Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftungsbeschränkung nach § 1975 BGB

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Beschränkung der Zwangsvollstreckung für Steuerschulden aus dem Gewinn des Erben aus der Veräußerung einer Arztpraxis (hier: Pathologie) auf den Nachlass gemäß § 45 Abs. 2 AO i.V. mit § 1975 BGB greift nicht bereits deswegen ein, weil der Erbe die Praxis mangels Approbation nicht fortführen darf.

 

Normenkette

BGB § 1975; AO § 45 Abs. 2

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Beschränkung der Zwangsvollstreckung auf den Nachlass gemäß § 45 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 1975 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).

Der Kläger ist Erbe des am 00.00.0000 verstorbenen E. Im Nachlasswege ging unter anderem die Pathologie O auf den Kläger über. Der Kläger ist nicht als Arzt zugelassen und verfügt auch nicht über die erforderliche persönliche Qualifikation. Der Nachlass war mit einem Vermächtnis zu Gunsten der Nichte des Klägers beschwert.

Der Kläger ließ die Pathologie O zunächst durch Herrn L kommissarisch fortführen. Im Anschluss hieran veräußerte er mit Vertragsschluss vom 00.00.2010 die Pathologie O an die M-GmbH. Er erzielte einen Veräußerungsgewinn i.H.v. X €.

Mit Beschluss vom 31.10.2014 ordnete das Amtsgericht N die vorläufige Insolvenzverwaltung über den Nachlass an. Am 02.03.2015 eröffnete es schließlich das Insolvenzverfahren über den Nachlass.

Das zum damaligen Zeitpunkt zuständige Finanzamt P hat den Kläger gemeinsam mit seiner Ehefrau R 2 mit Bescheid vom 13.09.2013, zuletzt geändert durch Bescheid vom 01.08.2014, zusammen zur Einkommensteuer veranlagt und Einkommensteuer i.H.v. X € sowie Solidaritätszuschlag i.H.v. X € festgesetzt. Am 23.09.2013 beantragte der Kläger gemeinsam mit seiner Ehefrau, die Steuerschuld nach § 268 AO aufzuteilen. Mit Datum vom 05.12.2013, geändert durch Bescheid vom 04.08.2014, nahm das Finanzamt P die Aufteilung mit Wirkung vom 23.09.2013 vor. Für den Kläger wurde eine fiktive Einkommensteuer i.H.v. X € ermittelt, entsprechend wurde ihm ein Anteil von 98,67 % zugewiesen.

Jeweils mit Datum vom 30.04.2014, vom 15.05.2014 und vom 17.06.2015 betrieb das Finanzamt P die Zwangsvollstreckung zur Begleichung der rückständigen Steuerschulden und erließ verschiedene Pfändungs- und Einziehungsverfügungen. Aufgrund eines Antrages vom 15.05.2014 wurde am 19.05.2014 eine Sicherungshypothek bestellt. Mit Wirkung vom 20.10.2016 erfolgte die Zwangsversteigerung des besicherten Grundstücks auf Betreiben vorrangiger Gläubiger, eine Zuteilung zugunsten des Landes NRW erfolgte nicht. Am 23.08.2017 wurde seitens des Amtsgerichts O – Hinterlegungsstelle – eine Zahlung i.H.v. X € freigegeben.

Nach einem Zuständigkeitswechsel setzte der Beklagte die Zwangsvollstreckung am 29.09.2015 mit Erlass mehrerer Pfändungs- und Einziehungsverfügungen fort.

Mit Schriftsatz vom 14.10.2015 beantragte der Kläger die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 258 AO sowie festzustellen, dass die Zwangsvollstreckung bzgl. der sich aus dem Veräußerungsgewinn des Veranlagungszeitraums 2011 ergebenden Steuer in das Eigenvermögen des Klägers unzulässig ist. Der Beklagte lehnte mit Schreiben vom 12.01.2016 die Einstellung der Zwangsvollstreckung ab. Eine Unbilligkeit liege nicht vor, da die Zwangsvollstreckung rechtmäßig erfolge und eine Beschränkung der Zwangsvollstreckung auf den Nachlass durch die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens nicht eingetreten sei. Gegen die Ablehnung legte der Kläger am 08.02.2016 Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 30.06.2016 als unbegründet zurückwies.

Der Kläger hat am 13.07.2016 Klage erhoben, mit der er sein Anliegen aufrechterhält. Nach der zwischenzeitlich geänderten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) sei die Frage der Beschränkung der Zwangsvollstreckung auf den Nachlass zivilrechtlich zu beantworten. Der Bundesgerichtshof (BGH) habe in einem Verfahren betreffend das Wohnungseigentum nach dem Wohnungseigentumgsgesetz (WEG) aber ausgeführt, es komme nicht darauf an, ob die Begründung einzelner Hausgeldschulden dem Erben zuzurechnen sei, sondern das Halten der Wohnung als solches. In Ausnahmefällen biete hierbei ein passives Verhalten keine Haftungsgrundlage, nämlich dann, wenn der Erbe keine Handlungsoption über die Nutzung der Wohnung habe und er keine Nutzungen aus der Wohnung ziehe und auch nicht ziehen könne. Übertrage man dies auf den hier zur Beurteilung stehenden Sachverhalt, so liege keine Haftungsgrundlage vor. Denn der Kläger verfüge bereits nicht über die erforderliche Berufsqualifikation zur Führung einer Pathologie. Er habe daher auf Grund öffentlich-rechtlicher Vorschriften entweder die Pathologie O verkaufen oder schließen müssen. Zudem hätten ihm widrigenfalls nicht die erforderlichen Mittel zur Erfüllung des verfügten Vermächtnisses zur Verfügung gestanden, weshalb er bereits zur Vermeidung eines Schadensersatzanspruches der Vermächtnisnehmerin die Pathologie habe veräußern müssen. Ihm seien daher keine anderen Handlun...

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