Rz. 40

§ 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Vorschrift gewährleistet in Planungsbereichen, in denen die Zulassung von Ärzten bzw. Psychologischen-Psychotherapeuten wegen Überversorgung beschränkt ist, dass angeordnete Zulassungssperren nicht unverhältnismäßig die Berufsausübung beschränken und dass die Versorgung der Versicherten gewährleistet bleibt. Dies im Einzelnen zu konkretisieren, hat der Gesetzgeber dem Gemeinsamen Bundesausschuss übertragen, der dementsprechend in der Bedarfsplanungs-Richtlinie die Voraussetzungen für solche ausnahmsweisen Zulassungen festgelegt hat. Gegen die Übertragung der Befugnis zur Normkonkretisierung auf den Gemeinsamen Bundesausschuss bestehen nach ständiger Rechtsprechung des BSG keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken, zumal der Gesetzgeber Inhalt, Zweck und Ausmaß der Regelung präzise vorgegeben und damit die wesentlichen Fragen selbst entschieden hat (so BSG, Urteile v. 28.6.2000, B 6 KA 35/99 R, v. 5.11.2008 B 6 KA 56/07 R, v. 2.9.2009, B 6 KA 34/08 R).

§ 101 Abs. 1 Nr. 3 verpflichtet den Gemeinsamen Bundesausschuss zum Erlass von Vorgaben für die ausnahmsweise Besetzung zusätzlicher Vertragsarztsitze. Die Übertragung auf den Gemeinsamen Bundesausschuss, konkrete Festsetzungen vorzunehmen, hat das BSG auch in neuester Zeit nicht beanstandet (Urteil v. 17.3.2021, B 6 KA 2/20 R). Die Gewährleistung der vertragsärztlichen Versorgung in einem Versorgungsbereich muss durch die Schaffung weiterer Arztsitze unerlässlich sein, um einen zusätzlichen lokalen oder einen qualifikationsbezogenen Versorgungsbedarf innerhalb einer Arztgruppe zu decken. Auch unter Berücksichtigung des Art. 12 Abs. 1 GG wird ein Ausgleich zu einer an der strikten, an Verhältniszahlen orientierten Festsetzung der Arztsitze geschaffen.

Unerlässlich ist keine Notstandsregelung (vgl. Pawlita, in: jurisPK-SGB V, § 101 Rz. 170), die Auslegung wird auch nicht durch das Wunschrecht der Patienten auf eine optimale, an einen bestimmten Ort gebundene Versorgung bestimmt.

Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Voraussetzungen eines lokalen oder qualifikationsbezogenen Sonderbedarfs in den Vorschriften der §§ 36 und 37 Bedarfsplanungs-Richtlinie im Einzelnen neu gefasst.

Auch wenn die Rechtsprechung den Zulassungsgremien einen Beurteilungsspielraum zubilligt, werden in der Praxis durch die gerichtlichen Entscheidungen derartige Anforderungen an die Ermittlungstiefe gestellt, dass die Einschätzungsprärogative der Gremien unverhältnismäßig eingeschränkt wird.

Die Prüfung des Sonderbedarfs setzt im Planungsbereich an, bezogen auf den Ort der Niederlassung. Es kommt immer auf die reale Versorgungssituation an. Es können allerdings auch benachbarte Planungsbereiche in die Erwägungen einbezogen werden (BSG, Urteil v. 17.3.2021, B 6 KA 2/20 R).

§ 36 Abs. 1 Bedarfsplanungs-Richtlinie verlangt für die Anerkennung eines Sonderbedarfs die Unerlässlichkeit und fügt in Abs. 3 und Abs. 4 Konkretisierungen hinzu. Abs. 3 legt die Mindestvoraussetzungen fest:

1. Abgrenzung einer Region, die von dem beantragten Ort der Niederlassung aus versorgt werden soll und Bewertung der Versorgungslage (Feststellung einer unzureichenden Versorgungslage).

2. Der Ort der Niederlassung muss für die beantragte Versorgung geeignet sein (Erreichbarkeit, Stabilität). Der Ort der Niederlassung muss strukturelle Mindestvoraussetzungen erfüllen; der Einzugsbereich muss über eine ausreichende Anzahl an Patienten verfügen; dabei sind die Auswirkungen auf bestehende Versorgungsstrukturen zu beachten.

Abs. 3 benennt im Einzelnen die Anforderungen an die schon an sich bestehende Ermittlungspflicht der Zulassungsgremien (Satz 1). Dazu gehört die Inanspruchnahme geografischer Informationen (Anlage 7), Berücksichtigung von Besonderheiten in Struktur, Zuschnitt, Lage Infrastruktur, geografische Besonderheiten, Verkehrsanbindung und Verteilung der niedergelassenen Ärzte. Die Anforderungen an die Ermittlungspflicht dürfen nicht überspannt werden und ins "Blaue" hinein gehen (BSG, Urteil v. 28.6.2017, B 6 KA 28/16 R). Die gesetzlichen Anforderungen umgesetzt, bedeutet die Ermittlung einer realen Unterversorgung. Das bedeutet, dass zu prüfen ist, ob andere Leistungserbringer schon ausreichend die infrage stehenden Leistungen erbringen. Aus einem bestimmten Grad der Überversorgung kann nicht ohne Weiteres auf einen Sonderbedarf geschlossen werden (Pawlita, in: jurisPK-SGB V, § 101 Rz. 176). Ein Sonderbedarf zielt nicht auf die Lösung systematischer Defizite ab. Deshalb kann einem Antrag auf Zulassung im Sonderbedarf nicht entsprochen werden, dass die Versorgung bezogen auf die gesamte Arztgruppe in quantitativ allgemeiner Hinsicht nicht gedeckt ist (BSG, Urteil v. 28.6.2017, B 6 KA 28/16 R; Pawlita, a. a. O.). Um den realen Versorgungsbedarf zu ermitteln, haben die Zulassungsgremien die niedergelassenen Ärzte, die Krankenkassen und im Fall der Facharztzulassung die niedergelassenen Hausärzte zu Wartezeiten, ihrem Versorgungsangebot und zu den Aufnahmekapazitäten für neue Patienten ...

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