Rz. 207

Fehlverhalten Dritter wird dem Versicherungsnehmer dann zugerechnet, wenn dieser Dritte Repräsentant ist. Der Repräsentantenhaftung liegt folgender Gedanke zugrunde: Überträgt der Versicherungsnehmer als Vertragspartner des Versicherungsvertrages jemand anderem die Vertragspflichten in einem solchen Umfange, dass dieser quasi "an die Stelle des Versicherungsnehmers" tritt, den Versicherungsnehmer also gegenüber dem Versicherer repräsentiert, dann soll der Versicherungsnehmer auch für das Verhalten dieses Repräsentanten haften.

 

Rz. 208

Repräsentant ist, wer in dem Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehört, aufgrund eines Vertretungs- oder ähnlichen Verhältnisses an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist.

 

Rz. 209

Die bloße Überlassung der Obhut über das versicherte Risiko reicht hierbei nicht aus (BGH VersR 1993, 828). Der Repräsentant muss vielmehr selbstständig und in einem gewissen, nicht ganz unbedeutenden Umfang berechtigt sein, für den Versicherungsnehmer zu handeln (Übernahme der Risikoverwaltung in einem solchem Umfange, dass dieser quasi "an die Stelle des Versicherungsnehmers" tritt). Bei Übernahme der Risikoverwaltung im vorgenannten Sinne braucht aber nicht noch zusätzlich die Wahrnehmung der Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag (Vertragsverwaltung) durch den Dritten hinzutreten (BGH zfs 1996, 418). Bezogen auf die im Bereich der Kraftfahrtversicherung entscheidende Frage, wann ein vom Versicherungsnehmer abweichender Fahrer Repräsentant ist, gilt:

Der berechtigte Fahrer eines Kfz ist in der Regel – selbst bei längerfristiger Überlassung des Kfz – nicht Repräsentant des Versicherungsnehmers (OLG Oldenburg r+s 1995, 331).
Er ist nur dann Repräsentant, wenn der Fahrer neben der eigenverantwortlichen Nutzung auch für die Unterhaltung und Verkehrssicherheit des Kfz zu sorgen hat (BGH VersR 1996, 1229).
 

Rz. 210

Aus diesen strengen Anforderungen ergeben sich folgende Beispiele:

 

Beispiel für Repräsentanteneigenschaft

Der Sohn nutzt allein den haftpflicht- und vollkaskoversicherten Pkw des Vaters, welcher Versicherungsnehmer ist. Auch im Übrigen hat der Vater nichts mit dem Fahrzeug zu tun. Der Sohn verursacht alkoholisiert einen Unfall.

 

Beispiel für fehlende Repräsentanteneigenschaft

Die Ehefrau nutzt allein den haftpflicht- und vollkaskoversicherten Pkw des Versicherungsnehmers. Der Versicherungsnehmer kümmert sich jedoch um die erforderlichen Inspektionen, TÜV-Abnahmen, Reparaturen etc. Die Ehefrau verursacht alkoholisiert einen Unfall.

 

Rz. 211

Im ersten Beispiel würde eine Zurechnung des Verhaltens des Sohnes zulasten des Vaters erfolgen, da der Sohn sich allein auch um die Unterhaltung sowie Erhaltung der Verkehrssicherheit des Fahrzeugs kümmert. Daher wäre der Versicherer hinsichtlich der Vollkaskoversicherung bei Annahme grober Fahrlässigkeit des Sohnes aufgrund der Zurechnung zulasten des Versicherungsnehmers gem. § 81 Abs. 2 VVG zur Leistungskürzung berechtigt.

 

Rz. 212

Im zweiten Beispiel erfolgt keine Zurechnung des Verhaltens der Ehefrau zulasten des Versicherungsnehmers, weil er die Risikoverwaltung nicht vollständig seiner Ehefrau überlassen hat, sondern sich noch um die Erhaltung der Verkehrssicherheit des Fahrzeugs kümmert. Dementsprechend wäre der Versicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer in der Vollkaskoversicherung vollständig zur Leistung verpflichtet. Auch ein Regress gegenüber der Ehefrau scheidet wegen des Privilegs der häuslichen Gemeinschaft gem. § 86 Abs. 3 VVG (früher: Familienprivileg) aus.

 

Tipp

Es kann insbesondere bei Ehegatten nur empfohlen werden, jeweils Eigentümer und Versicherungsnehmer des vom anderen regelmäßig genutzten Fahrzeugs zu sein, sich allerdings weiterhin noch um die regelmäßigen Dinge wie TÜV-Abnahmen, Abgasuntersuchung, Inspektionen, Reparaturen etc. des vom anderen genutzten Fahrzeugs zu kümmern.

In diesem Fall fehlt wechselseitig jeweils die Repräsentanteneigenschaft, sodass in der Vollkaskoversicherung keine Zurechnung grob fahrlässigen Verhaltens möglich ist. Der Versicherer bleibt zur vollen Leistung verpflichtet und hat wegen § 86 Abs. 3 VVG keine Regressmöglichkeit. Zudem bestehen erhebliche Vorteile wegen der Zeugenstellung der das Fahrzeug nutzenden Person, z.B. im Falle des Verkehrsunfalls, jedoch auch im Versicherungsrecht beim Beweis eines Diebstahls etc.

 

Rz. 213

Der Deckungsschutz in der Haftpflichtversicherung bleibt in jedem Fall in beiden Beispielen für den Versicherungsnehmer bestehen, weil eine Zurechnung entsprechend den Grundsätzen der Repräsentantenhaftung dort nicht erfolgt. Dies liegt daran, dass das Fehlverhalten des gem. § 10 Abs. 2c AKB bzw. A.1.2 c AKB 2008 mitversicherten Fahrers für den Versicherungsnehmer – der z.B. als Halter gem. § 7 StVG in Anspruch genommen werden könnte – versichert ist.

 

Rz. 214

 

Beachte

Die Grundsätze der Repräsentantenhaftung gelten nur für die Kaskoversicherung, sind hingegen in der KH-Versicherung nicht anwendbar. Nach OLG Oldenburg (zfs 1996, 341) ist der Eigent...

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