4.1 Besonderheiten

Lohnzahlungen an ausgeschiedene Arbeitnehmer bereiten in der Praxis häufig Schwierigkeiten, weil hier aus abzugstechnischen Gründen Sonderregelungen gelten. Der Arbeitslohn, den der Arbeitnehmer erhält, nachdem er aus dem Dienstverhältnis ausgeschieden ist, ist im Normalfall als sonstiger Bezug anzusehen. Dies gilt auch für laufenden Arbeitslohn, wenn die für den nachgezahlten Lohnzahlungszeitraum maßgebenden ELStAM für den Hauptarbeitgeber bereits dem Steuerabzugsverfahren beim neuen Arbeitgeber zugrunde liegen. Besonderheiten ergeben sich aber dadurch, dass der Arbeitnehmer bereits bei Beendigung des Dienstverhältnisses bei der ELStAM-Datenbank vom Arbeitgeber abzumelden ist. Der Firma stehen ab diesem Zeitpunkt die Lohnsteuerabzugsmerkmale für das erste Dienstverhältnis nicht mehr zur Verfügung. Für die Lohnsteuerberechnung von Lohnzahlungen an ausgeschiedene Arbeitnehmer sind 2 Gruppen zu unterscheiden:

  • Arbeitnehmer mit neuem Dienstverhältnis (Anwendung Steuerklasse VI) und
  • Arbeitnehmer ohne neues Dienstverhältnis (Anwendung Steuerklasse I–V).

4.2 Arbeitnehmer mit neuem Dienstverhältnis

Bezieht der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Zahlung des sonstigen Bezugs Arbeitslohn aus einem anderen Dienstverhältnis, so hat der frühere Arbeitgeber für die Einbehaltung der Lohnsteuer den für ein zweites Dienstverhältnis maßgebenden ELStAM-Datensatz anzuwenden. Der sonstige Bezug ist dann unter Anwendung der Steuerklasse VI zu besteuern.

Bei Anwendung der Steuerklasse VI ist der voraussichtliche Jahresarbeitslohn (einschließlich sonstigem Bezug) regelmäßig identisch mit dem zu versteuernden sonstigen Bezug. Eine Erhöhung ergibt sich ausnahmsweise dann, wenn auf der vorgelegten Lohnsteuerbescheinigung bereits Arbeitslohn bescheinigt ist.

4.3 Arbeitnehmer ohne neues Dienstverhältnis

Ist der Arbeitnehmer zwischenzeitlich nicht bei einem neuen Arbeitgeber beschäftigt, kann der frühere Arbeitgeber die ELStAM für das erste Dienstverhältnis abrufen und dem Lohnsteuerabzug zugrunde legen.

Für die Feststellung des voraussichtlichen Jahresarbeitslohns ist der bereits im Lohnkonto eingetragene bzw. gezahlte und elektronisch an die Finanzverwaltung mitgeteilte Arbeitslohn heranzuziehen. Der voraussichtliche Jahresarbeitslohn ist dann auf der Grundlage der Angaben des Arbeitnehmers zu ermitteln. Macht der Arbeitnehmer keine Angaben, ist der beim bisherigen Arbeitgeber zugeflossene Arbeitslohn auf einen Jahresbetrag hochzurechnen.[1] Eine Hochrechnung (Jahresbetrag) ist nicht erforderlich, wenn mit dem Zufließen von weiterem Arbeitslohn im Laufe des Kalenderjahres, z. B. wegen Alters oder Erwerbsunfähigkeit des Arbeitnehmers, nicht zu rechnen ist; dasselbe gilt in Fällen längerer Arbeitslosigkeit.

Ist mit weiterem Arbeitslohn im Laufe des Kalenderjahres nicht zu rechnen, gilt Folgendes:

  • Enthält das Lohnkonto keine Eintragung, so ist der voraussichtliche Arbeitslohn mit 0 EUR anzunehmen.
  • In anderen Fällen darf der im Lohnkonto aufgezeichnete Arbeitslohn als voraussichtlicher Jahresarbeitslohn zugrunde gelegt werden.
 
Praxis-Beispiel

Zahlung eines sonstigen Bezugs an ausgeschiedene Arbeitnehmer

Ein gesetzlich kranken- und rentenversicherungspflichtiger Arbeitnehmer (Steuerklasse I, kinderlos) erhält im Dezember 2024 nach Eintritt in den gesetzlichen Ruhestand eine Tantieme für das Kalenderjahr 2024 i. H. v. 6.000 EUR ausgezahlt. Für die Zeit bis zur Beendigung der Beschäftigung am 31.7.2024 ist im Lohnkonto ein Jahresarbeitslohn von 21.000 EUR bescheinigt.

Ergebnis: Die fällige Lohnsteuer 2024 errechnet sich aus der Differenz der Jahreslohnsteuer des voraussichtlichen Jahresarbeitslohns von 27.000 EUR (21.000 EUR laut Lohnkonto zuzüglich 6.000 EUR) und der Jahreslohnsteuer des Arbeitslohns von 21.000 EUR. Die Lohnsteuer für die Tantiemenzahlung ergibt sich also aus der Differenz:

 
Jahreslohnsteuer aus Jahresarbeitslohn 27.000 EUR 1.938 EUR
Abzgl. Jahreslohnsteuer aus Jahresarbeitslohn 21.000 EUR - 756 EUR
Lohnsteuer für die Tantiemenzahlung 1.182 EUR

Bei der Besteuerung nach der Steuerklasse VI, wenn der Firma die Lohnsteuerabzugsmerkmale für das erste Dienstverhältnis nicht vorliegen, beträgt der für die Anwendung der Jahreslohnsteuertabelle maßgebende Arbeitslohn 0 EUR. Die gesuchte Lohnsteuer ist hier als Jahressteuer des zu versteuernden sonstigen Bezugs von 6.000 EUR aus der Jahreslohnsteuertabelle 2024 mit 661 EUR abzulesen. Der Lohnsteuerabzug nach der Steuerklasse VI führt in diesem Fall zu einem günstigeren Ergebnis als der Steuerabzug nach der Steuerklasse I.

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