12.5.1 Allgemeines

Auf Antrag des Steuerpflichtigen[1] werden die nach § 20 EStG ermittelten Kapitaleinkünfte der Summe der Einkünfte hinzugerechnet und der tariflichen Einkommensteuer unterworfen, wenn dies zu einer niedrigeren Einkommensteuer als bei Anwendung des Steuersatzes von 25 %[2] führt (Günstigerprüfung).

Hierdurch wird sichergestellt, dass insbesondere für Kapitalanleger mit einer geringen Steuerbelastung durch die 25-prozentige Abgeltungsteuer keine Nachteile eintreten.

Zusammenveranlagte Ehegatten/Lebenspartner können das Wahlrecht nur gemeinsam ausüben.

Der Antrag auf Veranlagung nach § 32d Abs. 6 EStG wird in der Zeile 4 der Anlage KAP gestellt.

Das Finanzamt prüft im Rahmen der Steuerfestsetzung von Amts wegen, ob die Anwendung der allgemeinen Regelungen (insbesondere unter Berücksichtigung des Grundfreibetrags sowie des Altersentlastungsbetrags) zu einer niedrigeren Steuerfestsetzung führt. Sollte dies nicht der Fall sein, gilt der Antrag als nicht gestellt.[3] Wer unsicher ist, ob in seinem Fall die Einbeziehung der Kapitaleinkünfte in den allgemeinen Einkommensteuertarif vorteilhaft ist, kann "gefahrlos" das Veranlagungswahlrecht ausüben, denn das Finanzamt wendet in jedem Fall die für den Steuerpflichtigen günstigere Lösung an.

Der Antrag auf Günstigerprüfung kann nur bis zur Unanfechtbarkeit des Steuerbescheids gestellt werden bzw. solange eine Änderung nach den Vorschriften der Abgabenordnung[4] oder den Einzelsteuergesetzen möglich ist. §§ 177 und 351 Abs. 1 AO sind zu beachten.[5] Eine spätere Berücksichtigung von Kapitalerträgen, für die ein Steuerabzug vorgenommen wurde, kommt generell nicht in Betracht – insbesondere liegen die Voraussetzungen für eine Änderung der Steuerfestsetzung nach §§ 173 und 175 Abs. 1 Nr. 2 AO i. d. R. nicht vor.[6]

 
Hinweis

Sonderfall

Treten die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Antrag auf Günstigerprüfung erst nach Eintritt der Bestandskraft ein, kann hierin ein rückwirkendes Ereignis i. S. d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO vorliegen, das einen korrekturbedürftigen Zustand auslöst.[7]

Die nach § 32d Abs. 5 EStG ermittelte ausländische Steuer[8] wird auch im Fall der Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG angerechnet. Dabei ist die Anrechnung auf die tarifliche Einkommensteuer beschränkt, die auf die hinzugerechneten Kapitaleinkünfte entfällt.[9]

 
Wichtig

Besonderheiten im Rahmen der Günstigerprüfung

  • Es müssen alle Kapitalerträge erklärt werden.
  • Nicht ausgeglichene Verluste bei inländischen Kreditinstituten sind grundsätzlich nur zu berücksichtigen, wenn die Verlustbescheinigung des Instituts[10] vorliegt.[11]
  • Wird die tarifliche Einkommensteuer angesetzt, ist auch die Kirchensteuer als Sonderausgabe abzugsfähig.[12]
  • Die Günstigerprüfung kann auch bei der Bemessung der Vorauszahlungen beantragt werden.[13]

Die nachfolgenden Beispielsfälle geben einen Überblick.

12.5.2 Grenzsteuersatz unter 25 %

Für die weit überwiegende Zahl der Steuerpflichtigen dürfte sich die Ausübung des Veranlagungswahlrechts kaum lohnen, denn bereits ab einem zu versteuernden Einkommen von ca. 18.700 EUR (bei Zusammenveranlagung 37.400 EUR) wird im VZ 2023 ein einkommensteuerlicher (Grenz-)Steuersatz von 25 % erreicht. Zusätzlich ist die Freigrenze beim Solidaritätszuschlag auf die tarifliche Einkommensteuer im Rahmen der Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG einzubeziehen.

Bei einem Grenzsteuersatz unter 25 % dürfte sich der Antrag auf Günstigerprüfung regelmäßig "lohnen":

 
Praxis-Beispiel

Vergleichsrechnung führt zu niedrigerer Steuer

Ein Anleger (ledig, konfessionslos) erzielt im Jahr 2023 nach Abzug des Sparer-Pauschbetrags 3.000 EUR Kapitaleinkünfte. Die übrigen Einkünfte führen zu einem zu versteuernden Einkommen (zvE) von 12.000 EUR.

 
  Gesonderter ­Tarif für Kapitaleinkünfte Progressiver ­Tarif für alle Einkünfte
  EUR EUR
ZvE "übrige Einkünfte" 12.000 12.000
zzgl. Kapitaleinkünfte 3.000
ZvE 12.000 15.000
Einkommensteuer 164,00 736,00
SolZ hierauf 0,00 0,00
zzgl. fixe Steuer auf Kapitaleinkünfte 750,00
SolZ hierauf 41,25
Gesamtsteuer 955,25 736,00

Der Ansatz der tariflichen Einkommensteuer auf alle Einkünfte (einschließlich der Kapitalerträge Grenzbelastung mit ESt: 22,01 %) ist im Ergebnis günstiger als die Besteuerung der Kapitaleinkünfte mit dem Abgeltungsteuersatz und der übrigen Einkünfte ...

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