Rz. 945

Arbeitszeitregelungen bilden einen Schwerpunkt der Mitbestimmung des Betriebsrates in sozialen Angelegenheiten. Auszugleichen ist das unternehmerische Interesse an einem möglichst effektiven Einsatz der Arbeitskräfte und das Interesse der Arbeitnehmer, die Arbeitszeit bestmöglich mit der arbeitsfreien Zeit zu harmonisieren. Gerade bei der Arbeitszeitverteilung des vielfach tariflich vorgegebenen Arbeitszeitvolumens, über das sich i.Ü. die Arbeitsvertragsparteien – ohne Mitbestimmung des Betriebsrates – unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben einigen müssen, gelingt es häufig nicht, ohne Tätigwerden einer Einigungsstelle eine Lösung zu finden.

 

Rz. 946

Bei der betrieblichen Bewältigung von Regelungen zur Arbeitszeit, die in den Mitbestimmungsbereich des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG fallen, empfiehlt es sich, zunächst nach den möglichen gesetzlichen oder tariflichen Vorgaben zu fragen, die den Spielraum angestrebter Regelungen begrenzen könnten. In den MTV, die in den Betrieben häufig ohne Rücksicht auf eine etwaige Tarifbindung im Wege der einzelvertraglichen Bezugnahme zur Grundlage aller Arbeitsverhältnisse gemacht werden, finden sich zumeist sehr detaillierte Bestimmungen zur Arbeitszeit, insb. in Zusammenhang mit tariflich vereinbarten Verkürzungen der Wochenarbeitszeit, die bei Vereinbarungen oder Regelungsabreden mit dem Betriebsrat beachtet werden müssen. Auch die Schutzbestimmungen des ArbZG, z.B. die vorgeschriebene Höchstarbeitszeit und andere Schutzbestimmungen, wie bspw. das Verbot der Arbeit an Sonn- und Feiertagen, können i.R.d. Mitbestimmung nicht außer Acht gelassen werden. Entscheidend für den Umfang des Mitbestimmungsrechts ist auch, welche Zeiten zur “Arbeitszeit‘ zählen. "Arbeitszeit" i.S.v. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ist die Zeit, während derer der Arbeitnehmer verpflichtet bzw. berechtigt ist, seine vertraglich geschuldete Arbeit zu leisten. Mitbestimmungspflichtig ist folglich eine Änderung der Lage der Arbeitszeit, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete Arbeit außerhalb des festgelegten Zeitraumes erbringt oder erbringen soll (BAG v. 14.11.2006 – 1 ABR 5/06). Einzubeziehen sind Zeiten der Arbeitsbereitschaft und des Bereitschaftsdienstes.

Ebenfalls zur Arbeitszeit gehört die vom Arbeitgeber angeordnete Teilnahme an betrieblichen Schulungs- und Fortbildungsmaßnahmen, sodass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates besteht, soweit es um die Festlegung des tageszeitlichen Beginns und Ende der Schulung geht und dabei von der betriebsüblichen Arbeitszeit abgewichen wird (BAG v. 15.4.2008 – 5 AZR 8/08). Bezieht sich die Fortbildung/Schulung ausschließlich auf externe Arbeitnehmer zu deren Qualifikation für eine Tätigkeit bei einem externen Unternehmen, handelt es sich nicht um eine "betriebliche" Berufsbildungsmaßnahme (vgl. BAG v. 26.4.2016 – 1 ABR 21/14). Verlangt der Arbeitgeber, dass eine bestimmte von ihm bereitgestellte Firmenkleidung außerhalb der Arbeitszeit abgelegt wird, ist auch die Umkleidezeit der Arbeitnehmer Arbeitszeit i.S.v. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Die dadurch eintretende Veränderung der Lage der festgesetzten Arbeitszeit ist mitbestimmungspflichtig (BAG v. 10.11.2009 – 1 ABR 54/08). Hingegen scheidet ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG aus, wenn es sich um Reisezeiten handelt und während der Reisezeit keine Arbeitsleistung zu erbringen ist (BAG v. 14.11.2006 – 1 ABR 5/06).

 

Rz. 947

Die Ausübung der Mitbestimmung bei der Festlegung der Arbeitszeit kann zu einer nicht unbeträchtlichen Einschränkung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit führen. Das belegt die nach wie vor aktuelle Entscheidung des BAG v. 31.8.1982 (1 ABR 27/80), mit der akzeptiert wird, dass vom Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auch eine Regelung gedeckt ist, die es unmöglich macht, die gesetzlichen Ladenschlusszeiten auszuschöpfen. Das BAG meint in seiner Beschlussbegründung, der Grundkonzeption des Gesetzgebers, in "eigentliche unternehmerische Entscheidungen" durch die Gewährung von Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechten des Betriebsrates nicht einzugreifen, habe er selbst in der Weise Rechnung getragen, dass er die Beteiligungsrechte des Betriebsrates an den einzelnen Entscheidungen und Maßnahmen unterschiedlich stark ausgestaltet hat, indem er schwächere Beteiligungsrechte dort gewährt hat, wo ihm die Erhaltung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit ganz oder in größerem Umfang geboten erschien, als dies bei der Gewährung von Zustimmungs- oder echten Mitbestimmungsrechten möglich gewesen wäre. Die gegen den Beschluss des BAG eingelegte Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen (EzA § 87 Arbeitszeit Nr. 13a).

 

Rz. 948

Der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht bei allen Fragen in Zusammenhang mit Schichtarbeit. So kann der Arbeitgeber nicht etwa einseitig Schichtarbeit in seinem Betrieb einführen. Der Mitbestimmung unterliegt nicht nur die Frage, ob überhaupt im Schichtbetrieb gearbeitet werden soll und wann die Schichten beginnen ...

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