Wer kennt sie nicht, die Redensart "Erstens kommt es anders und zweitens, als man denkt". Es handelt sich um einen scherzhaften Kommentar, wenn ein Ereignis anders als geplant verläuft. Dass aus dem Scherz schnell Ernst werden kann, zeigt eine Entscheidung des AG Bad Oeynhausen (Urteil v. 26.6.2020, 24 C 868/19, DStRE 2022, S. 574).

Zustandekommen eines Steuerberaterdienstvertrags

Zum Zustandekommen eines Steuerberaterdienstvertrags ist eine ausdrückliche Entgeltabrede nicht erforderlich. Ziehen (ursprünglich) befreundete Personen allerdings keine klare Grenze, wo die Gefälligkeit aufhört und die entgeltliche Leistung beginnt, sind Rechtsstreitigkeiten spätestens vorprogrammiert, wenn der Steuerberater eine Rechnung über Beratungsleistungen stellt.

 
Hinweis

Steuerberatungsvertrag stets schriftlich fixieren

Ein Steuerberatungsvertrag kann auch mündlich geschlossen werden. Es bietet sich aus Gründen der Nachweisbarkeit an, den Vertrag schriftlich zu fixieren. Um eine angemessene Vergütung zu erhalten und Unklarheiten und Diskussionen aus dem Weg zu gehen, sollte unbedingt auch eine schriftliche Vereinbarung über die Vergütung getroffen werden.

Der "Ernstfall" des AG Bad Oeynhausen

Steuerberater S und sein Mandant M, der eine selbstständige Fahrzeugwerkstatt betreibt, waren befreundet und stellten sich kleinere Gefälligkeiten im Rahmen ihrer jeweiligen beruflichen Tätigkeiten nicht in Rechnung. Z. B. erstellte S für M in der Zeit, als er noch Angestellter war, unentgeltlich die Steuererklärung. Umgekehrt wechselte M für S die Räder an dessen Fahrzeug. Umfangreichere Tätigkeiten wie etwa eine Fahrzeugreparatur über rd. 1.000 EUR wurden hingegen abgerechnet.

Im Jahr 2017 beauftrage M den S, Einspruch gegen einen Haftungsbescheid des Finanzamts einzulegen sowie die Steuererklärungen für die Jahre 2015 und 2016 zu erstellen.

Zum Rechtsstreit kam es, als S im April 2018 zunächst für seine Tätigkeiten 1.056 EUR in Rechnung stellte. Hierbei gab er als Leistungsdatum April 2018 an und zitierte bei der Rechnungsposition "Erledigungsgebühr für Rücknahme des Haftungsbescheids" den zum damaligen Zeitpunkt bereits außer Kraft getretenen § 40 Abs. 2 StBGebV.

Während des Rechtsstreits hat S eine neu erstellte Rechnung aus dem Januar 2020 über 1.548 EUR eingereicht. Diese Rechnung gibt als Leistungsdatum den Januar 2018 an und zitiert bei sämtlichen Rechnungspositionen die StBVV. M sah die Rechnung(en) durch die außerordentlich große Menge an Getränken, die er zur privaten Silvesterparty am 31.12.1997 der beiden beigesteuert hatte, als beglichen an.

Gericht erkennt Forderung als berechtigt an

Das AG Oeynhausen hat S in dem Honorarstreit Recht gegeben und M verurteilt, den Betrag von 1.548 EUR zu zahlen sowie die vorgerichtlichen Anwaltskosten i. H. v. 170 EUR zu ersetzen, da die Parteien keine ­Unentgeltlichkeit vereinbart hätten. Grundsätzlich müsse M dem S eine Vergütung für seine Tätigkeit zahlen. M habe nämlich S beauftragt, gegen den Haftungsbescheid vorzugehen und die Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2015 und 2016 zu erstellen.

Eine Vergütung gelte als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten sei (§ 612 BGB). Dies sei bei einer Steuerberatertätigkeit grundsätzlich der Fall. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz könne zwar bestehen, falls die Parteien eine Unentgeltlichkeit vereinbart hätten. Für eine solche Vereinbarung bedürfe es allerdings des übereinstimmenden Willens beider Seiten.

 
Hinweis

Übereinstimmender Wille ist maßgebend

Für die Feststellung, welchen Inhalt eine vertragliche Vereinbarung hat, kommt es zunächst auf das an, was die Vertragsparteien sich vorgestellt haben. Falls beide Vertragsparteien dieselbe Vorstellung von dem Vertragsinhalt hatten, ist dieser übereinstimmende Wille maßgeblich (§§ 133, 157 BGB).

Das Gericht wertete die mitgebrachten Silvestergetränke gerade als Anzeichen dafür, dass M zum damaligen Zeitpunkt klar gewesen sei, dass die beauftragte Leistung nicht umsonst sein werde. Zwar habe sich M (möglicherweise) vorgestellt, mit einer Sachleistung (den Getränken) statt mit einer Geldleistung zahlen zu können. Anhaltspunkte für einen übereinstimmenden Willen beider Seiten oder für eine Erklärung des S, deren Inhalt die objektive Bedeutung habe, er erkläre sich mit den Getränken als Gegenleistung einverstanden oder er verzichte auf Forderungen ­gegenüber M, sah das Gericht hierin jedoch nicht.

Damit war der Anspruch des Steuerberaters nach ­Ansicht des Gerichts noch nicht erloschen.

 
Hinweis

Forderungsverzicht muss ausdrücklich erklärt werden

Ein Forderungsverzicht muss ausdrücklich erklärt werden oder ist auf Grundlage des Verständnisses eines objektiven Dritten zu ermitteln. Selbst wenn M hätte nachweisen können, dass S angesichts der opulenten Getränke gesagt hätte, "Ich möchte nichts für meine Leistung" oder "Du weißt doch, dass ich nichts für meine Arbeit möchte", hätte das ein objektiver Dritter nicht als Verzicht oder Annahme an Erfüllun...

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