Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesonderte Feststellung der Steuerfreiheit eines Sanierungsertrags. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: IV R 23/23)

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Unternehmen ist sanierungsbedürftig, wenn es ohne die Sanierung nicht fortgeführt werden kann, was jedenfalls beim Vorliegen eines Insolvenzantragsgrundes der Fall ist.

2. Sanierungsfähigkeit und Sanierungseignung sind gegeben, wenn das Überleben des Unternehmens durch den Schuldenerlass und ggf. weitere Sanierungsmaßnahmen objektiv gesichert ist.

3. Sanierungsabsicht wird vermutet, wenn der Schuldner sanierungsbedürftig ist und der Erlass geeignet war, die Sanierung herbeizuführen.

4. Ein Bescheid über die gesonderte Feststellung nach § 3a Abs. 4 Satz 1 EStG stellt gegenüber dem Feststellungsbescheid nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO einen eigenständigen Verwaltungsakt dar.

5. In den Fällen des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO i.V.m. § 181 Abs. 1 Satz 1 AO beginnt die Feststellungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in welchem das rückwirkende Ereignis eintritt.

6. Ein Antrag gem. § 52 Abs. 4a Satz 3 EStG auf Anwendung des § 3a EStG stellt ein Merkmal des gesetzlichen Tatbestandes dar und ist damit ein rückwirkendes Ereignis.

 

Normenkette

AO § 180 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 181 Abs. 1 S. 1, § 170 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 1, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 2; EStG §§ 3a, 52 Abs. 4a S. 3; AO § 169 Abs. 2 Nr. 2

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Voraussetzungen für die Annahme eines steuerfreien Sanierungsertrags gem. § 3a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorliegen und ob ein Antrag auf vorzeitige Anwendung der vorgenannten Norm nach § 52 Abs. 4a Satz 3 EStG ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) darstellt.

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG. Komplementärin ist die nicht am Vermögen der Klägerin beteiligte T 1 Verwaltungs GmbH, Kommanditisten sind Herr T 2 (5%) und Frau T 3 (95%). Der Kommanditist T 2 hatte den Betrieb im Mai 1997 von seinem Vater übernommen und zunächst als Einzelunternehmen fortgeführt. Ab dem Jahr 2005 wurde das Einzelunternehmen im Ganzen an die Klägerin verpachtet und seitdem im Sonderbetriebsvermögen des Kommanditisten T 2 bei der Klägerin ausgewiesen. Die Einkünfte aus diesem Betrieb werden nach § 179 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO gesondert und einheitlich festgestellt. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb betrugen in den Jahren:

2005

X € (für den Zeitraum vom 01.07.2005 bis 31.12.2005)

2006

X €

2007

X €

2008

X €

2009

X €

2010

X €

2011

X €

2012

X €

Zum 31.12.2012 wies die Klägerin in ihrer Gesamthandsbilanz als Eigenkapital das Kommanditkapital i.H.v. 5.000 € aus und unter den Aktiva u.a. Forderungen gegen Kommanditisten i.H.v. X € sowie unter den Verbindlichkeiten u.a. solche gegenüber ihren Gesellschaftern i.H.v. insgesamt X €. Die Bilanz zum Sonderbetriebsvermögen des Kommanditisten T 2 ergab ein negatives Kapital i.H.v. X € (u.a. Grundstücke und andere Anlagen i.H.v. X € und Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten i.H.v. X €). Die Zinsaufwendungen 2012 im Bereich des Sonderbetriebsvermögens beliefen sich auf knapp X €.

Mit Schreiben vom 30.11.2012 nahm die Bank 1 ein Vergleichsangebot an, wonach die Bank gegen Zahlung eines Einmalbetrages i.H.v. X € auf ihre weitergehenden Forderungen verzichtete. Wegen der weiteren Einzelheiten, einschließlich des vorhergehenden Schriftwechsels mit der Bank 1, wird auf die insoweit von der Klägerin zu den Steuerakten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Die Klägerin reichte ihre Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 2013 am 26.02.2015 beim Beklagten ein. Mit der Abgabe der Erklärung beantragte sie, einen in der übermittelten Gewinnermittlung enthaltenen Gewinn in Höhe von X € als Sanierungsgewinn aus sachlichen Billigkeitsgründen nicht zu berücksichtigen und den Gewinn bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung gem. § 163 AO entsprechend niedriger festzustellen. Spätestens seit dem Jahr 2001 hätten im Einzelunternehmen „T 1” Liquiditätsprobleme bestanden, der Betrieb habe nur durch bankseitige Überbrückungskredite und den Einsatz von Lebensversicherungen aufrechterhalten werden können. Im Jahr 2005 seien jedoch sämtliche Mittel erschöpft gewesen. Das Einzelunternehmen sei an die Klägerin verpachtet worden und die Bank 1 habe das gesamte Engagement im Oktober 2005 gekündigt. Durch eine getroffene Zahlungsvereinbarung mit der Bank 1 sei die sonst drohende Zwangsversteigerung der Betriebsimmobilie zunächst abgewendet worden. Im Jahr 2010 habe sich die Situation jedoch zugespitzt, weil ein direkter Wettbewerber der Klägerin, dessen Betrieb direkt an das Grundstück der Klägerin angrenze, einen erheblichen Erweiterungs- und Erneuerungsbau durchgeführt habe. Hierdurch sei der tatsächlich schlechte Zustand der Betriebsimmobilie der Klägerin noch offensic...

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