11.1.1 Überblick

Die Verlustverrechnung für Kapitaleinkünfte, für die der Abgeltungsteuersatz anzuwenden ist, ergibt sich aus § 20 Abs. 6 EStG.

  • Die Verlustverrechnung nach § 20 Abs. 6 EStG greift nicht für Kapitaleinkünfte, die nach § 32d Abs. 2 Nr. 1-3 EStG tariflich besteuert werden.[1]
  • Das Verlustverrechnungsverbot gilt demgegenüber, wenn ein Antrag nach § 32d Abs. 6 EStG gestellt wurde (Günstigerprüfung) und sämtliche Kapitalerträge der tariflichen Einkommensteuer zu unterwerfen sind. Hierbei gibt es eine Besonderheit: Verluste aus Kapitalvermögen, die dem Abgeltungsteuersatz unterliegen, können im Rahmen der Günstigerprüfung mit positiven Kapitaleinkünften, die der tariflichen ESt unterliegen, verrechnet werden.[2]

Übersicht zu § 20 Abs. 6 EStG

 
Satz 1-3 Allgemeine Verlustverrechnungsregelung (Verrechnung nur mit positiven Kapitaleinkünften; darüber hinaus: Verlustvortrag) gilt ab 2009
Satz 4 Aktienveräußerungsverluste (Verrechnung nur mit Aktienveräußerungsgewinnen; darüber hinaus: Verlustvortrag) gilt ab 2009
Satz 5 Termingeschäftsverluste (Verrechnung nur mit Termingeschäftsgewinnen und Stillhalterprämien, max. 20.000 EUR p. a.; darüber hinaus: Verlustvortrag max. 20.000 EUR) gilt ab 2021
Satz 6 Verluste aus wertlosen Kapitalanlagen (Verrechnung mit anderen Kapitaleinkünften, max. 20.000 EUR p. a.; darüber hinaus: Verlustvortrag max. 20.000 EUR) gilt ab 2020

11.1.2 Allgemeine Verlustverrechnungsregelung

Positive und negative Kapitaleinkünfte werden grundsätzlich im laufenden Jahr miteinander verrechnet. Verbleiben hiernach Verluste aus Kapitalvermögen, dürfen diese nicht mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden. Sie dürfen auch nicht nach § 10d EStG abgezogen werden. Der Gesetzgeber lässt lediglich den Verlustvortrag innerhalb der Einkunftsart des § 20 EStG zu.[1] Ein Verlustrücktrag ist ausgeschlossen.

Der Erbe kann einen vom Erblasser nicht ausgenutzten Verlustvortrag nach § 20 Abs. 6 EStG nicht bei seiner eigenen Einkommensteuerveranlagung geltend machen.[2]

 
Hinweis

Ehegattenübergreifende Verlustverrechnung

In der Vergangenheit erfolgte im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung bei zusammenveranlagten Ehegatten/Lebenspartnern eine "ehegattenübergreifende" Verlustverrechnung. Eine solche ist für den Kapitalertragsteuerabzug ausdrücklich gesetzlich geregelt.[3]

Im Jahr 2021 hat der BFH demgegenüber entschieden, dass nicht ausgeglichene Verluste eines Ehegatten aus Kapitalvermögen im Rahmen einer Veranlagung der Kapitalerträge zum gesonderten Tarif i. S. d. § 32d Abs. 1 EStG mangels Rechtsgrundlage nicht ehegattenübergreifend mit positiven Kapitalerträgen des anderen Ehegatten verrechnet werden können.[4]

Entsprechendes gilt für eingetragene Lebenspartnerschaften.[5]

Mit dem JStG 2022 wurde die ehegattenübergreifende Verlustverrechnung durch Änderung des § 20 Abs. 6 Satz 3 EStG auch für Zwecke der Einkommensteuerveranlagung gesetzlich fixiert.

11.1.3 Aktienveräußerungsverluste

Für Aktienveräußerungsverluste gilt ein eigenes Verrechnungsverbot.[1] Diese dürfen nur mit Aktienveräußerungsgewinnen ausgeglichen bzw. verrechnet werden.

Da das Verlustverrechnungsverbot ausdrücklich nur für Aktienveräußerungsverluste gilt, sind ähnliche Investitionen wie z. B. Aktienzertifikate, Aktienfonds (so die Gesetzesbegründung), oder Bezugsrechte hiervon nicht betroffen.[2] Demgegenüber fallen ADR's (American Depositary Receipts[3]) unter das Verrechnungsverbot des § 20 Abs. 6 Satz 4 EStG.[4]

 
Praxis-Beispiel

Verluste aus Aktien vs. Aktienfonds

 
A EUR  
Verluste aus Aktien ./. 1.000 (Verlustvortrag)
Zinsen 1.500  
Anzusetzende Kapitaleinnahmen 1.500 (vor Abzug des Sparer-Pauschbetrags)
B    
Verluste aus ­Aktienfonds ./. 1.000 (Teilfreistellung nach § 20 InvStG 30 %) ./. 700  
Zinsen 1.500  
Anzusetzende Kapitaleinnahmen 800 (vor Abzug des Sparer-Pauschbetrags)

Bei Vergleichsberechnungen von Verlusten aus Aktien und Aktienfonds ist ab 2018 die Teilfreistellung nach § 20 InvStG einzubeziehen.

 
Wichtig

Verlustverrechnungsregelung für Aktienverkäufe verfassungswidrig?

Nach Auffassung des BFH ist diese Regelung nicht verfassungskonform.[5] Der BFH hat daher eine Entscheidung des BVerfG eingeholt, da aus seiner Sicht hierbei der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzt ist. Das Az beim BVerfG lautet 2 BvL 3/21. Betroffene Steuerfestsetzungen ergehen insoweit vorläufig nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO.[6] Anleger sollten prüfen, ob für nicht ausgeglichene Aktienveräußerungsverluste beim Kreditinstitut eine Verlustbescheinigung beantragt werden sollte, damit im Falle einer Verfassungswidrigkeit die Verlustverrechnung in der Einkommensteuerveranlagung erfolgen kann.[7]

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Finance Office Professional. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge