7.1 Allgemeines

 

Rz. 431

§ 4 Abs. 2 EStG regelt die Bilanzänderung, fasst unter diesem Begriff aber 2 verschiedene Fälle zusammen. Die Vorschrift gilt für alle Fälle des Vermögensvergleichs und damit sowohl für die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG als auch für die Bilanzierung nach § 5 EStG.

In S. 1 regelt die Vorschrift, dass der Stpfl. die Bilanz auch nach Einreichung bei dem FA noch ändern darf, soweit sie den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und zwingenden Bilanzierungsvorschriften des EStG nicht entspricht. In diesem Fall widerspricht die Bilanz also den gesetzlichen Bestimmungen; sie ist unrichtig, die Bilanzänderung hat den Charakter einer Bilanzberichtigung.

S. 2 regelt die Fälle, in denen die Bilanz danach richtig ist, aber geändert werden soll. Diese Änderung setzt gedanklich voraus, dass ein Bilanzierungs- oder Bewertungswahlrecht besteht, das anders als in der Bilanz ausgewiesen ausgeübt werden soll. Für diese Fälle der Bilanzänderung i. e. S. wird die Änderbarkeit durch das Gesetz eingeschränkt.[1]

 

Rz. 432

Eine Bilanzänderung (Bilanzberichtigung, Bilanzänderung i. e. S.) setzt voraus, dass überhaupt eine wirksame Bilanz vorliegt, also etwa von den zuständigen Gesellschaftsgremien beschlossen worden ist. Auch dann liegt jedoch keine (wirksame) Bilanz vor, wenn sie nichtig ist, weil sie schwerwiegende Verstöße gegen gesetzliche Bestimmungen enthält. In diesen Fällen handelt es sich nicht um eine Bilanzänderung nach Abs. 2, sondern um das (erstmalige) Aufstellen einer wirksamen Bilanz. Ist die Bilanz dagegen nur anfechtbar, liegt eine wirksame Bilanz solange vor, bis sie erfolgreich angefochten worden ist. Änderungen dieser Bilanz fallen unter Abs. 2.

[1] Dreßler, BB 2016, 2731.

7.2 Bilanzberichtigung

 

Rz. 433

Eine Bilanzberichtigung hat zu erfolgen, wenn die Bilanz unrichtig ist, weil zwingende handels- und steuerrechtliche Grundsätze und Vorschriften nicht berücksichtigt worden sind.

Eine Bilanzberichtigung liegt vor, wenn ein unrichtiger Bilanzansatz durch einen richtigen ersetzt werden soll. Die Bilanzberichtigung kann alle Positionen der Bilanz hinsichtlich Ansatz und Bewertung betreffen, also Wirtschaftsgüter des Anlage- und Umlaufvermögens, einschließlich aktive Rechnungsabgrenzungsposten, Verbindlichkeiten, Rückstellungen und passive Rechnungsabgrenzungsposten. Darüber hinaus kann die Bilanzberichtigung auch das Eigenkapital betreffen. Damit sind auch Fehler bei der Buchung von Einlagen und Entnahmen der Bilanzberichtigung zugänglich.[1] Einlagen und Entnahmen haben nach Abs. 1 unmittelbare Auswirkungen auf den Gewinn; damit wird eine gewinnwirksame Bilanzposition verändert. Es genügt damit eine Veränderung der Zusammensetzung des Eigenkapitals; daher sieht der BFH auch in der per Saldo ergebnisneutralen Änderung der Eigenkapitalposten eine Bilanzberichtigung.

 

Rz. 434

Die Bilanz muss die Verhältnisse am Bilanzstichtag richtig wiedergeben (Stichtagsprinzip; vgl. § 6 EStG Rz. 71). Sie muss zum Tag der Bilanzaufstellung i. d. S. richtig sein, dass der Stpfl. alle bis zum Bilanzstichtag nach seinem Wissen eingetretenen Tatsachen (wertbegründende Tatsachen; vgl. § 6 EStG Rz. 72) sowie alle bis zu dem Zeitpunkt der Bilanzaufstellung gewonnenen Erkenntnisse über die Verhältnisse zum Bilanzstichtag berücksichtigt (wertaufhellende Tatsachen; vgl. § 6 EStG Rz. 73).[2] Nach dem Bilanzstichtag eintretende Tatsachen und bessere Erkenntnisse nach Aufstellung der Bilanz bleiben unberücksichtigt. Der Begriff der Richtigkeit der Bilanz bezeichnet daher die "subjektive Richtigkeit", d. h. die Berücksichtigung aller Kenntnisse, die der Stpfl. bei Anlegen des Maßstabs eines ordentlichen Kaufmanns hatte oder haben konnte.[3] Stellt sich später heraus, dass die Bilanz trotzdem mit den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen objektiv nicht in Einklang steht, ohne dass ein ordentlicher Kaufmann dies an den maßgebenden Stichtagen wissen musste, handelt es sich nicht um eine unrichtige Bilanz.[4]

Nach dieser Definition ist die Bilanz unrichtig, wenn sie objektiv nicht den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen entspricht. Die Tatsache, dass sie nicht denjenigen Kenntnisstand widerspiegelt, den der Kaufmann im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung bei pflichtgemäßer und gewissenhafter Prüfung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse haben konnte (subjektiver Fehlerbegriff), spielen für eine Beurteilung der Richtigkeit der Bilanz keine Rolle.[5] Diese Änderung der Rspr. erweitert die Möglichkeit des Stpfl. einer Bilanzänderung nach § 4 Abs. 2 S. 2 EStG.[6] Eine Ausstrahlungswirkung für die Handelsbilanz[7] habe diese Änderung der Rspr. allerdings nicht.[8] Darüber hinaus führt das Urteil des Großen Senates zu einem gespaltenen Fehlerbegriff in der Steuerbilanz. Denn der Große Senat bejahte den objektiven Fehlerbegriff lediglich für bilanzielle Rechtsfragen. Handelt es sich um Tatsachenfragen, bleibt es zunächst bei der Maßgeblichkeit des subjektiven Fehlerbegriffes.[9]

Dabei ist dem Stpfl. ein Verschulden seines steuerlichen Beraters bei der Bi...

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