Rz. 3
Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung vorsehen, dass sowohl pflicht- als auch freiwillig versicherte Mitglieder jeweils für ein Kalenderjahr einen Teil der von der Krankenkasse zu tragenden Kosten übernehmen können (Selbstbehalt; Satz 1). Der Tarif wird aufgrund einer Ermessensentscheidung des Satzungsgebers (z. B. Verwaltungsrat) eingeführt. Eine vollständige Übernahme der Kosten durch das Mitglied ist nicht zulässig. Der Selbstbehalt kann auf bestimmte Leistungen (z. B. stationäre, ambulante, zahnärztliche Behandlung) beschränkt werden. Der Wahltarif darf nicht auf freiwillige Mitglieder beschränkt werden (BSG, Urteil v. 8.11.2011, B 1 A1/11 R).
Rz. 3a
Das Mitglied verpflichtet sich mit dem Tarifabschluss gegenüber der Krankenkasse im Innenverhältnis zur Kostentragung bis zu der in der Satzung geregelten Grenze. Demnach führt ein Selbstbehalt im Sachleistungssystem dazu, dass der Versicherte weiterhin Naturalleistungen erhält, erforderliche Zuzahlungen entrichtet und danach Zahlungen an die Krankenkasse zu leisten hat (Dreher, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, § 53 Rz. 32). In diesem Rahmen sind grundsätzlich alle Kosten zu berücksichtigen, beim Selbstbehalt anzurechnen und damit vom Mitglied zu tragen. Unberücksichtigt bleiben nach dem Wortlaut des Gesetzes die Leistungen für Familienversicherte (Dreher, a. a. O., Rz. 43 mit einer Kritik an der systemfremden Wirkung von Selbstbehalten). Die Regelung ist nicht an die Kostenerstattung gekoppelt. Die Krankenkassen haben die Selbstbehalttarife nach Einkommensgruppen anzubieten, d. h., die Zuordnung zu den Tarifklassen bestimmt sich nach den beitragspflichtigen Einnahmen.
Rz. 3b
Mit dem Gesetz ist es vereinbar, mehrere Selbstbehaltstufen anzubieten, denen jeweils unterschiedlich hohe Prämien entsprechen. Da die Struktur des Selbstbehalts vom Gesetzgeber nicht festgelegt wurde, ist der Satzungsgeber (z. B. Verwaltungsrat) bei der Einführung in seiner Entscheidung frei. In den Selbstbehalt können alle Leistungen einbezogen werden, weil der Gesetzestext insoweit keine Einschränkungen enthält. Die Satzung einer Krankenkasse darf nur allgemeine Regeln für die Mitglieder enthalten. Individuelle Angebote für einzelne Mitglieder sind nicht zulässig (vgl. BT-Drs. 13/6087 S. 24). Auch wären sie mit der Ausgestaltung der gesetzlichen Krankenversicherung als Solidargemeinschaft nicht vereinbar. Der Selbstbehalt muss immer in einem angemessenen Verhältnis zur Prämie stehen.
Rz. 3c
Der Abrechnungszeitraum für Selbstbehalttarife ist unabhängig von der Dauer der Mitgliedschaft das Kalenderjahr (1.1. bis 31.12.). Die Mindestbindungsfrist beträgt für die Wahltarife 3 Jahre (Abs. 8 Satz 1). Danach ist eine neue Vereinbarung zwischen der Krankenkasse und dem Mitglied zu treffen. Der Selbstbehalttarif gilt nur für Mitglieder, nicht hingegen für familienversicherte Angehörige (§ 10). Im Ergebnis kommen die finanziellen Vorteile ausschließlich dem Mitglied und nicht seinem Arbeitgeber zugute. Ausgeschlossen sind Mitglieder, deren Beiträge vollständig von Dritten getragen werden (z. B. Bezieher von Bürgergeld; vgl. Rz. 20; Abs. 8 Satz 6).
Rz. 3d
Mitglieder erhalten eine Prämie, wenn sie sich für den Wahltarif "Selbstbehalt" entscheiden (Satz 2). Die Satzung kann Tarife vorsehen, die sich nach dem Einkommen richten und unterschiedliche Selbstbehalte und Prämien vorsehen.
Wahlmöglichkeiten
Einkommen pro Monat bis ... EUR |
SB 1 |
SB 2 |
SB 3 |
SB 4 |
1.000 |
ja |
nein |
nein |
nein |
2.000 |
ja |
ja |
nein |
nein |
3.000 |
ja |
ja |
ja |
nein |
mehr als 3.000 |
ja |
ja |
ja |
ja |
Die Versicherten können mit den Selbstbehalttarifen ihre Beitragsbelastung senken. Die Höhe der Prämie ist von der Krankenkasse satzungsmäßig zu regeln. Insgesamt sollen die Selbstbehalttarife die Versicherten zur sparsamen Inanspruchnahme medizinischer Leistungen bewegen. Die Gefahr, dass nicht nur bei Bagatellerkrankungen, sondern auch bei schwerwiegenderen Erkrankungen ein Arztbesuch nicht erfolgt, insbesondere dann, wenn das Jahresende naht, ist nicht von der Hand zu weisen; denn ein Selbstbehalt belohnt die Nichtinanspruchnahme von Leistungen.