Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Begriff der Betriebseinnahmen

 

Leitsatz (NV)

Sogenannte Eigenprovisionen, die der Inhaber einer Versicherungsagentur für den Abschluß von Versicherungsverträgen erhält, die ihn selbst (oder seine Ehefrau) betreffen, sind Betriebseinnahmen.

 

Normenkette

EStG § 2 Abs. 1 S. 1, § 4 Abs. 4, § 8

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Inhaber einer Versicherungsagentur und als solcher gewerbesteuerpflichtig. Zur Einkommensteuer wird er mit seiner Ehefrau, der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), zusammen veranlagt.

In den Streitjahren hatte er mit dem von ihm vertretenen Versicherungsunternehmen auch eigene private Versicherungen abgeschlossen und hierfür in gleicher Weise wie für die Vermittlung an andere Versicherungsnehmer Provisionen (1988: 818 DM; 1989: 2 504 DM; 1990: 599 DM) erhalten, die er als nicht steuerbar ansah. Dem folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) im Anschluß an eine beim Kläger durchgeführte Außenprüfung nicht. Das FA sah die "Eigenprovisionen" als Betriebseinnahmen an und erhöhte (unter Berufung auf §164 Abs. 2 der Abgabenordnung -- AO 1977 --) die Festsetzungen der Einkommensteuer und der Gewerbesteuermeßbeträge für die Streitjahre entsprechend.

Einsprüche und Klage blieben erfolglos. Im Ergebnis bestätigte das Finanzgericht (FG) die Ansicht des FA. Maßgeblich für die Zuordnung der Provisionszahlungen sei nicht der Charakter der Versicherungsverträge, sondern der Umstand, daß es sich um Leistungen aus dem Auftragsverhältnis handele (s. i.ü. die Veröffentlichung in Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1996, 210).

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts, betonen erneut die private Zielsetzung der Versicherungsverträge, für den Abschluß die streitigen Provisionszahlungen geleistet worden seien, und verweisen vor allem auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 18. März 1982 IV R 183/78 (BFHE 136, 76, 78, BStBl II 1982, 587), nach dem "Eigenprovisionen" anläßlich der Anschaffung von Wertpapieren für private Zwecke trotz der gewerblichen Tätigkeit des Steuerschuldners nicht zu den Betriebseinnahmen gehörten.

Der IV. Senat des BFH hat dem erkennenden Senat auf entsprechende Anfrage in einem Parallelverfahren mitgeteilt, daß er an dieser Ansicht nicht festhält. Hiervon sind die Beteiligten im Rahmen der Ladung zur mündlichen Verhandlung unterrichtet worden.

Die Kläger beantragen, das FG-Urteil aufzuheben und die angefochtenen Bescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. Juli 1994 dahin zu ändern, daß die Bemessungsgrundlage

-- für 1988 um 818 DM,

-- für 1989 um 2 504 DM und

-- für 1990 um 599 DM

herabgesetzt wird.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. 1. Die Revision ist unbegründet. Zu Recht haben FA und FG die streitigen Provisionszahlungen ungeachtet dessen als Betriebseinnahmen des Klägers angesehen, daß sie private Versicherungen betrafen.

a) Eine einheitliche Bestimmung des Begriffs der Betriebseinnahmen (Erwerbsbezüge) enthält das Einkommensteuergesetz (EStG) nicht. In Anlehnung an §8 Abs. 1 und §4 Abs. 4 EStG sind darunter alle Zugänge in Geld oder Geldeswert zu verstehen, die durch den Betrieb veranlaßt sind (BFH in ständiger Rechtsprechung; z.B. Urteile vom 14. März 1989 I R 83/85, BFHE 156, 462, BStBl II 1989, 650; vom 13. März 1991 X R 24/89, BFH/NV 1991, 537; vom 9. Oktober 1996 XI R 35/96, BFHE 181, 309, BStBl II 1997, 125; Weber-Grellet in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, §4 Rdnr. D 61ff.; Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 17. Aufl. 1998, §4 Rz. 19 und 420ff.; Blümich/Wacker, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, §4 EStG Rz. 211, jeweils m.w.N.). Damit ist zugleich auch die Maßgröße für den jeweiligen Gewerbeertrag bestimmt (§7 des Gewerbesteuergesetzes).

b) Betrieblich veranlaßt ist ein solcher Wertzuwachs, wenn er in einem nicht nur äußerlichen, sondern sachlichen, wirtschaftlichen Zusammenhang zum Betrieb steht (BFH in BFHE 156, 462, BStBl II 1989, 650; in BFH/NV 1991, 537, 538; s. auch Urteil vom 1. Oktober 1993 III R 32/92, BFHE 172, 445, BStBl II 1994, 179; Schmidt/Heinicke, a.a.O., §4 Rz. 27ff. und 440ff., m.w.N.).

c) Eine derartige Vermögensmehrung muß -- sofern nur objektiv betrieblich veranlaßt -- nicht notwendig als Entgelt auf eine konkrete betriebliche Leistung bezogen werden können, weswegen z.B. grundsätzlich auch Zuschüsse für Investitionen (BFH-Urteile vom 17. September 1987 III R 225/83, BFHE 151, 373, BStBl II 1988, 324; vom 22. Januar 1992 X R 23/89, BFHE 167, 69, BStBl II 1992, 488, und vom 19. Juli 1995 I R 56/94, BFHE 179, 19, BStBl II 1996, 28) oder Existenzgründungen (Urteil in BFHE 181, 309, BStBl II 1997, 125) zu den Betriebseinnahmen gehören. Da es außerdem nicht darauf ankommt, daß sich der Wertzuwachs im Betriebsvermögen auswirkt (BFH-Urteil vom 26. September 1995 VIII R 35/93, BFHE 179, 251, BStBl II 1996, 273), und insoweit auch die Art der Verwendung unbeachtlich ist (BFH-Urteile vom 17. April 1986 IV R 115/84, BFHE 146, 419, BStBl II 1986, 607; in BFHE 181, 309, BStBl II 1997, 125; Schmidt/Heinicke, a.a.O., §4 Rz. 444, jeweils m.w.N.), zählen zu den Betriebseinnahmen ferner:

-- Geschenke an den Steuerschuldner, die durch die steuerbare Leistung veranlaßt sind, aber zusätzlich zum dafür geschuldeten Entgelt erbracht werden (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs vom 9. Oktober 1935 VI A 84/35, RStBl 1936, 139; BFH-Urteil vom 6. September 1990 IV R 125/89, BFHE 161, 552, BStBl II 1990, 1028);

-- von einem Geschäftsfreund zugewendete Auslandsreisen (BFH-Urteile vom 22. Juli 1988 III R 175/85, BFHE 154, 218, BStBl II 1988, 995; vom 20. April 1989 IV R 106/87, BFHE 157, 118, BStBl II 1989, 641; in BFHE 179, 251, BStBl II 1996, 273);

-- das dem Zahnarzt unentgeltlich überlassene Altgold (Urteil in BFHE 146, 419, BStBl II 1986, 607);

-- betriebsbezogene Preise (Urteil in BFHE 156, 462, BStBl II 1989, 650);

-- freiwillige Sozialleistungen eines Versicherungsunternehmens an seine Vertreter (BFH-Urteile vom 26. Oktober 1977 I R 110/76, BFHE 123, 507, BStBl II 1978, 137; vom 27. Februar 1991 XI R 24/88, BFH/NV 1991, 453; in BFHE 172, 445, BStBl II 1994, 179).

d) Für die Zuordnung der "Eigenprovisionen" entscheidend ist somit, daß die Zahlungen auf der gewerblichen Tätigkeit des Empfängers beruhen, der darin liegende Wertzuwachs infolgedessen den erforderlichen Sachzusammenhang zu einem Tatbestand der Einkünfteerzielung i.S. des §2 Abs. 1 Satz 1 EStG aufweist (s. dazu auch BFH in BFHE 181, 309, BStBl II 1997, 125; Tipke/Lang, Steuerrecht, 15. Aufl. 1996, §9 Rz. 52, 206ff., 211 und 226 m.w.N.); unbeachtlich ist dagegen, daß der Zahlungsempfänger zugleich auch Versicherungsnehmer und insofern außerdem ("privater") Nutznießer des "vermittelten" Vertrages ist. Die in dieser Gewichtung liegende Divergenz zum Urteil des IV. Senats in BFHE 136, 76, BStBl II 1982, 587 ist durch dessen Zustimmung zur Anfrage des Senats (s.o.; §11 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) erledigt.

e) Auch daß die streitigen Zahlungen nicht für wirkliche Vermittlungsleistungen des Klägers erbracht wurden, steht ihrer Erfassung bei den Betriebseinnahmen nicht entgegen, weil das weder eine bestimmte zivilrechtliche Qualifikation noch einen konkreten Leistungsbezug voraussetzt.

f) Dieses Gesetzesverständnis bedarf -- entgegen der von den Klägern in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Meinung -- keiner Korrektur im Hinblick auf die in §8 Abs. 3 Satz 2 EStG für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit getroffene Sonderregelung, weil diese -- wie der enge Zusammenhang zu §8 Abs. 3 Satz 1 EStG verdeutlicht -- keinen über diese Einkunftsart hinausreichenden Rechtsgedanken enthält (s. i.ü. zu den verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Freibetragsregelung insgesamt die Nachweise bei Schmidt/Heinicke, a.a.O., §8 Rz. 95).

g) In Übereinstimmung mit den zuvor dargelegten Grundsätzen haben FA und FG die streitigen Provisionszahlungen zutreffend als Betriebseinnahmen angesehen, obgleich sie für den Abschluß von Versicherungsverträgen des Klägers selbst bzw. seiner Ehefrau geleistet wurden (im Ergebnis ebenso außer der Vorentscheidung: FG des Saarlandes, Urteil vom 4. Februar 1992 1 K 214/91, EFG 1992, 436; Niedersächsisches FG, Urteil vom 29. September 1994 II 206/93, EFG 1995, 359; FG Münster, Urteil vom 13. Januar 1995 16 K 4384/93 E, EFG 1996, 210; vgl. auch FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26. Oktober 1994 1 K 1443/89, EFG 1995, 195; Oberfinanzdirektion Düsseldorf, Steuerlicher Eildienst 1995, 140; a.M.: Hessisches FG, Urteil vom 8. Juni 1983 7 K 59/83, EFG 1984, 122, und FG Münster, Urteil vom 23. April 1991 15 K 8048/88 E, EFG 1992, 132).

Für eine solche Entscheidung kommt es nicht auf Modalitäten und Zweckbestimmung der "vermittelten" Versicherungsverträge an, sondern darauf, daß die für die "Vermittlung" geleisteten Zahlungen ihren Rechtsgrund im Auftragsverhältnis zwischen Versicherungsunternehmen und Kläger, also in dessen Erwerbstätigkeit haben. Verdeutlicht wird hier der Zusammenhang zwischen Erwerbstätigkeit und Wertzuwachs noch dadurch, daß die "Eigenprovisionen" von den Vertragspartnern bis hin zur äußeren Form der Abrechnung genauso behandelt wurden wie die für Fremdverträge geleisteten Entgelte.

2. Einer (u.U. teilweisen, i.ü. von keinem der Beteiligten angeregten) Verfahrensunterbrechung nach §74 FGO im Hinblick auf die durch den Beschluß des Niedersächsischen FG vom 23. Juli 1997 IV 317/91 (EFG 1997, 1456) aufgeworfene Frage der Verfassungsmäßigkeit der Gewerbesteuer bedurfte es nicht (s. dazu BFH-Urteil vom 11. November 1997 VIII R 49/95, BFHE 185, 46, BStBl II 1998, 271, m.w.N.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 302887

BFH/NV 1998, 1476

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge