Rz. 35

Ist sowohl die Umgestaltung der Arbeitsorganisation als auch der Arbeitsplatzwechsel technisch und/oder sachlich nicht möglich oder aus objektiv nachvollziehbaren und begründeten Tatsachen nicht zumutbar, so kommt als 3. und letzter Schritt ein betriebliches Beschäftigungsverbot nach § 13 Abs. 1 Nr. 3[1] in Betracht. Dieses dient dem Vollzug der Gefahrenvermeidung und dem Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Schwangeren und des Kindes.[2] Nach Art. 5 Abs. 3 der Mutterschutzrichtlinie 92/85/EWG ist die Nichtbeschäftigung ein mögliches Instrument, um die Gesundheit der Schwangeren nicht zu gefährden. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 darf der Arbeitgeber die schwangere oder stillende Frau nicht beschäftigen, wenn unverantwortbare Gefährdungen weder durch Schutzmaßnahmen nach Nr. 1 noch durch einen Arbeitsplatzwechsel nach Nr. 2 ausgeschlossen werden können. Die Regelung stellt damit klar, dass das betriebliche Beschäftigungsverbot nachrangig gegenüber den Schutzmaßnahmen nach Nr. 1 oder 2 durchzuführen ist. Können unverantwortbare Gefährdungen weder durch die Gestaltung der Arbeitsbedingungen noch durch einen Arbeitsplatzwechsel ausgeschlossen werden, hat der Arbeitgeber die Frau ganz oder teilweise von der Beschäftigung auszuschließen.

Gerade ein nur teilweises Beschäftigungsverbot gewährt weiterhin die vom Gesetzgeber grundsätzlich gewollte Teilhabe am Arbeitsleben.[3].

Zuständig und verantwortlich für die Erteilung des Beschäftigungsverbots und seine unmittelbare Durchsetzung ist der Arbeitgeber, weil dieser arbeitsvertraglich die Arbeitsleistung entgegennimmt und zur Durchführung des Beschäftigungsverbotes in der Lage ist.

[1] Übernimmt die Regelung des früheren § 3 Abs. 3 MuSchArbV.
[2] Richtlinie 92/85/EWG v. 19.10.1992 (Mutterschutz-Richtlinie).
[3] BT-Drucks. 18/863 S. 83.

2.4.1 Umfang und Dauer des betrieblichen Beschäftigungsverbotes

 

Rz. 36

Die Dauer des betrieblichen Beschäftigungsverbotes richtet sich nach dem Schutzzweck der Norm. Das Beschäftigungsverbot besteht so lange, wie die Gefährdungslage durch Wegbleiben (Vermeidung der Gefährdung der Schwangeren oder Stillenden) ausgeschlossen werden muss. Im Zweifel wird in der betrieblichen Praxis die betreffende Arbeitnehmerin während des gesamten Zeitraumes der Schwangerschaft vom Beschäftigungsverbot erfasst.

 

Rz. 37

Im Unterschied zur Freistellung ist die Frau nicht nur von der Verpflichtung zur arbeitsvertraglich geregelten Arbeitsleistung zu befreien. Vielmehr hat der Arbeitgeber sicherzustellen, dass die Frau ihre Arbeit auch entsprechend dem Beschäftigungsverbot tatsächlich unterbricht. Ihr Entgeltanspruch ("Mutterschutzlohn") richtet sich bei betrieblichen Beschäftigungsverboten nach § 18 MuSchG. Das Beschäftigungsverbot ist nicht disponibel und darf nicht im gegenseitigen Einvernehmen umgangen werden. Im Zweifel hat der Arbeitgeber durch sein Direktionsrecht und organisatorische Maßnahmen dafür zu sorgen, dass ein betriebliches Beschäftigungsverbot auch eingehalten wird.

 

Rz. 38

Das Beschäftigungsverbot darf nur in dem Umfang erfolgen, in dem es zum Ausschluss der unverantwortbaren Gefährdung der schwangeren oder stillenden Frau oder ihres (ungeborenen) Kindes erforderlich ist. Dies ergibt sich schon aus dem gesetzgeberischen Grundsatz der trotz Schwangerschaft verbleibenden Teilhabe am Arbeitsleben.

Für den übrigen Teil der Arbeit sind die Schutzmaßnahmen nach der Maßgabe der § 13 Abs. 1 Nr. 1 und 2 zu ergreifen (Umgestaltung bzw. Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes). Konkrete Arbeitsleistungen, die wegen mangelnder Gefährdung keiner Schutzmaßnahmen bedürfen, können weiterhin von der schwangeren oder stillenden Frau ausgeführt werden.

Die Arbeitsleistung kann nur dann aufgeteilt werden, wenn sie sachlich und fachlich in entsprechende Teile zerlegt werden kann und diese Teile einer jeweils separaten Beurteilung (räumlich, zeitlich, inhaltlich) zugeführt werden können. Bei einer ganzheitlichen Betrachtung und Unteilbarkeit der einzelnen Beschäftigungsabschnitte und Arbeitshandlungen überlagert der gefährdende Teil alles andere.

 

Rz. 39

Das betriebliche Beschäftigungsverbot nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 ist abzugrenzen vom ärztlichen Beschäftigungsverbot nach § 16 MuSchG. Ein von einem Betriebsarzt im Auftrag des Arbeitgebers erlassenes Beschäftigungsverbot gilt dabei formal als betriebliches Beschäftigungsverbot.

2.4.2 Beschäftigungsverbot und Urlaubsanspruch

 

Rz. 40

Die Freistellung aus Gründen eines Beschäftigungsverbotes ist kein Urlaub. Daher kann der Arbeitgeber nicht einseitig Urlaub anordnen, um ein Beschäftigungsverbot damit zu umgehen.[1] Das Beschäftigungsverbot nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 ist ein eigenständiges Rechtsinstrument der bezahlten Freistellung, weil der Arbeitgeber auf keine andere Weise eine unverantwortbare Gefährdung ausschließen kann.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Urlaubsanspruch ein durch das Bundesurlaubsgesetz bedingter Freistellungsanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, von den nach dem Arbeitsverhältnis entstehenden Arbeitspflichten befreit zu werden, ohne dass die Pflicht zur Zahlung des Arbeitsentgelts...

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