbelag befindlichen Estrich und auch in die Geschossdecke nicht eingegriffen. In diesem Fall bleiben die Anforderungen an den Schallschutz unverändert (vorherrschende, allerdings umstrittene Meinung).
  7. Auch im Hinblick auf die nach wie vor geltende DIN 4109/1962 führte die neuerliche Oberflächenbelagsänderung nicht zu einer beeinträchtigenden spürbaren Mehrbelastung anderer Eigentümer, zumal eine Schallpegel-Änderung (-Verschlechterung) um 1 bis 2 dB durch das menschliche Gehör nicht mehr wahrgenommen werden. Allerdings kann sich im Einzelfall ein höheres Schutzniveau ergeben, als es durch die DIN 4109 festgelegt wird; Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Gemeinschaftsordnung Regelungen zum Schallschutz zu entnehmen sind, die über den Mindeststandard hinaus gehen oder dass die Wohnanlage aufgrund tatsächlicher Umstände – wozu etwa die bei ihrer Errichtung vorhandene Ausstattung oder das Wohnumfeld zählen – ein besonderes Gepräge erhalten hat (vgl. u.a. OLG München, NJW 2008 S. 592). Hiervon war vorliegend nicht auszugehen. Der Teppichboden wurde hier erst zu einem Zeitpunkt nach Errichtung des Gebäudes verlegt. Auf die Beibehaltung der dadurch geschaffenen Schallsituation haben Kläger schon deshalb keinen Anspruch, weil sich die Ausstattung im Hinblick darauf, dass der Eigentümer nach § 13 Abs. 1 WEG in der Wahl des Bodenbelags frei ist, letztlich als zufällig erweist (h.M.; a.A. OLG Schl...

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