Leitsatz

1. Die Abgrenzung zwischen betrieblich veranlassten Darlehen und durch das Gesellschaftsverhältnis veranlassten Einlagen ist anhand der Gesamtheit der objektiven Verhältnisse vorzunehmen. Einzelnen Kriterien des Fremdvergleichs ist dabei nicht die Qualität unverzichtbarer Tatbestandsvoraussetzungen beizumessen (Bestätigung des Senatsurteils vom 29.10.1997 – I R 24/97, BFHE 184, 482, BStBl II 1998, 573, unter II.2.).

2. Die fehlende Darlehensbesicherung gehört zu den "Bedingungen" i.S. des § 1 Abs. 1 AStG, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zur Fremdunüblichkeit der Geschäftsbeziehung führen kann; Gleiches gilt für Art. 9 Abs. 1 OECD‐MustAbk (hier: Art. 9 DBA‐Belgien 1967) – Bestätigung der Senatsrechtsprechung.

3. Ob ein unbesichertes Konzerndarlehen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls fremdvergleichskonform ist, hängt davon ab, ob auch ein fremder Dritter – ggf. unter Berücksichtigung möglicher Risikokompensationen – das Darlehen unter gleichen Bedingungen ausgereicht hätte (Bestätigung der Senatsrechtsprechung).

4. Wäre ein unbesichertes Konzerndarlehen nur mit einem höheren als dem tatsächlich vereinbarten Zinssatz fremdüblich, hat eine Einkünftekorrektur vorrangig in Höhe dieser Differenz zu erfolgen (Bestätigung der Senatsrechtsprechung).

5. Im Rahmen von Feststellungen zum Fremdvergleich ist die Ausreichung unbesicherter Darlehen durch fremde Dritte an die Konzernobergesellschaft nicht geeignet, die Würdigung des einer (Tochter‐)Gesellschaft eingeräumten Darlehens am Maßstab einer fremdüblichen Kreditgewährung zu ersetzen (Bestätigung der Senatsrechtsprechung).

 

Normenkette

§ 1 Abs. 1 und 4 AStG i.d.F. des StVergAbG, Art. 267 AEUV, Art. 9 DBA-Belgien 1967, Art. 9 Abs. 1 OECD-MustAbk

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GmbH mit Sitz im Inland, ist Alleingesellschafterin und zugleich Organträgerin der A-GmbH mit ebenfalls inländischem Sitz. Letztere war zu 99,98 % an der B-N.V., einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in Belgien, beteiligt. Die restlichen Anteile an der B-N.V. hielt die Klägerin selbst.

Die A-GmbH führte für die B-N.V. ein Verrechnungskonto (Zinsstaffelmethode), das ab dem 1.1.2004 mit 6 % p.a. verzinst wurde. Eine Besicherung wurde nicht vereinbart. Im Streitjahr (2005) belief sich die Verzinsung eines der Klägerin von einer Bank gewährten Betriebsmittelkredits auf 3,14 %.

Am 30.9.2005 schlossen die A-GmbH und die B-N.V. einen Vertrag über einen Forderungsverzicht gegen Besserungsschein (... EUR). Der Betrag entsprach dem nach Ansicht der Vertragsbeteiligten wertlosen Teil der gegen die B-N.V. gerichteten Forderungen aus dem Verrechnungskonto. Er wurde zwar in der Bilanz der A-GmbH gewinnmindernd ausgebucht, das FA hat jedoch die Gewinnminderung mit Rücksicht auf die fehlende Forderungsbesicherung nach § 1 Abs. 1 AStG durch eine außerbilanzielle Hinzurechnung neutralisiert.

Die dagegen erhobene Klage hatte Erfolg (FG Düsseldorf, Urteil vom 10.11.2015, 6 K 2095/13 K, Haufe-Index 10395992, EFG 2017, 553).

 

Entscheidung

Die Revision des FA war aus den in den Praxis-Hinweisen genannten Gründen (fehlende Feststellungen zu dem nach § 1 Abs. 1 AStG gebotenen Fremdvergleich) begründet, was zur Zurückverweisung der Sache an das FG führte.

 

Hinweis

1. Wie den einzelnen Leitsätzen entnommen werden kann, hat der BFH in der Besprechungsentscheidung seine (neuere) Rechtsprechung zur Einkünftekorrektur bei grenzüberschreitenden Darlehensgewährungen im Konzern durchgehend bestätigt. Es fragt sich daher, warum diese Entscheidung erneut amtlich veröffentlicht wurde. Das lässt sich "nur" mit der speziellen Prozessgeschichte dieses Falles erklären.

2. Über exakt diesen Fall hatte der BFH bereits Anfang des Jahres 2019 unter dem früheren Aktenzeichen I R 73/16 (BFH, Urteil vom 27.2.2019, I R 73/16, BFH/NV 2019, 731, BFH/PR 2019, 202) entschieden. Es handelte sich um das Piloturteil betreffend die sog. Sperrwirkung des Art. 9 Abs. 1 OECD-MustAbk gegenüber Einkünftekorrekturen im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Darlehensgewährungen im Konzern. Wegen der Gesamtproblematik kann auf die in BFH/PR abgedruckten Kommentierungen zum Pilotverfahren, den zahlreichen Parallelverfahren und den hierzu ergangenen Folgeurteilen verwiesen werden (z.B. BFH, Urteil vom 27.2.2019, I R 51/17, BFH/NV 2019, 1265, BFH/PR 2019, 336; BFH, Urteil vom 9.6.2021, I R 32/17, BFH/PR 2022, 45).

3. Besondere Bedeutung erlangte das Piloturteil vom 27.2.2019, I R 73/16, dadurch, dass der BFH in dieser Entscheidung den unionsrechtlichen Streitpunkt, ob die Grundfreiheiten einer auf § 1 Abs. 1 AStG gestützten Einkünftekorrektur entgegenstehen, im verneinenden Sinne selbst entschieden hatte, ohne zuvor den EuGH anzurufen. Die Klägerin des Verfahrens hatte dies nicht hingenommen, sondern Verfassungsbeschwerde beim BVerfG eingelegt mit der Begründung, durch die Nichtvorlage des Verfahrens sei sie ihrem gesetzlichen Richter, also konkret dem EuGH, entzogen worden. Die Verfassungsbeschwerde wurde vom BVerfG als zulässig und beg...

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