Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtzeitigkeit der Klageerhebung, Fristlauf durch Ersatzzustellung mittels PZU

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Derjenige, der sich auf die Unwirksamkeit der Ersatzzustellung durch PZU beruft, muss den Nachweis eines anderen als des beurkundeten Geschehensablaufs erbringen, sodass ein Fehlverhalten des Zustellers und eine Falschbeurkundung in der Zustellungsurkunde belegt sind.

2. Entscheidend für ein die Ersatzzustellung durch Einlegen des Schriftstücks in den Briefkasten eröffnendes Fehlschlagen der gem. §§ 180 S. 1, 178 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 ZPO vorrangig durchzuführenden persönlichen Zustellung und der Ersatzzustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 ZPO ist, dass der Postzusteller aus seiner Sicht bei pflichtgemäßer Durchführung der vom Gesetz vorgeschriebenen Förmlichkeiten der Zustellung die vorrangigen Formen der Zustellung tatsächlich nicht durchführen kann Wird dem Postzusteller auf eine einmalige Betätigung der Klingelanlage hin nicht hinreichend schnell und für ihn ersichtlich die Tür geöffnet, so trifft er zwangsläufig weder den Zustellungsadressaten noch eine zum Empfang berechtigte Person i.S.d. § 178 ZPO tatsächlich an und die Voraussetzungen einer Ersatzzustellung nach § 180 ZPO sind eröffnet.

 

Normenkette

ZPO § 418 Abs. 2, § 178 Abs. 1 S. 1, § 180

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten in formaler Hinsicht über die rechtzeitige Erhebung der Klage gegen die Umsatzsteuerfestsetzungen 2014 und 2015 sowie die Zinsfestsetzungen zur Umsatzsteuer 2014 und 2015 und materiell über das Vorliegen der Voraussetzungen von innergemeinschaftlichen Lieferungen und Dreiecksgeschäften, die Steuerbarkeit einzelner Lieferungen und den Umfang des Vorsteuerabzuges.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die einen Vertrieb und Handel mit mobiler Technik in I betreibt.

Für das Jahr 2014 meldete die Klägerin mit Umsatzsteuererklärung vom 20.4.2016 eine festzusetzende Umsatzsteuer i.H. von 351,65 € an und ermittelte auf Grund geleisteter Vorauszahlungen i.H. von 2.161,14 € einen Erstattungsanspruch zu ihren Gunsten i.H. von 1.809,49 €. Der Beklagte stimmte der Steueranmeldung mit Abrechnung vom 10.8.2016 zu und setzte zugleich mit Bescheid vom 10.8.2016 Zinsen zur Umsatzsteuer 2014 i.H. von -36,00 € fest. Mit Umsatzsteuererklärung vom 1.3.2017 meldete die Klägerin eine Umsatzsteuer für 2015 i.H. von 11.658,76 € an und ermittelte auf Grund der geleisteten Vorauszahlungen eine verbleibende Steuerschuld i.H. von 470,25 €.

Beginnend im März 2019 führte das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung I eine Außenprüfung bei der Klägerin durch. In ihrem Bericht vom 16.8.2019, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, stellte die Prüferin unter anderem fest, dass zahlreiche angeforderte Rechnungsbelege und Unterlagen nicht vorgelegt worden seien. Es könne daher nicht festgestellt werden, ob die Voraussetzungen eines steuerfreien innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts (Prüferanfragen 01 und 03) und steuerfreier innergemeinschaftlicher Lieferungen (Prüferanfrage 02) vorlägen. Ebenso wenig könne der Lieferort für diejenigen Lieferungen überprüft werden, für die die Klägerin einen Lieferort im Ausland erklärt habe (Prüferanfragen 11 und 12). Für einen Betrag i.H. von 304,00 € habe die Klägerin die für einen Vorsteuerabzug erforderlichen Belege nicht beigebracht (Prüferanfrage 17).

Mit Bescheiden vom 1.12.2020 setzte der Beklagte entsprechend den Feststellungen der Außenprüfung die Umsatzsteuer für das Jahr 2014 auf 760.837,10 € und für das Jahr 2015 auf 22.631,45 € fest und hob den Vorbehalt der Nachprüfung jeweils auf. Zugleich setzte der Beklagte mit Bescheiden vom selben Tag Zinsen zur Umsatzsteuer 2014 i.H. von 197.681,00 € und zur Umsatzsteuer 2015 i.H. von 2.190,00 € fest. Die Berechnung der Zinsen erfolgte auf der Grundlage einer ursprünglich geplanten Bekanntgabe der Bescheide zum 13.8.2020. Die Festsetzung erfolgte hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Höhe des Zinssatzes vorläufig.

Die Klägerin legte am 21.12.2020 Einspruch gegen die Umsatzsteuerbescheide für 2014 und 2015 ein. Am 5.1.2021 änderte der Beklagte die Zinsfestsetzungen und setzte nunmehr entsprechend der zum 4.12.2020 erfolgten Bekanntgabe der Umsatzsteuerfestsetzungen Zinsen zur Umsatzsteuer 2014 i.H. von 212.890,00 € und zur Umsatzsteuer 2015 i.H. von 2.409,00 € fest. Hiergegen legte die Klägerin am 25.1.2021 jeweils Einspruch ein.

Nachdem die Klägerin mit Schreiben vom 18.1.2021 um Übersendung der Prüfungsanfragen gebeten hatte, um die Einsprüche begründen zu können, kam der Beklagte dieser Bitte nach und forderte die Klägerin zur Begründung der Einsprüche nach antragsgemäß gewährter Fristverlängerung bis zum 30.4.2021 auf.

Mit Einspruchsentscheidungen vom 11.5.2021 wies der Beklagte die Einsprüche gegen die Umsatzsteuer 2014 und 2015 und gegen die Zinsen zur Umsatzsteuer 2014 und 2015 jeweils unter Aufrechterhaltung der in den zugrundeliegenden Bescheiden enthaltenen Vorläufigkeitsvermerke als unbegr...

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