Rz. 54

Nach § 3 Abs. 2a StVO müssen sich Fahrzeugführer gegenüber Kindern, Hilfsbedürftigen und älteren Menschen – insbesondere durch Verminderung der Fahrgeschwindigkeit und durch Bremsbereitschaft – so verhalten, dass eine Gefährdung dieser Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.

 

Rz. 55

Die Formulierung "so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist" verdeutlicht, dass der Gesetzgeber in § 3 Abs. 2a StVO drastisch erhöhte Sorgfaltsanforderungen an jeden Kraftfahrer stellt mit der Folge, dass grundsätzlich bei einem Unfall mit einem Kind eine Verschuldenshaftung des Kraftfahrers bereits immer dann anzunehmen ist, wenn sich ein Unfall überhaupt nur ereignet. Voraussetzung ist allerdings, dass der Kraftfahrer die in § 3 Abs. 2a StVO aufgezählten "verkehrsschwachen Personen" überhaupt rechtzeitig wahrnehmen konnte (SchlHOLG zfs 1998, 287; LG Osnabrück zfs 1998, 286).

 

Rz. 56

Von einem Kind im Sinne des § 3 Abs. 2a StVO kann dabei wohl nicht mehr bei einem erwachsen Wirkenden gesprochen werden. Es ist also im Hinblick auf die Verkehrsschwäche auch der äußere Anschein wichtig.

 

Beispiel

Ein Kraftfahrer fährt durch eine Straße, in der rechts und links Fahrzeuge geparkt sind, die den Blick auf die Bürgersteige stark beeinträchtigen. Plötzlich springen zwei siebenjährige Kinder hinter einem Fahrzeug hervor auf die Fahrbahn. Der Kraftfahrer fährt eines der Kinder an. In diesem Fall können ihm die gesteigerten Sorgfaltspflichten des § 3 Abs. 2a StVO nur dann entgegengehalten werden, wenn für ihn konkrete Anhaltspunkte dafür bestanden, dass mit Kindern an dieser Stelle zu rechnen ist.

 

Rz. 57

Dies wäre zu bejahen, wenn der Kraftfahrer zuvor schon spielende Kinder gesehen hat. Für eine Verschuldenshaftung ist es nicht ausreichend, dass generell Kinder in der Straße wohnen könnten, die möglicherweise auf dem Gehweg spielen (BGH NZV 1990, 227).

 

Rz. 58

Ein Kraftfahrer darf grundsätzlich nicht darauf vertrauen, dass ein Kind anhalten wird, wenn es mit einem Fahrrad auf die Fahrbahn zufährt und nicht eindeutig erkennen lässt, dass es rechtzeitig abbremsen wird (BGH zfs 1997, 407).

 

Rz. 59

Aufgrund der Neufassung des § 828 BGB durch das Zweite Schadensrechtsänderungsgesetz wurde für Unfälle ab dem 1.8.2002 im Interesse des Schutzes von Kindern bei einem Schaden, der sich bei einem Unfall mit einem Kraftfahrzeug, einer Schienenbahn oder einer Schwebebahn ereignet, die Altersgrenze für eine Haftung/Mithaftung von Kindern auf das vollendete zehnte Lebensjahr angehoben. Der Kraftfahrer kann sich bei Verletzungen von Kindern vor Vollendung ihres zehnten Lebensjahres nur noch bei Vorliegen "höherer Gewalt" nach § 7 Abs. 2 StVG entlasten.

 

Beachte

Das Haftungsprivileg des § 828 Abs. 2 S. 1 BGB greift nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nur dann ein, wenn sich eine typische Überforderungssituation des Kindes durch die spezifischen Gefahren des motorisierten Verkehrs realisiert hat (BGH std. Rspr. seit BGH zfs 2005, 174, 175 ff. und BGH zfs 2005, 177 ff.).

Vgl. zu den Anforderungen dieser Rechtsprechung im Einzelnen die Ausführungen unten (siehe Rdn 182 ff.).

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